Freispruch für Kardinal Pell: Verheerendes Signal
Die Vorwürfe, sexuelle Gewalt an Kindern verübt zu haben, interessierten ihn nie. Jetzt ist Kardinal Pell frei. Worte des Papstes sind damit wertlos.
K ardinal Pell ist wieder ein freier Mann. Das oberste Gericht in Australien kippte am Montag das Urteil gegen den 78-jährigen, der im vergangenen Jahr für sexuelle Gewalt an zwei 13-jährigen Chorknaben in den 1990er Jahren verurteilt worden war. Für Pell ist das Urteil eine Genugtuung, er sieht sich als Sündenbock für die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche. Für die vielen Betroffenen dieser Skandale, die seit Jahren nicht abreißen wollen, ist das Urteil verheerend: Es signalisiert, dass kirchliche Würdenträger offenbar noch immer mit allem durchkommen.
George Pell steht wie kein Zweiter für den Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauchsvorwürfen: Den ehemaligen Erzbischof von Melbourne und späteren Finanzchef des Vatikans begleitet der Vorwurf des Kindesmissbrauchs schon Jahre. Er stand im Verdacht, selbst Kinder in einem Schwimmbad befummelt und in der Sakristei missbraucht zu haben, Opfer kirchlicher Gewalt bedroht und die Missbrauchstaten seines Vertrauten, dem verurteilten Priester Ridsdale, aktiv vertuscht zu haben.
Mehrfach stand Pell vor Gericht, 2012 lud ihn die königliche Kommission gegen Kindesmissbrauch vor. Was Ridsale oder ihm selbst vorgeworfen wurde, interessiere ihn nicht, ließ Pell die schockierte Öffentlichkeit wissen. Selbst der Vorsitzende der päpstlichen Kinderschutzkommission bezeichnete den Kardinal als kalt, hartherzig und unhaltbar für den Vatikan. Doch all das tat Pells Karriere keinen Abbruch. Als Nummer drei im Vatikan rückte er an die Spitze der kirchlichen Hierarchie. Erst nach Pells Verurteilung durch ein australisches Gericht entband Papst Franziskus ihn von seinen Ämtern – vorübergehend.
Kardinal Pell ist jetzt wieder ein freier Mann. Er vergebe seinen Anklägern, sagte er. Das sind nicht die neuen, opfersensiblen Töne, die der Papst seinem Personal im Umgang mit Missbrauch verordnet hat – sondern ganz alte. Die Betroffenen, die durch die Ankündigungen des Papstes und auch durch Pells ursprüngliche Verurteilung Hoffnung geschöpft haben, dürften jetzt wissen, woran sie sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund