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■ Freispruch der Polizeibeamten im Mißhandlungsfall Oliver NeßDie Weißwäscher

Zwei Polizeibeamte, die den Fernsehjournalisten Oliver Neß vor vier Jahren schwer mißhandelt hatten und deshalb in erster Instanz zu geringen Geldstrafen verurteilt worden waren, wurden am vergangenen Donnerstag freigesprochen. Obwohl dieser Polizeiübergriff per Video gut dokumentiert ist, hat die Revisionsinstanz vom Bundesgerichtshof (BGH) die Beamten praktisch reingewaschen.

Mit seiner Argumentation, die Beamten hätten gegen Neß womöglich den Verdacht des „Landfriedensbruchs“ gehegt, versucht das BGH das Opfer zum „Störer“ zu machen. Mit diesem Urteilsspruch lassen sich künftig alle polizeilichen Gewalttaten rechtfertigen. „Ich glaubte, einen Störer festzunehmen“ wird so zum Schlüsselsatz für Polizisten, der einen Freispruch verspricht. Der BGH zieht in seiner Begründung außerdem in Zweifel, ob bei dem brutalen Verdrehen des Fußes von Neß „die Grenzen erlaubten Vorgehens pflichtwidrig überschritten“ worden seien. Der „Hektik des Tatgeschehens und der Streßsituation der Beteiligten müsse ausreichend Rechnung getragen werden“, heißt es weiter.

Es grenzt an Geschmacklosigkeit, wenn den Beamten angesichts einer gesprengten Gelenkkapsel und einem zerfetzten Bandapparat praktisch ein noch pflichtgemäßes Vorgehen attestiert wird. An die Sorgfaltspflicht von Polizeibeamten und an den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit werden offenbar denkbar geringe Anforderungen gestellt.

Die vom BGH beklagte Verfahrensverzögerung, die ebenfalls als Begründung für den Freispruch dient, ist von der Justiz selbst zu verantworten – in erster Linie von der Hamburger Staatsanwaltschaft. Eine Verzögerung von fast zwei Jahren ist kein Zufall. Nun wird diese hausgemachte Verzögerung den Angeklagten wegen deren „starker Belastung“ und „bereits erlittenen beruflichen Nachteilen“ zugute gehalten.

Der Mißhandlungsfall wurde in einem von Korpsgeist und Lügen, von Manipulationen und Beweismittelunterdrückung geprägten Ermittlungsverfahren kleingearbeitet: So mausert sich der Polizei- zum Justizskandal und reiht sich ein in die Tradition einer mangelhaften öffentlichen Kontrolle der Polizei, die mit immer weiter reichenden Eingriffbefugnissen ausgestattet ist. Dieses Problem, das zu einer notorischen Sanktionsimmunität der Polizei führt, ist bis heute ungelöst – eine ernste Herausforderung auch für eine rot-grüne Bundesregierung. Rolf Gössner

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