Freiraum am Fernsehturm: Grün gegenüber Grau
Der Siegerentwurf zum Rathausforum ist ein Gegenentwurf zum Humboldt Forum. Die Architektenkammer will, dass er möglichst schnell umgesetzt wird.
Bereits in der vergangenen Woche waren die Bonner Landschaftsarchitekten vom Büro RMP Stephan Lenzen mit dem ersten Preis für ihren Entwurf ausgezeichnet worden. Er sieht vor, das Marx-Engels-Forum mit dem Rathausforum zwischen Rotem Rathaus, Marienkirche und Fernsehturm zu einem grünen Band zu verbinden. Auch Marx und Engels kehren zurück und wenden dem Humboldt Forum ihren Rücken zu.
Ein grünes Band
Ein großzügiger Freiraum wird künftig zwischen Humboldt Forum und Alexanderplatz die Mitte Berlins prägen. Dafür sollen größere Flächen wie etwa am Neptunbrunnen entsiegelt werden. Entlang der Karl-Liebknecht-Straße und der Rathausstraße sollen „Flanierbänder“ zur großen Grünfläche an der Spree gegenüber des Humboldt Forums führen. Eine Freitreppe soll dann hinab zum Ufer führen. Was für ein Kontrast zur steilen Wand, die das Humboldt Forum auf der gegenüberliegenden Seite abschirmt.
Die Verbindung zwischen Marx-Engels-Forum und Rathausforum kann natürlich nur funktionieren, wenn sie dabei auch die Spandauer Straße überwindet. Die teilt als Schneise nach wie vor beide Teilbereiche. Geht es nach dem Bezirk Mitte könnte die Spandauer Straße allerdings zurückgebaut werden. Sogar eine reine Fußgänger- und Fahrradstraße sei denkbar.
Einen „Meilenstein für die Freiraumgestaltung der Berliner Mitte“ nennt der Vorsitzende der Jury, Klaus Overmeyer, den Entwurf. Die Architektenkammer spricht von einem „grünen Gegenstück zum weitgehend steinernen Umfeld des Humboldt Forums“.
Auch die beiden federführenden Senatsverwaltungen sind zufrieden. Der Entwurf entspreche „klar dem Votum der Berliner:innen, die sich im Rahmen der Erarbeitung der Leitlinien für Bürgerbeteiligung für den Freiraum als Ort der Versammlung, der politischen Aktionen und der Erholung für die diverse und kreative Stadtgesellschaft ausgesprochen haben“, sagte Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke).
Die grüne Umweltsenatorin Regine Günther betonte, es sei richtig gewesen, das Rathaus- und das Marx-Engels-Forum frei von Bebauung zu halten. „Der Siegerentwurf bietet hohe Aufenthaltsqualität mit Flächen zum Flanieren, zum Ausruhen, zum Genießen von spektakulären Aussichten auf Dom, Humboldt Forum und Fernsehturm.“ Damit werde die Mitte „grüner, attraktiver und klimarobuster“.
Langes Beteiligungsverfahren
An dem Wettbewerb hatten sich in einer ersten Phase 53 Arbeiten Büros beteiligt. 21 der eingereichten Arbeiten wurden in einer weiteren Phase des Wettbewerbs im Rahmen der Bürgerbeteiligung weiterentwickelt. Dass beide Flächen nicht bebaut werden sollten, hatte sich im wohl längsten Beteiligungsverfahren seit der Wende herauskristalisiert. So wurde das Ergebnis des 2015 gestarteten Verfahrens „Alte Mitte. Neue Liebe“ auch 2016 vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Die zehn Leitlinien sahen unter anderem die Schaffung einer nicht-kommerziellen „grünen Oase“ vor. Der damalige Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) begrüßte dies: „Der Ort ist damit programmiert“, sagte er.
Erleichtert ist auch der SPD-Baustadrat in Mitte, Ephraim Gothe. Es sei richtig gewesen, an dieser Stelle nicht überstürzt zu handeln. „So entsteht nunmehr die Chance, unter dem Vorzeichen von Klimaanpassung und Mobilitätswende die vorhandenen Freiraumstrukturen qualitätsvoll weiter zu entwickeln.“
Zuständig für die Umsetzung des Siegerentwurfs ist die landeseigene Grün Berlin. sie muss mit dem Büro RMP Stephan Lenzen nun die Details verhandeln. Der politische Wille zur Umsetzung des Entwurfs ist aber vorhanden. Der taz sagte Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel: „Von dem Wettbewerbsergebnis jetzt Abstand zu nehmen würde bedeuten, den langwierigen, demokratischen Prozess mit Füßen zu treten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod