piwik no script img

FreimaurerDie flexiblen Idealisten

Eine Geschichte der Bremer Logen hat der Historiker Marcus Meyer geschrieben. Schwerpunkt ist die Auseinandersetzung der angeblichen Geheimbündler mit dem NS-Regime. Hilfreich war dabei, dass die Freimaurer-Akten aus SS-Archiven seit einiger Zeit wieder zugänglich sind.

Im Zentrum der Riten steht die "Tempelarbeit": Einmal im Monat treffen sich die "Brüder". Bild: dpa

Von Geheimnissen umwittert sind sie immer noch, die Freimaurer. Das aber nicht so sehr, weil heutzutage, sagen wir: das Internet zu wenig über sie und ihre Rituale berichten würde. Eher schon wegen der Frage: Was genau ist es bloß, das diese - zumeist - Männer zusammenhält?

Im Zentrum der Riten steht die "Tempelarbeit": Einmal im Monat treffen sich die "Brüder" mit schwarzen Anzügen, weißen Handschuhen und Zylindern, um die Hüften den Maurerschurz gebunden. Der eigentliche Ritus besteht aus formelhaften Gesprächen zwischen dem "Meister vom Stuhl", dem Chef der Loge, und den beiden "Aufsehern", die ihm gegenübersitzen. Das symbolische Erlebnis scheint, neben der Männerfreundschaft, der "Kitt" zu sein. Die Ideale hingegen, denen die Freimaurer anhingen, unterlagen dem Wandel des Zeitgeistes.

Zur Zeit der Aufklärung galten die geheimen Zirkel als Vordenker, in der Französischen Revolution spielten Freimaurer eine große Rolle, ebenso bei der Gründung der Vereinigten Staaten. Ihr eigentlicher Impuls liegt aber nicht in den Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit - in der Weimarer Republik etwa waren sie so demokratiefeindlich wie das national-konservativ gesinnte Bürgertum.

Die Freimaurer

Der Begriff Freimaurer leitet sich am vom englischen "freestone mason", der in der frühen Neuzeit unterschieden war vom "roughstone mason", der gröbere Arbeiten verrichtete. Überlieferte Symbole wie Maurerkelle, Winkelmaß und Zirkel finden bis heute Verwendung. Auch gliedert sich die Freimaurerei grundsätzlich in die drei Grade Lehrling, Geselle und Meister.

Ihren Ausgang nahm die Freimaurerei im frühen 18. Jahrhundert in London: Dort wurde 1717 die erste "Großloge" gegründet, 1735 zählte man in der englischen Hauptstadt bereits über 120 Logen.

Die erste deutsche Loge gab es ab 1737 in Hamburg, über den Handel traditionell eng mit London verbunden.

Vor dem Zweiten Weltkrieg waren in Deutschland rund 80.000 Männer in Logen organisiert, die sich vor allem im preußischen Gebiet befanden, wo nach dem Krieg die Freimaurerei verboten blieb.

Heute sind nach Angaben der "anerkannten" Großlogen rund 14.000 Männer in Deutschland aktiv. Zudem gibt es mehrere weibliche und gemischtgeschlechtliche Großlogen.

Der Historiker Marcus Meyer hat jetzt vor allem für diese Phase am Beispiel der Stadt Bremen die Geschichte der Freimaurerei nachgezeichnet. Geholfen hat ihm dabei die Tatsache, dass die Akten der zuweilen geradezu protokollsüchtig erscheinenden Freimaurer 1935 beschlagnahmt worden waren und den Zweiten Weltkrieg in einem Keller in Merseburg überstanden - erst nach 1989 wurden sie für Historiker wieder zugänglich.

Die predigtartigen Reden, die aus der Weimarer Zeit dokumentiert sind, belegen, wie weit verbreitet in Freimaurerkreisen die Ablehnung der Demokratie war. Neuere naturwissenschaftliche Erkenntnisse wurden da genauso als Zeichen des Verfalls angeprangert wie die zeitgenössische Kultur. Die Mehrheit der Logen-Brüder ahnte wohl nicht, dass der Sicherheitsdienst von SS-Führer Reinhard Heydrich längst über ein "Referat Freimaurer" verfügte und die Freimaurer karteimäßig erfasst hatte. Das Ziel: die Zerschlagung der geheimen Logen.

Nicht wenige Freimaurer traten aus ihren Logen aus und bemühten sich - auch noch nach 1933 - um Aufnahme in die NSDAP. Die wiederum wehrte sich gegen Infiltration (oder das, was die Parteigenossen dafür hielten): 1.300 Mitgliedsanträge, so meldete die Bremer NSDAP im Jahr 1934 nach Berlin, seien wegen Logen-Mitgliedschaft abgelehnt worden.

1933 hatte es der ehemalige Freimaurer Richard Markert zum ersten Bremer NS-Bürgermeister gebracht. Auch Otto Bernhard, Wirtschaftssenator seit 1933, war zuvor Logenmitglied gewesen.

Noch 1938 bemühten sich Logenbrüder um einen "Gnadenerlass" des Führers, der ihnen die Aufnahme in die Partei ermöglichen sollte. Bereits fünf Jahre zuvor hatte Rudolf Mühlhausen, Bremer Pfarrer und Freimaurer, an Reichspräsident Paul von Hindenburg einen untertänigen Bittbrief geschrieben. "Wir haben weder einen Juden noch einen Marxisten in unseren Reihen", heißt es darin, "wir sind vaterländisch bis auf die Knochen und Gottesfurcht ist uns eine Selbstverständlichkeit." Es nutzte nichts: Im August 1935 wurden die Bremer Logenhäuser geschlossen, das Inventar wurde beschlagnahmt.

Widerstand seitens der Freimaurer als Gesamtheit gab es nicht, stellt der Historiker Meyer fest, allerdings gibt es einzelne Logen-Persönlichkeiten wie der Bremer Pastor Emil Felden, die sich Kreisen des Widerstandes anschlossen. Die Mehrzahl der Freimaurer dagegen stand dem NS-Regime wohl nur deshalb ablehnend gegenüber, weil es sie ausgeschlossen hatte aus der "Volksgemeinschaft".

Als die Bremer Logen nach Ende des Krieges neu gegründet wurden, sollten NSDAP-Mitglieder keine Aufnahme finden. Richard Harms, der sich selbst um Aufnahme in die Partei bemüht hatte, bezeichnet zur Begründung die NSDAP einerseits als "Verbrecherclique, welche die Freimaurerei durch den Kot zog". Andererseits war ihm ein weiteres Argument wichtig: "Wir müssen vor die amerikanische Regierung mit einer sauberen Mitgliederliste treten."

Eine Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte im Vorfeld der Nazi-Herrschaft fand in den Logen nicht statt. Sie nahmen die seit Jahrhunderten fast unveränderten Formen, Symbole und Ideale wieder auf: Würde, Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen. Das Ritualerlebnis stiftete wieder - wie in den Kirchen - die Gemeinschaft, die sich selbst wie immer gänzlich unpolitisch sieht: Es geht darum, so das Selbstverständnis, "Männerfreundschaften zu schließen und in einem vertrauensvollen Rahmen an der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten".

Marcus Meyer: "Bruder und Bürger. Freimaurerei und Bürgerlichkeit in Bremen", Edition Temmen 2010. Die eigentlich für den heutigen Dienstag angekündigte öffentliche Buchvorstellung hat der Verlag kurzfristig verschoben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • RM
    Reinhard Markner

    Bei dem vermeintlichen Keller in Merseburg handelt es sich um die ältere Abteilung des Zentralen Staatsarchivs der DDR, wo die von der Sowjetunion restituierten Freimaurerakten neu verzeichnet und seit Mitte der 1980er Jahre der Forschung zugänglich gemacht wurden. Für mehrere Aktenkilometer hätte es wohl auch ein reichlich großer Keller sein müssen ...