Freihandel mit Kanada: Die SPD hat wieder ein Ceta-Problem
Die Sozialdemokraten haben Bedingungen definiert, um dem EU-Kanada-Abkommen zuzustimmen. Die sind aber immer noch nicht erfüllt.
Der SPD-Konvent hatte im November mit knapper Mehrheit beschlossen, dem umstrittenen Freihandelsabkommen zuzustimmen, sofern im weiteren Prozess eine Reihe von Änderungen erreicht würde. Unter anderem forderten sie, dass „unklare Definitionen“ von „unbestimmten Rechtsbegriffen“ beseitigt oder klargestellt werden müssten.
Ceta nennt als Grund für mögliche Klagen von Unternehmen gegen Staaten etwa „offensichtliche Willkür“ oder das Versagen einer „gerechten und billigen Behandlung“, ohne diese Begriffe zu definieren. Das wollte die SPD ändern: „Hier sind Klarstellungen und Präzisierungen erforderlich, etwa in Form von rechtlich verbindlichen, ergänzenden Erklärungen zwischen den Vertragspartnern“, heißt es im Beschluss des Konvents.
Und tatsächlich hat der EU-Rat zusammen mit dem eigentlichen Ceta-Abkommen eine Reihe weiterer Dokumente verabschiedet: zum einen eine „gemeinsame Auslegungserklärung“, die von Kanada und der EU unterzeichnet wurde, zum anderen eine Reihe von Protokollerklärungen, die die EU oder einzelne Mitgliedstaaten allein verfasst haben.
Versprechen gebrochen
Die Forderung, schwammige Begriffe eindeutig zu definieren, wird darin nach Auskunft der Bundesregierung allerdings nicht erfüllt. „Das gemeinsame Auslegungsinstrument zielt nicht auf die Definition von Begriffen, sondern auf die Auslegung von Bestimmungen ab“, schreibt SPD-Staatssekretär Matthias Machnig. Für den stellvertretenden Vorsitzen der Linken im Bundestag, Klaus Ernst, steht damit fest: „Ganz offensichtlich hat Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister und SPD-Chef seine Versprechen gegenüber SPD-Basis und Öffentlichkeit gebrochen.“
Während die gemeinsame Auslegungserklärung zumindest bei Streitfragen über Ceta herangezogen werden muss, ist die rechtliche Wirksamkeit der Protokollerklärungen völlig unklar. Sie könnten „im Einzelfall einen Beitrag zur konkretisierenden Auslegung“ von Ceta leisten, schreibt die Regierung lediglich. EU-Verhandlungsführer Maurio Petriccione hatte in einer Anhörung im November die Auffassung vertreten, diese seien „unilateral“. Deutschland hat sich in einer solchen Erklärung etwa das Recht vorbehalten, einseitig aus Ceta auszusteigen, wenn das Verfassungsgericht Einwände hat oder der Bundestag das Abkommen nicht ratifiziert.
Rechtlich wirksam wären solche Erklärungen aber nach Ansicht von Experten nur, wenn Kanada sie offiziell annimmt. Die Frage, ob das geschehen ist, beantwortet das Wirtschaftsministerium gegenüber der Linksfraktion nicht. Auch der taz verweigerte das Ministerium am Dienstag eine Antwort.
Zugesagt hatte die SPD im Konventsbeschluss auch, die Entscheidung über Ceta „in enger Abstimmung mit den Gewerkschaften“ zu treffen. Würde das ernst genommen, müsste die Partei das Abkommen derzeit ablehnen. Zwar hat der DGB am Dienstag gemeinsam mit Industrieverbänden eine Erklärung veröffentlicht, wonach Ceta „wichtige Fortschritte“ bringe. Doch im Dezember hatte der DGB-Vorstand beschlossen, dass die Zusatzerklärungen nicht ausreichten, um „die gewerkschaftlichen Bedenken auszuräumen“. Vergangene Woche hatten zudem acht europäische Gewerkschaftsdachverbände eine Ablehnung von Ceta gefordert.
Wie die SPD nächste Woche im EU-Parlament abstimmt, ist offen. Im Handelsausschuss hatte der Bremer SPD-Abgeordnete Joachim Schuster Ende Januar gegen Ceta gestimmt, der Handelsausschuss-Vorsitzende Bernd Lange hingegen dafür.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken