Freihängende Stromleitungen in Bangkok: Beim Mopedfahren durch Kabel enthauptet
In Thailand verursachen frei hängende Kabel immer wieder Unfälle und Stromausfälle. Jetzt sollen mehr Leitungen unter die Erde.

T hailand hat jüngst durch seinen Minikrieg mit dem Nachbarn Kambodscha für Schlagzeilen gesorgt. Fünfzehn Menschen, darunter ein Soldat, kamen auf Thai-Seite ums Leben. In Kambodscha brachten die Gefechte acht Zivilisten und fünf Soldaten den Tod.
Doch auch der Alltag in Thailand ist gefährlich, für Einheimische wie für Touristen. So ist etwa Alkohol am Steuer gang und gäbe. Allein während des diesjährigen Songkrans, dem thailändischen Neujahrsfest, starben auf den Straßen 256 Menschen. Eine weitere Gefahr für Gesundheit und Leben sind herunterhängende Kabel. Stromleitungen, Telefonkabel, Glasfaserkabel werden in Thailand normalerweise nicht unter der Erde verlegt, sondern spannen sich locker in armdicken Bündeln von Mast zu Mast. Dabei löst sich das eine oder andere Kabel auch schon mal, baumelt lose über Straßen und Gehwegen und verursacht Unfälle.
In Khon Kaen wurde 2017 eine 40-jährige Mopedfahrerin buchstäblich enthauptet. Ein Extremfall. Üblicher sind Unfälle wie der eines Mopedfahrers im Juli 2024 in Chonburi in der Nähe von Bangkok. Ein lose hängendes Kabel wickelte sich um seinen Hals. Der Mann verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug, stürzte und zog sich schwere Verletzungen zu. Im Januar dieses Jahres schlang sich in Pattaya ein tief hängendes Kommunikationskabel um den Hals des Fahrers eines Mopedlieferdienstes. Er erlitt Verbrennungen und musste ärztlich behandelt werden.
Offizielle Statistiken über Unfälle durch den Kabelsalat gibt es nicht. Das an sie anschließende Ritual ist indes immer das Gleiche: Die Opfer und ihre Familien zeigen sich empört und verlangen die Bestrafung der Schuldigen. Polizei, Stadtverwaltungen, Politiker, Stromversorger und Telekommunikationsfirmen schieben sich derweil gegenseitig den schwarzen Peter zu.
Wenn das Wetter Stromausfälle verursacht
Der Wirrwarr in luftiger Höhe verursacht auch noch andere Probleme. Sonne, Regen und Wind in Kombination mit laxer Instandhaltung schädigen die Kabel, was immer wieder zu Stromausfällen, gestörten Internetverbindungen oder brennenden Strommasten führt. Die Freiluftinfrastruktur lockt auch Kabeldiebe an, von denen der eine oder andere immer mal wieder kräftig einen gewischt bekommt. Erst im letzten Juli wurden zwei Männer beim Versuch, Stromkabel in Bangkok zu stehlen, durch einen Stromschlag schwer verletzt und dann festgenommen. Der Vorfall verursachte laut Polizei Stromausfälle und Schäden von mehreren Millionen Baht.
Seit Jahren schwört die Stadtverwaltung von Bangkok immer wieder hoch und heilig, den Kabelsalat in geordnete Bahnen unter die Erde zu bringen. In den letzten Jahren geschah das vor allem in den Straßen, die bei Touristen und Expats beliebt sind. So macht etwa die Wireless Road, Adresse der US-Botschaft und schicker Hotels für Diplomaten und Geschäftsleute, ihrem Namen wieder alle Ehre. Ihren Namen „Kabellose Straße“ erhielt sie allerdings schon vor langer Zeit. Sie war der Standort des ersten thailändischen Radiosenders.
Auch unter der Sukhumvit Road wurden schon Kabel verbuddelt. Entlang der sechsspurigen Hauptverkehrsstraße reihen sich luxuriöse Hotels und Shopping-Malls, gigantische Bürotürme, hochpreisige Apartmentblocks, aber auch die berüchtigten Rotlichtviertel Nana und Soi Cowboy.
Jetzt soll mal wieder ein Großprojekt in Angriff genommen werden. Ende Juli kündigten Bangkoks Stadtverwaltung sowie die Elektrizitätsbehörde an, auf 47 Straßen mit einer Gesamtlänge von 171 Kilometern Kabel unter die Erde zu bringen. Die Umsetzung solcher Pläne wird aber oft durch die mangelnde Abstimmung zwischen zig beteiligten Behörden und Unternehmen verschleppt. Bis auf Weiteres bleiben in den meisten Teilen Bangkoks die Kabelknäuel ein Ärgernis für die Einheimischen – und für Touristen ein exotischeres Selfie-Fotomotiv als die obligatorischen Tempel- und Tuk-Tuk-Bilder.
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