„Frei.Wild“-Auftritt abgesagt: „Mit einer Demo gedroht“
Ein Media-Markt in Jena bläst einen Auftritt der Band ab und reagiert damit auf Kritiker. Verstehen will man deren Argumentation jedoch nicht.
BERLIN taz | Not amused ist man beim Jenaer Media-Markt. Weil ein für diesen Freitag geplanter Kurzauftritt mit anschließender Autogrammstunde der Band „Frei.Wild“ Kritik auslöste, hat man die Veranstaltung nun abgesagt. „Wir haben uns da leider linken Krawallmachern beugen müssen, die im Internet Stimmung gegen uns gemacht haben und mit einer Demo drohten“, lässt sich etwa Andreas Blascher, der für Musik zuständiger Bereichsleiter der Filiale, von der Ostthüringen Zeitung zitieren.
Doch über den Bedrohungsgrad der Veranstaltung gibt es unterschiedliche Auffassungen. Während die Markleitung mitteilte, auf Bedenken der Polizei reagiert zu haben, erklärte diese ihrerseits, dass die Absage „eine alleinige Entscheidung des Media-Marktes sei, keine polizeiliche“.
Tatsächlich habe der Markt nach Ankündigung des Auftritts der umstrittenen Band einige E-Mails bekommen, darunter vom Grünen-Landtagsabgeordneten Dirk Adams. In seinem Schreiben forderte er, „Frei.Wild“ nicht auftreten zu lassen. Marktleiter Andreas Blaschke ist der Bitte nun widerwillig nachgekommen, nicht aber ohne nachzutreten. Im Gegenteil: Er wirft den Grünen ein „Gebaren“ vor, wie sie „früher die DDR-Funktionäre an den Tag“ gelegt haben.
Während man sich beim Media Markt also beleidigt gibt, wundert sich auch Adams, der auf seiner Website erklärt: „Mit Erstaunen stelle ich fest, dass das Management nicht nur komplett instinktlos eine gewaltverherrlichende, rechtslastige Band nach Jena einlädt, sondern jeden diffamiert, der es wagt dagegen zu argumentieren.“
„Böhse Onkelz“-Nachfolger
Dass ein Auftritt der Band aus Südtirol Kritik auslösen kann, hätte man im örtlichen Elektro-Kaufhaus durchaus wissen können. „Frei.Wild“ wird seit langem eine ideologische Nähe zur rechten Szene nachgesagt. Die Band gilt auf dem Feld der patriotischen Popkultur als Nachfolger der „Böhsen Onkelz“ und bedient in ihren Texten mit Vorliebe völkische Klischeebilder. Frontmann Philipp Burger sang einst für die Rechtsrock-Gruppe „Kaiserjäger“ und war Mitglied der rechtsextremen Südtiroler Partei „Die Freiheitlichen“. Im Frühjahr wurde eine Echo-Nominierung der Band nach Protesten zurückgezogen.
Die Band versucht sich dagegen als unpolitisch dazustellen und brüstet sich damit, dass noch keines ihrer Lieder von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert wurde. Doch das könnte sich bald ändern. Auf Initiative des Rechtsextremismus-Experten Thomas Kuban hat die Thüringer Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit, Heike Taubert (SPD) erstmals eine Prüfung entsprechender Textpassagen auf den Weg bringen lassen.
Der Popularität von „Frei.Wild“ scheinen die anhaltenden Debatten um ihrer Rechtslastigkeit kaum zu schaden. Am Donnerstag startet im Berliner Velodrom eine Tournee, die bereits so gut wie ausverkauft ist. Ein neues Album gibt es auch. Wenigstens damit wird sich die Jenaer Deutschrock-Fangemeinde also trösten können. Und nicht nur das: Mit der Gruppe „Kärbholz“ tritt am Freitag in der Stadt eine Gruppe ähnlichen Kalibers auf. Diese spielte 2009 und 2010 beim Festival “F.E.K.9“ – wobei das „K“ im Namen für „Kärbholz“ steht. Das „F“ gehört natürlich „Frei.Wild“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen