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Frauenrechte in Saudi-ArabienRevolte gegen die Männerherrschaft

Saudische Frauen dürfen nur heiraten oder arbeiten, wenn ihr männlicher Vormund es erlaubt. Tausende fordern nun ein Ende des Systems.

Noch die Ausnahme: saudische Frau allein am Steuer Foto: reuters

Berlin taz Petitionen erhält König Salman viele. Doch diese dürfte die Aufmerksamkeit des saudischen Monarchen wecken. Mehr als 14.000 Saudis haben ihren Namen unter das Schriftstück gesetzt, das Aktivistinnen am Montag zum königlichen Hof in Riad trugen. Besonders ungewöhnlich aber: Die Unterschriften stammen von Frauen. Die Regierung, so die zentrale Forderung der Unterzeichnerinnen, müsse das sogenannte Vormundsystem abschaffen.

Der Regelung zufolge brauchen Frauen die Zustimmung eines Mannes, etwa um ins Ausland zu reisen oder zu heiraten. Auch Vermieter und Arbeitgeber fragen oft nach dem Vormund, viele Behörden bleiben Frauen ohne Begleitung verschlossen.

Normalerweise nickt der Vater oder der Ehemann die Anliegen der ihm unterstellten Frau ab. Sollten diese aber verstorben oder nicht zurechnungsfähig sein, kann die Vormundschaft auch auf den Bruder oder den Sohn übergehen.

Unterstützung sammelte die Kampagne seit Wochen in den sozialen Netzwerken. Am Montag twitterte die Aktivistin Aziza al-Jusuf ein Foto, das sie auf dem Weg zum königlichen Hof zeigt. In der Hand: ein Umschlag mit der Petition. Al-Jusuf hatte in der Vergangenheit bereits für Schlagzeilen gesorgt, als sie das Autofahrverbot für Frauen brach und Fotos davon im Netz verbreiten ließ.

Vormundsystem als größte Hürde

MenschenrechtlerInnen fordern seit Jahren ein Ende des Vormundsystems. Die Regierung unter Salmans Vorgänger König Abdullah hatte angekündigt, die Regelung abzuschaffen. Passiert ist nichts.

Für viele Frauen ist das Vormundsystem die größte Hürde auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung. Immer mehr Saudi-Araberinnen drängen auf den Arbeitsmarkt, das Vormundsystem steht dem jedoch im Weg. „Frauen arbeiten in Banken, in der Wissenschaft oder bei den Vereinten Nationen“, erklärt Somayya Jabarti, Chefredakteurin der Saudi Gazette.

MenschenrechtlerInnen fordern sei Jahren ein Ende des Vormundsystems

Seit 2010 ist die Erwerbsquote von Frauen um 48 Prozent gestiegen, auf rund 16 Prozent. Für eine Gesellschaft, die auf die Wahrung traditioneller Werte besonderen Wert legt, ist der Anstieg bemerkenswert. Drastischer noch ist die Entwicklung im Privatsektor, wo der Anteil von Frauen in den vergangenen fünf Jahren um das Fünffache gestiegen ist.

Die Entwicklung hat Gründe: Für viele Familien wird es schwieriger, von nur einem Einkommen zu leben. Mit einer Bevölkerung, die sich seit dem Ölboom der 70er Jahre verdreifacht hat, steigenden Lebenskosten und einem Ölpreis unter 50-Dollar hat das Regime weniger Reichtum zu verteilen.

Hohe Arbeitslosigkeit

Unter jungen Saudis ist die Arbeitslosigkeit hoch. Gleichzeitig bleibt der Privatsektor abhängig von Gastarbeitern. Deren Zahl liegt um ein Vielfaches höher als die berufstätiger Frauen.

Für Somayya Jabarti ist das Vormundsystem nicht nur ein wirtschaftliches Problem. Die Journalistin fühlt sich persönlich gedemütigt. „Wenn ich qualifiziert bin, um eine Zeitung und ein Team von Männern zu leiten, habe ich auch die Freiheiten verdient, die mit der Verantwortung einhergehen“, sagt sie.

Aktivistin al-Jusuf wartet auf eine Antwort der Regierung: Am Hof wurde sie am Montag abgewiesen. Sie solle die Petition per Post schicken, hieß es.

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27 Kommentare

 / 
  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Ich wünsche den Aktivistinnen viel Kraft und Ausdauer für ihr Anliegen und hoffe sehr, dass sie deswegen keinen weiteren Repressionen ausgesetzt sein werden.

  • Der Untergang des Orients.

  • Surreale Realität. Tätliche Frauenfeindlichkeit. Aber bei weitem nicht "nur" im saudischen HerrSchaftsgebiet. Kann mich noch "gut" an die Zeit erinnern, wo eidgenössischen Frauen die Wahlvernunft gesetzlich verwehrt war. (Siehe auch Spezialfall Appenzell Innerrhoden) Und was soll ich erst von uns sagen? Fast 40% der BrasilianerInnen gaben vor einer Woche (Datafolha-Umfrage) zu (am Boden der Flüsterrealität sinds mehr!), dass Frauen mit "provokativer Kleidung" an etwaiger Vergewaltigung "selbst Schuld tragen". 2016! Krankhaft Misogyne sind dauerglobalisiert. Ein (unbehandelter) Fall für die WHO.

  • Die arabische Welt ist mir ein Rätsel. Die meisten Nationen haben sich in den letzten Jahrzehnten eher rückwärts entwickelt. Zumindest aus unserer Sicht, zumindest bei Frauenrechten.

     

    In der heutigen Zeit, die für Frauen wohl mit eine der schlimmsten sein muss in den letzten beiden Jahrhunderten und einem aufstrebenden Extremismus, benötigt es schon eine gehörige Menge an Mut, diese Petition zu unterschreiben.

     

    Ich befürchte aber das wird die Situation der Frauen dort eher noch verschlechtern.

  • "Mit einer Bevölkerung, die sich seit dem Ölboom der 70er Jahre verdreifacht hat, steigenden Lebenskosten und einem Ölpreis unter 50-Dollar hat das Regime weniger Reichtum zu verteilen."

     

    Das Regime hat eine eigene Notenbank, es kann also beliebige Summen an "Reichtum" verteilen. Das Regime hat sich aber Jahrzehnte lang lieber damit amüsiert mit ausländischem Geld im Ausland einkaufen ging anstatt sich in irgendeiner Form um die Entwicklung der eigenen Realwirtschaft zu kümmern. Und die Amerikaner und Europäer haben es natürlich gern gesehen wenn sie als Austausch für das Öl nicht den Großteil der eigenen Produktion ausliefern mußten, sondern einfach nur hohe Preisschilder auf Luxus-Waren und Rüstungsgüter kleben konnten.

  • Info.-Empfehlung

     

    Im Dialog: Michael Krons mit Ahmad Mansour

     

    Über die sexuelle Unterdrückung und Gewalt in der muslimischen Familie

    http://www.youtube.com/watch?v=kUPV056ciQE

     

    Kommentar auf ZEIT-ONLINE von @“Brennaman“: „Dieses Interview sollte sich jeder führende Politiker ansehen, der sich anmaßt den Islam zu kennen bzw. zu verstehen. Hier erfährt man mal, wie es in konservativen islamischen Familien zugeht.“ - am 27.09.2016

     

    Vgl.: „Muslime müssen selbst den deutschen Islam formen“. Islamkonferenz. »Zehn Jahre Islamkonferenz - sie hat viel erreicht. Und doch läuft etwas schief, sagt Extremismusexperte Ahmed Mansour. Die Verbände ignorieren die Probleme.« http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-09/islamkonferenz-ahmad-mansour-bilanz/komplettansicht

    • @Reinhold Schramm:

      na ja, wenn's um männliche vormundschaft über - nicht nur saudische - frauen geht, ist Ahmad Mansour nicht gerade 'der bringer', sondern auch nur einer, der sich in der - nach wie vor androzentrischen - bürgerlichen gesellschaft 'gut aufgehoben' fühlen möchte.

      • @christine rölke-sommer:

        Frau Rölke-Sommer, entsprechen die Ausführungen von Mansour der Realität in der muslimischen Gemeinschaft oder nicht? Dabei ist die Beurteilung der Persönlichkeit Mansours wohl zweitrangig.

        • @Reinhold Schramm:

          zur persönlichkeit des herrn Mansour habe ich mich noch garnicht geäußert. sondern nur zu seiner rolle+der psychologie, die er vorträgt.

           

          vielleicht entsprechen seine ausführungen seiner realität. mag sein.

          spätestens bei seinem satz, dass vollverschleierte frauen keine identität hätten, sollte jedoch auch der blutigste laie ins grübeln kommen.

  • @Janus

    Warum spekulative Meinungen äußern wenn es klare Erhebungen gibt? http://hdr.undp.org/en/composite/GII

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Das wäre ein wichtiger Schritt. Die Saudis haben von allen Nationen vermutlich noch den weitesten Weg bis zur Gleichberechtigung vor sich. Zumindest wenn man das mal rein von der Gesetzeslage her betrachtet.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      wie wäre es mit einer petition an king Salman zur unterstützung der saudischen frauen?

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @christine rölke-sommer:

        Ich weiß nicht ob ich da eine Audienz bekommen. Könnte mir gut vorstellen das ich aufgrund meiner Äußerungen zur Religion im Allgemeinen und zum Islam im besonderen keine besonders gerne gesehen Person im Hause des Königs bin,...

        • @33523 (Profil gelöscht):

          ach, unter einer audienz beim king machen Sie nichts?

          nicht mal in erwägung ziehen, dass petition/protestnote oder wie sonst mann es nennen möchte, auch bei der saudischen botschaft abgegeben oder in zeiten von elektronischer kommunikation auch noch anders übermittelt werden könnte?

          • 3G
            33523 (Profil gelöscht)
            @christine rölke-sommer:

            Wenn ich das richtig verstanden habe dann werden Petitionen wohl zumindest im Königshaus abgegeben.

             

            Ich habe um ehrlich zu sein einfach zu wenig Ahnung von der Situation dort um mich in der Lage zu sehen eine Petition zu initiieren die etwaige Fettnäpfchen auslässt. Unterzeichnen würde ich eine gescheite Petition aber sicher. Die Erfolgsaussichten sein mal dahingestellt,...

      • @christine rölke-sommer:

        Eine Petition legitimiert den Status Quo, indem sie ihn als rechtens anerkennt. Gegen Unrecht protestiert man, man bittet nicht um hoheitliche Gnadenakte, sie zu beenden!

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @Alexander Kosubek:

          Das kann man in der westlichen Welt so sehen aber das lässt sich nicht 1 zu 1 auf andere Gesellschaften umlegen.

           

          Sowas kann Sie in Saudi-Arabien den Kopf kosten, im wahrsten Sinne des Wortes. Und wenn man nicht die Macht hat die Gesellschaft im Alleingang zu verändern dan kooperiert man lieber erstmal mit den Herrschenden, bis die Zeit dann gekommen ist.

          • @33523 (Profil gelöscht):

            warum nur muß ich, wenn's um "den Kopf kosten" geht, an Olympe de Gouges und ihre Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne denken?

             

            andererseits: warum sollte ein mann für rechte von frauen, die nicht mal 'seine' sind, den kopf riskieren?

            • 3G
              33523 (Profil gelöscht)
              @christine rölke-sommer:

              Dazu bereits zu sein ist ehrenswert aber es kann wohl jeder verstehen das man das nach möglichkeit vermeiden möchte.

              Wer tatsächlich an ein Leben nach dem Tode glaubt,... okay. Aber bei wie vielen ist der Glaube wohl stark genug um das Risiko einzugehen?

              • @33523 (Profil gelöscht):

                nö. ich, die auch jede*r ist, kann das nicht verstehen.

                wenn's darum geht, in 'schland bzw. der dummen kuh europa muslimas zu (zwangs)entschleiern, den dicken maxe markieren, aber wenn's um 'frauenrechte sind menschenrechte' in saudia-arabien geht, den schwanz einziehen...

                mit dem glauben oder nicht an ein leben nach... hat das weniger zu tun, fürchte ich, als damit, dass mann menschenrechte dann, wenn's um 'andere' geht, als überflüssigen luxus ansieht. könnte ja das privileg gefährden - und trifft sich aufs feinste mit der angst des saudis vor der weiber fitna.

                • 3G
                  33523 (Profil gelöscht)
                  @christine rölke-sommer:

                  Sie können es also nicht nachvollziehen das Menschen ihr Leben nach Möglichkeit schützen möchten? [...]







                  Ich trete nicht für die (Zwangs)entschleierung von Frauen ein, von daher trifft Ihre Kritik mich nicht. Jemandem zu sagen was er zu tragen hat und was nicht ist zutiefst autoritär und das lehne ich ab.



                  Ich akzeptiere eben nur nicht das positive Image das man dem Kopftuch (und der islamischen Religion im Allgemeinen) hier von Seiten der Autorenschaft und einiger Kommentatoren gerne andichten möchte.







                  Die einzigen Menschen von denen man normalerweise verlangt das sie ihr Leben für die Wahrung der Rechte Dritter aufs Spiel setzen sind Soldaten.



                  Wollen Sie mit ihren maximal-Positionen etwa andeuten das wir in Saudi-Arabien einfallen sollten und das jeder der in diesem Feldzug kein Soldat ist Menschenrechte für "überflüssigen Luxus" hält? Dann greifen Sie mal zu den Waffen,...

                   

                  Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich.

                  • @33523 (Profil gelöscht):

                    irgendwie lustig, dass+wie Sie alles auf sich persönlich bezogen verstehen.

                    daher: ich meine nicht Sie als Ihren höchstpersönlichen körper, sondern ich beschäftige mich mit/ziele ab auf gedanken, die in Ihrem körper aber auch in vielen anderen gedacht werden/werden können. manche täten sagen: es geht um's argument.

                    dabei geht es auch immer um das, was aus ihm, dem argument, folgt. fürs argument und für konkrete leben. welche aber nicht immer gleich+unbedingt Ihres oder meines sein müssen, ja es in aller regel nicht sind.

                    weder Sie noch ich sind muslim, weder Sie noch ich tragen abaja/niqab (auch wenn ich ab+an tichl trage), weder Sie noch ich sind saudis.... es könnte uns also egal sein, ob da wer sein leben+wofür riskiert....

                    mir ist allerdings nicht so ganz egal, wie 'wir' (Sie+ich+jürgen matoni++) über in diesem fall: saudische frauen (und männer), welche die abschaffung von wilayah=vormundschaft verlangen, sprechen.

                    darum geht's mir.

                    und im verhandelten fall geht es mir auch darum, ob+wie 'wir' solidarisch sein können mit den bevormundeten.

                    wie das aussehen könnte über "ist ja alles furchtbar schlimm in SA und gesetzeslage ist es auch noch" hinaus. welches, um in Ihrem bild zu bleiben, die waffen der soldatin of all three+x sexes für menschenrechte denn wären? das ist u.a. die frage.

                    statts an petition/protestnote/solidaritätsadresse ließe sich auch an BDS denken, beispielsweise.

                     

                    ach ja, wie die saudischen frauen das mit abaja/niqab halten wollen, und zwar nicht nur beim autofahren, das zu entscheiden überlasse ich den frauen selbst.

        • @Alexander Kosubek:

          dann nennen Sie das ding halt protestnote!

          hauptsache, die jungs, die in 'schland frauen von tuch auf kopf befreien wollen, werden mal für die befreiung der saudischen frauen aktiv!

          • @christine rölke-sommer:

            Besser nicht. SA ist ein wertvoller Verbündeter, mit dem wirs uns nicht verscherzen wollen.