Frauenrechte in Afghanistan: Hunger nach Bildung
In Afghanistan haben Frauen ihre Träume noch nicht begraben, trotz der Taliban. Manche nähen, andere lernen heimlich Englisch. Aufgeben will keine.
I n einem kleinen Lokal im Kabuler Stadtteil Karte-e-Tschar (Viertel 4) sitzt Maryam*, ein Glas Mangosaft vor sich. Der nur künstlich erhellte Familienbereich liegt abgeschirmt hinter einem dicken schimmernden Vorhang. Der vordere Tageslichtbereich ist den Männern vorbehalten.
Auf Maryams heller Haut hebt sich am Handgelenk dunkel ein Zeichen des Widerstandes ab. Ein Schriftzug – simple girl with beautiful eyes, einfaches Mädchen mit wunderschönen Augen – windet sich um ihren Arm; frisch gestochen. „Ich war bei einer Frau, die das jetzt zu Hause heimlich anbietet, weil ihr Beauty-Salon geschlossen wurde“, erklärt sie.
Seit die Taliban im August 2021 die Macht ergriffen haben, wurden Frauen und Mädchen schrittweise aus der Öffentlichkeit verdrängt. Doch genau da, im Verborgenen, geht das weiter, was von den Machthabern unerwünscht ist: Frauen arbeiten, Frauen bilden sich, Frauen klären auf.
Die Taliban verhängten eine Hidschabpflicht, übermalten Frauengesichter auf Plakaten und in Schaufenstern, schlossen weiterführende Schulen und Universitäten für Mädchen und Frauen, verboten später den Besuch von Freizeitparks, öffentlichen Bädern und Fitnessstudios, nach und nach fast alle Berufe und zuletzt den Betrieb von Beauty-Salons.
Nur die Realität, nichts Politisches
Damit verschwand einer der letzten Treffpunkte und Rückzugsorte für Frauen. Es bleibt Frauen in Afghanistan nur noch das private Haus oder die oft sehr kleinen und meist dunklen Familienbereiche von Restaurants und Cafés, um sich im Geheimen zu treffen. Und das auch nur in bestimmten Provinzen.
Bis vor Kurzem hat Maryam noch ihre Meinung – dass Frauen selbst über ihr Leben entscheiden können sollen oder Kritik am Bildungsverbot für Frauen – über ihren Instagramkanal verbreitet. Dann wurde sie vorsichtiger, hat nur mehr Geschichten erzählt von Menschen, die ihr auf der Straße begegnet sind; über Armut, Verzweiflung und Zwangsheirat, dazu Fotos geteilt. „Doch vor Kurzem wurde mein Vater von den Taliban bedroht, sie sind zu uns nach Hause gekommen und haben gesagt, er muss dafür sorgen, dass seine Tochter mit ihren Aktivitäten aufhört“, schildert sie wütend.
„Ich habe doch gar nichts Politisches geschrieben; ich habe einfach nur die Realität der Menschen hier gezeigt“, sagt sie. Sie habe daher beschlossen, schnell das Land zu verlassen. In den Iran mag sie gehen und dann weiter irgendwohin, wo es besser und freier für sie ist. Das Visum fürs Nachbarland hat sie bereits beantragt. Doch bevor sie geht, möchte sie noch eine Freundin vorstellen, denn ihre Geschichte sei wichtig.
Das Gespräch findet in einem anderen Lokal im selben Stadtteil statt. Hier ist der Familienteil immerhin taghell. Sharifa S. spricht schnell, obwohl sie nicht gewohnt ist, auf Englisch ihre Geschichte zu erzählen. Doch sie möchte ihre Perspektive mit der Welt teilen. „Es ist schwer, unter den Taliban zu leben“, sagt sie.
„Die Frau ist ganz unten“
Sie gehört der ethnischen Minderheit der Hazara an, die von der De-facto-Regierung stark diskriminiert werden. Hazara sind eine ursprünglich buddhistische Volksgruppe – Zeugnis davon sind die übergroßen Buddhastatuen in der Provinz Bamyian aus vorislamischer Zeit, die die Taliban 2001 in die Luft gesprengt haben. Amnesty International berichtete vor Kurzem über gezielte Tötungen von Hazara.
Sharifa versteht die Ablehnung nicht, auch wenn sie weiß, dass ihre Volksgruppe einer anderen muslimischen Strömung angehört. „Wir glauben alle an Allah, das sollte doch reichen“, sagt sie. Ihre Freundin Maryam nickt bekräftigend. Im Alltag spüre sie allerdings vor allem die Unterdrückung als Frau: „Wir sind in der Gesellschaft ganz unten, die Frau ist ganz unten.“ Wann immer sie das Haus verlasse, schlage ihr der Hass gegen Frauen entgegen. Allein dass sie überhaupt das Haus verlasse, stelle für viele ein Problem dar: „Sie finden, dass ich als Frau zu Hause bleiben, mich um den Haushalt kümmern und auch dass ich heiraten sollte.“
Doch die 22-Jährige möchte nicht heiraten, sie möchte ihr eigenes Leben gestalten. Aktuell ist ihr das kaum möglich. Doch zumindest hat sie einen Weg gefunden, ihre kranke Mutter und ihre Schwester zu ernähren: „Ich habe keinen Vater und keinen Bruder, ich bin wie der Mann.“ Viele berufliche Möglichkeiten blieben aktuell allerdings nicht. „Ich putze die Häuser anderer Leute“, erklärt sie. Reichere Familien bezahlten sie dafür.
Das Geld sei sehr knapp, aber immerhin könnten sie sich die Miete und die Medikamente leisten, die ihre Mutter benötige – meistens jedenfalls. „Es ist wirklich hart, weil es niemanden gibt, der uns unterstützt“, sagt sie. Sie hofft auf eine bessere Zukunft in Afghanistan. Ein Land, in dem sie selbst entscheiden kann, wie sie ihr Leben führt, in dem Frauen jeder Arbeit nachgehen und alles studieren können, liegt nach ihrer Vorstellung ganz weit entfernt. Doch sie gibt nicht auf: „Ich möchte daran arbeiten, dass die Situation für mich und meine Mutter und meine Schwester besser wird.“
Billiger und sicherer: Digitale Kunst
Ein anderes Café in Kabul, diesmal im immer noch belebten, wenn auch im Vergleich zu Republikzeiten deutlich ruhigeren Stadtteil Shareh Naw; hier ist der Familienbereich ein Garten, hell und angenehm. Das Treffen findet zur Sicherheit jedoch in einer Ecke statt, damit es nicht zu viele Mithörer geben kann.
Kimia – so lautet ihr Künstlerinnenname – ist etwas vorsichtiger geworden, was die Inhalte auf ihren Socialmedia-Kanälen angeeht; zumindest zeitweise. Denn online gibt es zwar mehr Freiheit als im analogen Alltag, aber auch hier wird der Geheimdienst der Taliban immer aktiver und ordnet mehr und mehr der Profile realen Personen zu. Wie lange also mehr Freiheiten virtuell bestehen bleiben, ist derzeit unklar. Doch analoge Kunst mit Leinwänden und Farbe ist nicht nur kostspielig, sondern auch enorm gefährlich.
Wenige Tage nach dem Gespräch lädt Kimia ein Werk hoch, das das Schulverbot für Mädchen explizit kritisiert. Immer wieder wurde sie für ihre Arbeit angefeindet und bedroht. „Die Taliban haben mich kontaktiert und mir gesagt, dass ich keine Gesichter malen darf. Ich soll Landschaften malen oder Kalligrafie machen“, schildert sie. Gesichter seien Gottes Werk, man dürfe sie daher nicht malen.
„Aber ich mag Gesichter malen, sie sind wichtig für meine Bilder“, sagt sie mit erhobener Stimme und leuchtenden Augen. „Wenn ich male, kann ich der restlichen Welt zeigen, wie schwer das Leben hier als Mädchen und Frau ist“, sagt sie, wieder erhebt sie ihre Stimme. Es sei wichtig, Menschen zu erreichen, und mit Kunst sei das möglich: „Wenn ein Künstler malt, dann teilt er ein Stück seiner Seele mit anderen.“ Daher habe sie auch immer neue Wege gefunden, ihre Arbeit fortzusetzen. Inzwischen zeichne sie digital am Bildschirm.
Nicht so schlimm wie früher
Bereits die Kunst war für sie ein Plan B. Kimia hat eigentlich Journalismus studiert, sie graduierte gerade, als die Taliban die Macht an sich rissen. „Daher musste ich einen anderen Beruf für mich finden.“ Als Nachrichtensprecherin und Reporterin hätte sie nicht frei arbeiten können. Ihr großer Traum ist es, internationale Reichweite als Künstlerin zu bekommen, ihre Bilder ausstellen zu können, und zwar physisch und analog. „Dann würde ich am liebsten an einer Universität Kunst und Kultur vermitteln“, sagt sie, ihre Schwester Atifa* lächelt und ergreift das Wort: „Bildung ist sehr wichtig!“
Sie ist zwei Jahre älter und brennt ebenso wie die jüngere für Frauenrechte. Beide tragen beim Gespräch keinen Hidschab, sondern nur ein Tuch, das die Haare mehr schlecht als recht bedeckt – so wurden Kopftücher mehrheitlich auch zu Republikzeiten getragen – und dazu weit fallende, lockere Kleidung, aber keine schwarze Abaya oder gar blaue Burka, wie die Taliban sie bevorzugen.
„Es gibt nichts Wichtigeres, als sich immerzu fortzubilden und weiterzuentwickeln“, sagt sie. Daher rate sie Frauen, denen derzeit Schulen und Universitäten verschlossen sind, zu Hause Bücher zu lesen und das Internet zu nutzen, auch wenn das in einem Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung nur über mobiles Netz verfügt, das je nach Provinz sehr instabil ist, nicht einfach ist.
„Ja, es gibt viele Schwierigkeiten in unserem Land, aber wir haben zum Glück die moderne Technik“, sagt Atifa* optimistisch. „Es ist nicht mehr so wie damals, als die Taliban zum ersten Mal Bildung für Frauen verboten haben.“ Es sei leicht, online Bildungsangebote zu finden.
Atifa*, 27, Lehrerin
Sie selbst steht – ebenfalls mit modernen Messengersystemen – in Kontakt mit ihren ehemaligen Schülerinnen. Die 27-Jährige ist nämlich eigentlich Lehrerin von Beruf, darf aber auch diesen Beruf nicht mehr ausüben. „Mein größter Traum ist wirklich, Lehrerin zu sein oder Dozentin. Wenn ich alles machen könnte, was ich machen wollte, dann wäre es eben genau das: zu unterrichten“, sagt sie.
Vor einigen Monaten habe sie noch versucht, Unterricht online abzuhalten, doch das Projekt sei inzwischen eingestellt. „Die Schülerinnen hatten leider keine Möglichkeit, richtig teilzunehmen, das Internet war zu instabil“, sagt sie, „daher wurde das beendet.“ Immer wieder gebe sie Privatunterricht, räumt sie dann ein. „Wenn eine meiner ehemaligen Schülerinnen Fragen hat, versuche ich es über Whatsapp zu erklären oder ich lade sie zu mir nach Hause ein“, sagt sie. Auch Lerngruppen hätte sie so eingerichtet, etwa für Mathe und Englisch. „Es ist wichtig, dass man immer weitermacht, immer an sich selbst arbeitet“, betont sie.
Ramin Sangin möchte vor allem über seine Schwestern sprechen. Der Arzt und Leiter einer Schule, die von einer NGO betrieben wird, ist selbst vielseitig engagiert, doch er lenkt immer wieder das Thema auf die beiden Frauen in seinem Leben.
Das Gespräch findet während einer Autofahrt statt, mehr Zeit findet sich in diesen Tagen nicht in seinem Kalender. Die ältere Schwester ist Chirurgin und weiterhin als solche tätig. Die jüngere Schwester Sana*, selbst vom Schulverbot betroffen, unterrichtet seit Kurzem Englisch. „Ja, ich bin eine kleine Lehrerin“, kommentiert Sana stolz auf Whatsapp.
Im Vorjahr hatte sie ihrer Verzweiflung im Gespräch mit der Reporterin Luft gemacht. „Ich will die Bomben wieder“, sagte sie damals wütend, „wenn ich dann auch wieder zur Schule gehen kann.“ Damals besuchte sie gerade zum zweiten Mal die sechste Klasse, weil die siebte Klassenstufe für Mädchen bereits verboten war. Wenige Wochen später hatte sie sich dann gemeldet, weinend, ebenfalls per Whatsapp. Ihr Schulrektor hatte sie zu sich ins Büro zitiert, das Mädchen darüber belehrt, dass sie nicht wiederkommen dürfe. Eine Wiederholung der sechsten Klasse sei ebenfalls verboten.
Kein Abschluss, aber wenigstens lernen
In diesen Tagen klingt Sana ein klein wenig positiver. Der Schulbesuch ist ihr nun wieder möglich, wenn auch auf eine etwas andere Art, als sie sich das vorgestellt hatte. Ihre teils in der Schule, teils in Selbststudium erworbenen Englischkenntnisse teilt sie nun selbstbewusst mit anderen. Stolz zeigt ihr Bruder Videos vom Unterricht, die als Dokumentation regelmäßig nach Österreich gesendet werden; dort unterstützt ein Verein das heimliche Schulprojekt, in dem Frauen und Mädchen ohne Altersgrenze noch lernen dürfen – solange die Taliban ihren Unterrichtsort nicht entdecken.
Einen Abschluss können sie freilich nicht ablegen, schon im Vorjahr war der Zugang zum Konkur-Examen, dem Pendant zum deutschen Abitur als Hochschulzulassung, den Mädchen und Frauen untersagt. In den Videos wird auch deutlich, wie groß die Nachfrage ist. Alle Stühle sind voll besetzt, auf Fußboden und Treppenstufen drängen sich weitere Schülerinnen zusammen.
Einige Distrikte entfernt, ganz in der Nähe des Cafés, in dem zuvor Maryam saß, rattern Nähmaschinen. In einer ruhigen Gegend hinter hohen Mauern findet sich eine kleine Oase mit schön gestaltetem Innenhof. In einem sonnenlichtdurchfluteten Raum des angrenzenden Gebäudes nähen Frauen pinke Stoffstreifen zu nachhaltigen Binden zusammen.
Arezo Osmani hat das Konzept aus Dänemark hierhergebracht und gemeinsam mit ihrer Schwester ein kleines soziales und nachhaltiges Unternehmen mit gemeinnützigem Ansatz gegründet, das in dieser besonderen Zeit nicht nur dem Umweltschutz dient: Safe Path Prosperity. „Hier arbeiten Frauen, die nicht mehr das tun dürfen, was sie eigentlich machen wollen“, erklärt sie, während sie durch den kleinen Betrieb führt.
Früher Neurowissenschaften, heute Nähunternehmen
Sie führt kurze Gespräche mit ihren Mitarbeiterinnen, prüft da ein Stück Stoff, lächelt einer anderen zu und nickt. Da sind Studentinnen, die nicht mehr die Universität besuchen dürfen, und Frauen, denen die Ausübung ihres eigentlichen Berufs untersagt wurde. Denn selbst die Tätigkeit für internationale Nichtregierungsorganisationen ist Frauen in Afghanistan inzwischen verboten. Einer der letzten Bereiche, in dem Frauen fast uneingeschränkt tätig sein dürfen, ist das Gesundheitswesen, und genau dazu zählt das kleine frauengeführte Unternehmen.
Die Geschichte von „Safe Path“ beginnt jedoch schon vor der Machtübernahme der Taliban; damals hatte Osmani keine Vorstellung davon, wie wichtig dieser Ort einmal für die Beschäftigten werden würde. „2020 haben meine Schwester und ich überlegt, was wir tun könnten, um Frauen zu unterstützen. Schließlich sind wir auf das dänische Konzept der nachhaltigen Binden aufmerksam geworden“, erinnert sie sich.
Im Februar 2021 war ihr kleines Unternehmen registriert und nahm offiziell seinen Betrieb auf. Damals sei das für sie allerdings eher eine Nebentätigkeit gewesen, sagt sie: „Ich habe an der Kabuler Universität Psychologie und Philosophie studiert, später meinen Master in Neurowissenschaften in China gemacht. Eigentlich ist das auch mein Fokus: das Lehren.“
Inzwischen ist das Unternehmen ihr Hauptberuf. Sie schaut nachdenklich aus dem Fenster, nimmt eine Packung der nachhaltigen Binden, die auf ihrem Schreibtisch steht, in die Hand und stellt sie wieder hin. „Ich bin jetzt vor allem Arbeitgeberin von 35 Frauen“, sagt sie. Als Dozentin darf sie unter dem Talibanregime nämlich nicht mehr tätig sein. Ob sie das mit ihren Mitarbeiterinnen verbindet? Sie nickt, sie teilten im Grunde dasselbe Schicksal.
Die Periode ist keine Sünde
Doch die kleine Produktionsstätte bedeutet nicht nur Arbeitsplätze für Frauen, sondern übernimmt noch eine weitere wichtige Funktion. „Wir klären über die Periode auf“, sagt sie. Denn da gebe es noch viel Nachholbedarf. „Jede Frau in diesem Land hat ihre eigene Geschichte zu ihrer Menstruation“, ist sie überzeugt, meist handle es sich um eine sehr negative oder eine traurige.
Sie erinnert sich an ein Mädchen, das von der eigenen Mutter verprügelt wurde, als sie zum ersten Mal blutete. „Sie sagte, solange ihre Tochter nicht verheiratet sei, mache sie nun ihre Eltern jeden Monat zu Sündern, solange sie mit ihr zusammenlebten“, sagt sie. Viele solcher negativen Vorurteile kursierten im Land, ihr Aufklärungsangebot richte sich daher an die ganze Familie, nicht nur die Frauen und Mädchen selbst: „Wir sagen ihnen, dass es normal und gesund ist, wenn ihre Tochter ihre Periode bekommt. Es ist eine gute Sache und sie sollten froh darüber sein.“
Sana* wird heimlich von ihrem Bruder unterstützt
Sie ist froh, dass sie in einem Bereich arbeitet, den die Taliban für Frauen noch nicht eingeschränkt haben. Dennoch steht sie vor großen Herausforderungen. „Durch die vielen Stromausfälle benötigen wir Generatoren, um den Betrieb am Laufen zu halten; das Öl ist sehr teuer“, sagt sie.
Auch die Aufträge seien stark zurückgegangen; sie hätten schon mehr als 80 Frauen beschäftigen können, nun seien es noch etwas mehr als 30. Das liege vor allem daran, dass internationale NGOs sich zurückgezogen hätten, seit die Taliban die Macht im Land übernommen hätten. „Für diese bieten wir nämlich Hygiene-Kits an, die sie dann weiterverteilen“, schildert sie.
Versteckte Schulen
Auch sonst trifft das kleine Unternehmen die politische Lage hart: Transportwege über Pakistan sind unsicher und nehmen viel Zeit in Anspruch: „Manchmal dauert es zwei oder drei Monate, bis wir alle Materialien für die Produktion haben.“ Osmani hofft, dass sie bald wieder mehr Abnehmer haben und so viele Frauen im Land mit Hygieneprodukten versorgen können. „Wir erreichen die Frauen am besten durch NGOs“, sagt sie, während sie selbst beim Abpacken der Binden hilft, routiniert faltet sie diese zusammen und steckt sie mit einem Tütchen zusammen in eine Box.
Doch nicht nur in der Hauptstadt Kabul gibt es Menschen, die auf ihre Weise Widerstand leisten. Mitten in Helmand, der Provinz, die vor allem durch Krieg, dort hausende Taliban und striktere Geschlechtertrennung als in anderen Provinzen von sich reden macht, gibt es versteckt einen Ort, an dem Frauen weiter die Schulbank drücken.
Shah* führt in das abgelegene Gebäude und dort in einen kleinen, etwas dunklen Unterrichtsraum. Ein Fenster an der Rückseite des Raums ist die einzige Lichtquelle. An einem Whiteboard stehen Übungssätze auf Englisch, drei junge Frauen kauern sich an den Schulbänken zusammen. Sie haben Angst, dass jemand erfahren könnte, dass sie heute hier sind. Mit der Presse möchten sie daher auch auf gar keinen Fall sprechen.
Vermutlich sind auch deshalb nur so wenige Frauen überhaupt zum Unterricht gekommen, die Journalisten aus Deutschland waren angekündigt. Normalerweise werden hier bis zu 20 Frauen unterrichtet. Shah erklärt das Konzept des Orts. „Wir haben eigentlich ein Onlineangebot, aber damit erreichen wir viele Frauen nicht. Die Infrastruktur ist schlecht, vielen fehlt zu Hause stabiles Internet“.
Darüber sprechen oder schweigen?
Darum hätten sie sich entschieden, trotz des großen Risikos, weiterhin auch analog vor Ort Unterrichtseinheiten anzubieten. Shah erhielt bereits vor mehreren Jahren einen Drohbrief der Taliban, in dem stand, dass sie ihn umbringen würden, wenn er nicht seine Aktivitäten einstelle. Sie sind ein kleines Team; vier Lehrerinnen und drei Lehrer. Die Schülerinnen an diesem Tag sind zwischen 16 und 21 Jahre alt, ihnen ist nach Talibangesetzen keinerlei Zugang zu Bildung möglich.
Schon vor der Machtübernahme durch die Taliban war Bildung vielen Frauen in Helmand vorenthalten; oft schlichtweg wegen mangelnder Angebote, teilweise durch konservative Rollenbilder innerhalb der Familien. Doch damals konnte Shah seine Computer- und Englischkurse zumindest öffentlich anbieten und bewerben, die Frauen daran teilnehmen, ohne staatliche Repressionen zu fürchten.
Er hofft, dass zumindest die Onlineangebote irgendwann wieder mehr Mädchen und Frauen erreichen: „Leider fehlt uns die finanzielle Unterstützung; es ist so teuer, die notwendige Technologie zu beschaffen.“ Es brauche Internet und teilweise auch die passenden Endgeräte, Tablets am besten. Über Sach- und Geldspenden würde sich die kleine Gruppe sehr freuen.
Ein großer Zwiespalt derer, die im Land noch aktiv sind ist, dass sie einerseits über ihre Aktivitäten sprechen müssen, um notwendige Mittel zu erhalten und Bedürftige zu erreichen. Gleichzeitig begeben sie sich damit in Gefahr. Es ist daher auch schwierig zu erfassen, wie viele solcher untergründigen Aktivitäten weiterlaufen.
Offen bleibt auch, wie lang Projekte dieser Art, die dem Frauenbild der Taliban widersprechen, noch Bestand haben können. Sie können jederzeit durch neue Gesetze oder eine ausgebufftere Geheimdienstarbeit unterbunden werden. Doch die Hoffnung bleibt, dass die letzten kleinen Freiräume der Frauen entgegen allen Widerständen erhalten oder sogar erweitert werden können.
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