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Frauenkampftag in BerlinDemo für alle Flint*

Tausende demonstrierten auf der Großdemo zum Frauentag gegen Ungleichheit. Ein Fokus lag dabei nach Hanau auf Anti-Rassismus.

Mit Pyro für die Abtreibung des Patriarchats: Jugendantifa Kreuzberg Foto: Christian Mang

Berlin taz | Vor Demobeginn rollen mehrere Leute einen großen roten Teppich auf der gesperrten Müllerstraße in Wedding aus. Eine Frau am Mikro erklärt, dass sie den Teppich für Flint* ausrollten und für gleiches Recht für alle: „Wir sind Flint*. Wir haben die Schnauze voll. Es ist 2020, verdammt noch mal!“, schreit sie und erklärt, was Flint* bedeutet: Der Begriff schließe alle Personen ein, die im Patriarchat diskriminiert werden: Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nichtbinäre, Trans-Personen. Und für alle nicht explizit erwähnten, aber mit gemeinten Personen steht das Sternchen.

Auf der Demo vertretene „alliierte Cis-Männer“ begrüßt sie mit einem Ratschlag: „Nutzt den Tag für Bescheidenheit. Lasst die Schnittblumen zu Hause, bringt uns stattdessen euer Lieblingsprivileg mit und teilt es endlich mit uns!“ Applaus und Jubel.

Tausende Menschen haben am Internationalen Frauenkampftag friedlich, bunt und laut gegen Ungleichheit und Rassismus demonstriert. Der Demozug in Berlin war mit 20.000 Personen angemeldet und startete am frühen Nachmittag bei Sonnenschein in Richtung Alexanderplatz.

Zahlreiche Bündnisse und Organisationen hatten zum Protest aufgerufen: An der Spitze liefen in diesem Jahr Migrantinnen*-Organisationen wie DaMigra, gefolgt unter anderem von Pro-Choice-Bündnissen, dem Bündnis gegen Rassismus, Fridays for Future, der Freien ArbeiterInnen Union, Verdi, SPD, Grünen und Linken. Viele Rednerinnen* legten angesichts des Rechtsrucks und grassierender rechter Gewalt einen Schwerpunkt auf Antirassismus.

Gegen das Macker-Massaker: Tausende demonstrierten in Berlin Foto: Christian Mang

Ähnlich war es dann auch vom ersten der über zehn Lautsprecherwagen zu hören, wo eine Frau* über Mehrfachdiskriminierungen von Menschen mit Migrationsgeschichte sprach: „Wir wollen nicht länger in Schubladen gesteckt werden“, sagte sie. Die AfD hetze mit vermeintlich importierter Männergewalt. „Gewalt gegen Frauen ist aber kein importiertes Phänomen, sondern ein globales Problem.“

Zudem dürften rassistischer Terror und rechte Gewalt nicht als Einzeltaten verharmlost werden. „Hanau hat wieder einmal gezeigt, dass Rassismus in Deutschland eine reale Gefahr ist.“ De­mo­kra­t:in­nen müssten sich entschlossen dagegenstellen: „Wir sind wütend verdammt noch mal! Wir wollen mitbestimmen und wehren uns.“ In Richtung bestimmter deutscher Fe­mi­nis­t:in­nen erging noch der Hinweis: „Alle hier lebenden Frauen sind Teil der Gesellschaft. Hinterfragt eure Privilegien!“ Man könne nur gemeinsam gegen das Patriarchat antreten.

Immer wieder kamen Red­ner:innen auch auf die Eskalation in Griechenland und an der EU-Außengrenze zu sprechen. „Wir wollen eine geschlechtergerechte Gesellschaft, die nicht an den Grenzen von Europa enden darf“, sagte auch die Rednerin vom roten Teppich auf der Müllerstraße. Als Nächstes zitierte sie dann das Gedicht „Nach Mainz“ von Ursula Krechel.

Zwei ältere Fe­mi­nis­t:in­nen freuen sich: „Krechel, das ist ja eher unsere Generation“, sagt eine und hört gespannt zu. Dann beginnt das Gedicht mit dem Wort „Umsturz – Von heut an stell ich meine alten Schuhe nicht mehr ordentlich neben die Fußnoten, häng den Kopf beim Denken nicht mehr an den Haken.“ Das Gedicht endet mit den Zeilen „Den leeren Käfig stellt mal ins historische Museum. Abteilung Mensch weiblich.“ Die Rednerin ergänzt: „Ich korrigiere: Abteilung Mensch, Flint*“

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4 Kommentare

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  • Entlang der Demo-Route haben Frauen mit Kopftüchern, ihre Männer und Töchter und alte Frauen den Demonstrierenden zugejubelt.

    Das fand ich sehr beeindruckend.

    • @Kakaobutter:

      Und in Hamburg wurden Männe die mit Solitranspi am Rand der Demo standen vom Ordnerdienst angegangen und alle 5min wurde ein Jingle abgespielt vom Lautsprecherwagen das Cis Männer doch bitte die Demo verlassen sollen.



      Ob man so für Solidarität wirbt wage ich zu bezweifeln. Ob es das richtige Zeichen oder die passende politische Analyse ist auch.



      Irgendwie ätzend wenn der 8. März zum Teil zu nem Pay Back Day genutzt wird während in anderen Ländern deutlich mehr nach vorne geht.

      Schade das es so weit auseinander geht was die inhaltliche Qualität der Proteste betrifft.



      Wobei ich denke das es auch Auswirkungen auf die Zahlen hatte.



      Zumindest auf der Auftaktkundgebung waren maximal 2000 Leute während es letztes Jahr noch je nach Schätzung zwischen 6000 und 10000 waren. Mehrheitlich auch linke Szene Leute abseits des internationalen Blocks.



      Da gab es allerdings auch einen Pflegeblock in dem jeder mitlaufen durfte



      Davon wie es in anderen Ländern aussieht fangen wir mal gar nicht erst an

      • @Oskar:

        "Und in Hamburg wurden Männer die mit Solitranspi am Rand der Demo standen vom Ordnerdienst angegangen und alle 5min wurde ein Jingle abgespielt vom Lautsprecherwagen das Cis Männer doch bitte die Demo verlassen sollen.".

        Das ist ein Witz?

      • @Oskar:

        Jammer, jammer, jammer. Wir armen Opfer.

        Fällt Ihnen nichts besseres dazu ein?

        Ja, Kritik ist wichtig. Von "aussen" auch [1]. Kann es auch solidarische Kritik sein?

        [1] wobei "aussen" hier problematisch ist. Auch wir langweiligen (ich spreche nicht von Ihnen, Sie kenne ich nicht), normalen, cis-, hetero-, alt-, weiss- Männer sollten an Gerechtigkeit interessiert sein. Letzlich haben alle was davon, denke ich.