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Frauenbilder im FernsehenAuf Stöckelschuh-Safari

Entweder sind sie Tussis oder sie wuppen Kinder und Karriere mit links: Realistische Frauencharaktere im TV? Fehlanzeige.

Mutti und Deko: Ministerinnen wie Ursula von der Leyen (l.) gelten als Ersteres, Schauspielerinnen wie Maria Furtwängler (r.) sind häufig Letzteres. Bild: dpa

Schaut man ins Fernsehprogramm, scheint die Emanzipation trotz „Frauentausch“ oder „Top Model“ auf dem Vormarsch: Immer mehr Innenarchitektinnen, Lehrerinnen, Künstlerinnen und Kommissarinnen bevölkern den Fernsehschirm. Der „starke Mann“ hingegen als Held ohne Schwächen und jeder Situation gewachsen ist als Typus im TV mittlerweile vom Aussterben bedroht.

Aber dass sich dadurch jetzt realistischere Rollenbilder etabliert hätten? Fehlanzeige. Stattdessen dominieren die Extreme.

„Superfrauen verdrängen Supermänner, sie können alles – Familie, Kinder und Karriere, und sie haben dazu immer auch ein attraktives Äußeres“, kritisiert Gabi Madracevic. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Andrea Bednarz entwirft sie Design für Fernsehsender. Wenn es um „Gesichter“ geht, setzen sie ebenfalls auf Schönheit, aber weit ab von den gängigen Klischees. Für das Erscheinungsbild von Arte etwa wählten sie als Model eine grauhaarige Frau.

Dass das Frauenbild im Fernsehen, das entweder in Richtung dumme Tussi oder in Richtung Überfrau polarisiert, realistischer werden sollte, meint auch Sabine de Mardt, Produzentin und Geschäftsführerin der Abteilung Fiktion bei Eyeworks Germany. In Filmen wie „Scherbenpark“, der vor kurzem auf dem Max-Ophüls-Festival uraufgeführt wurde, oder in den Krimireihen „Marie Brand“ (mit Marielle Millowitsch) und „Wilsberg“ versucht sie, differenziertere Rollenbilder zu zeigen.

Plötzlich wieder hilflos

Sie beanstandet, dass Frauen in Führungspositionen kaum erscheinen: „Dazu kommt, dass oft im entscheidenden Moment der Filmgeschichte die Logik aussetzt: Sobald ein attraktiver Mann erscheint, steht schlagartig der ’love interest‘ im Mittelpunkt, und häufig sind Frauenfiguren dann plötzlich schusselig, reaktiv, müssen gerettet werden und bedienen wieder alte Rollenmuster, die lediglich von einem modernen ’look‘ überdeckt werden.“

Die Produzentin amüsiert sich über Filme, in denen Frauen im Minirock und mit Stöckelschuhen auf Safari gingen, spontane Schwächeanfälle erleiden oder plötzlich ohne männliche Hilfe nicht mehr weiter kommen: „In diesem Sinne sind Filme oft pseudoemanzipiert, wenig realitätsnah und vermitteln ein konservatives bis reaktionäres Frauenbild. Protagonistinnen, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, bleiben sowieso die Ausnahme.“

Dazu kommt: Die scheinbar emanzipierte Frau unterwirft sich in Wahrheit medial diktierten Schönheitsidealen. Als „postfeministische Medienkultur“ beschreibt Andrea Seier, Medienwissenschaftlerin an der Universität Wien, die Situation.

Während beispielsweise in den 70er Jahren unter der Kampfansage „Mein Körper gehört mir“ die Anti-Baby-Pille die Befreiung von einem Gesundheitssystem bedeutete, in dem Männer das Sagen und die Handlungshoheit hatten, erhält dieser Slogan heute eine komplett andere Bedeutung. Nämlich wenn Frauen sich in Reality Shows unters Messer legen, um sich den Idealen anzugleichen, die in den Medien als erstrebenswerte Norm vorgegeben werden.

Medien diktieren die Norm

Während also einerseits die Modellierung des eigenen Körpers thematisiert werde, so Seier, habe andererseits die Normierung von Schönheitsidealen zugenommen. „Vor diesem Hintergrund wird auch in den Medien sehr stark mit diesen Klischees gearbeitet, sie werden auch viel bewusster eingesetzt.“

Aus der Perspektive der Medienwissenschaftlerin ist das ein Missbrauch des Feminismus für andere gesellschaftliche Ziele: „Hier durch seine Verknüpfung mit einer politischen Programmatik, in der es um Eigenverantwortlichkeit geht. Der Individualismus, der in der feministischen Version den Frauen etwas in Aussicht gestellt hat, wird woanders untergeordnet.“

Dass Frauen in vielen Bereichen der Gesellschaft sowieso „leider noch immer als schmuckes Beiwerk“ angesehen werden, das kritisiert auch die ehemalige WDR-Intendantin Monika Piel: „Egal, ob bei Ministerinnen oder bei TV-Köchinnen – immer wieder dominiert bei der Beurteilung das Äußere vor dem Können – wenn auch manchmal ’nur‘ indirekt über das Unterbewusstsein.“

Nicht besser sei das aktuell wieder verstärkt benutzte 50er-Jahre-Klischee der „Mutti“ als abwertendes Synonym für Politikerinnen wie Angela Merkel oder Hannelore Kraft. Piel jedenfalls sieht es als wichtigen Auftrag an, Frauen zu ermutigen, sich von Klischeebildern zu lösen: „Wenn auch alleinerziehende, mollige Frauen als erfolgreiche und zufriedene Karrierefrauen eine Selbstverständlichkeit sind – in den Medien und im wirklichen Leben – dann ist viel erreicht.“

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10 Kommentare

 / 
  • UZ
    und zu

    @Siegfried Bosch:

     

    Moment mal, jetzt unterstellen Sie mir etwas, dass ich niemals gesagt habe.

    Niemand sprach davon, dass Jungen dümmer oder schlechter in der Schule seien, sondern, dass sie "unreifer" seien.

    Und es ist nun einmal ganz einfach ein Fakt, dass Mädchen früher "reif" sind als Jungen, sie zum Beispiel Jahre früher in die Pubertät kommen.

     

    Und ob das nun etwas Schlechtes ist, kann man auch hinterfragen: Normalerweise gilt die Kindheit als etwas Unbeschwertes, Unschuldiges - dieser früh zu entwachsen scheint mir daher eher etwas Negatives.

     

     

    Und das mit den Stereotypen ist auch nichts Neues: Wenn man einer Frau vor der Matheprüfung sagt, dass Männer besser darin sind, schneidet sie automatisch schlechter ab, dasselbe hat man bei Schwarzen nachgewiesen. Dass aber die Pubertät früher oder später einsetzt, nur weil man dieses publiziert, halte ich für ausgemachten Blödsinn. Das hat wohl eher damit zu tun, dass die Umwelt dank Antibabypille mit Östrogen vollgepumpt wird, das über das Wasser wieder in den menschlichen Organismus gelangt und dort dann eben wirkt, wie Östrogen nun einmal wirkt, nämlich zum Beispiel als Auslöser der Pubertät.

  • M
    Martin

    Leistungsschutzentrechteter hat vollkommen Recht:

     

    Es gibt wenig Realistisches im Mainstream-Fernsehen zu sehen. Fast alles ist im Hauptprogramm mit Stereotypen überzeichnet. Das gilt natürlich erst recht für Geschlechterrollen. Ganz einfach weil die meisten Zuschauer in diesen Stereotypen denken. Wer Realität sehen will, kann "Paradies:Liebe" oder meinetwegen "Menschen Hautnah" gucken. Oder "Herr Wichmann aus der dritten Reihe". Das dürfte für viele Menschen aber anstrengend sein, weil sie so ihr Schubladendenken überwinden müssten.

  • SB
    Siegfried Bosch

    @Leistungsschutzentrechteter: Das ist nicht wahr (und birgt die Gefahr einer selbsterfüllenden Prophezeiung, da Jungen mit der Zeit die an sie von anderen (Eltern, LehrerInnen, andere) herangetragene Erwartung, schlechter in der Schule und eigentlich auch dümmer zu sein, in ihr Selbstbild übernehmen und dann tatsächlich schlechter abschneiden und die Motivation verlieren (siehe z.B. http://www.telegraph.co.uk/education/educationnews/9862473/Boys-worse-at-school-due-to-stereotypes.html)); deshalb darf das Jungenbild niemanden kalt lassen, der für Gerechtigkeit in diesem Land ist!

  • L
    Leistungsschutzentrechteter

    "Wer wissen will, wer durch das Fernsehen wirklich benachteiligt ist, sollte sich einmal Jungen- und Mädchenrollen ansehen; die ersteren sind entweder dumpf und gewalttätig oder schwach, in jedem Fall aber wesentlich unreifer als die Mädchen."

     

    Was dann zumindest mal realitätsnah wäre... :D

     

     

    Machen wir uns nichts vor: Fernsehen (und jede andere Form der Darstellung), lebt von Kategorisierungen, Stereotypen und Überzeichnungen. Dort ausgerechnet "ganz normale Typen" zu suchen, ist bereits die falsche Prämisse, weil es langweilig ist. "Anfang war das Klischee und das Klischee war beim Autoren."

    Sei es nun der saufende Hurenbock, sein Versagerbruder und die Nutten, die sie abschleppen, die weltfremden Nerds und das Modepüppchen, der abgestumpfte Tatortreiniger oder gar Klischees, die das Fernsehen erst erschaffen hat, die hübschen, angstfreien Mädchen mit den Riesenwummen, die die Bösen jagen.

     

    Das sind Dinge, deren man sich bewusst ist, bevor man den Fernseher einschaltet. Man erwartet ja auch von der Tagesschau keine kritische Berichterstattung zum Tagesgeschehen...

  • SB
    Siegfried Bosch

    Was für ein vollkommener Unsinn. Wer wissen will, wer durch das Fernsehen wirklich benachteiligt ist, sollte sich einmal Jungen- und Mädchenrollen ansehen; die ersteren sind entweder dumpf und gewalttätig oder schwach, in jedem Fall aber wesentlich unreifer als die Mädchen.

  • L
    Leistungsschutzentrechteter

    1. Wenn Angela Merkel als "Mutti" bezeichnet wird, geht es dabei nicht um 50er-Jahre-Klischees, sondern schlicht um ihre maternalistisch-bevormundende Art.

     

    2. Dass das Aussehen zumindest unterbewusst bei der Beurteilung einer Person eine Rolle spielt, ist bloß natürlich. Laut Wissenschaft haben wir in 0,3 Sekunden entschieden, ob wir jemanden mögen oder nicht. Das gilt übrigens für Frauen und Männer. Und im Fernsehen funktioniert das eben über's Sehen.

    Im Übrigen wird Dieter Nuhr mangels anderer Vorzüge ja auch ständig mit seinem Aussehen identifiziert, ist der unlustige, pseudointellektuelle Schönling, für den die Frauen schwärmen und der deshalb die Bühnen des Landes einschläfern darf.

     

    3. Männliche Titelhelden sind nicht weniger im Extrem gefangen, wie weibliche. Selbst der eigentlich als normaler Typ (Klischee: charakterstark, ritterlich) in extremer Situation konzipierte John McLane ist im neuesten Film zum geschniegelten Superhelden geworden, an dem alles einfach abperlt.

     

    4. Die Rollenbilder, die im Fernsehen vermittelt werden, sind fast grundsätzlih reaktionär. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen überforderten alleinerziehenden Vater irgendwo gesehen zu haben.

    Wenn es ein überforderter Minister ist, ist es schon das Höchste der Gefühle. Und selbst der ist dann immer noch ein typischer Mann, auf seine selbstherrliche Art.

     

     

    Dabei beginnt das offenbar nun sehr langsam zu bröckeln, und zwar nicht geschlechtsspezifisch:

     

    Uwe Walter schrieb für das Branchenmagazin Quotenmeter dazu kürzlich:

    "[...]

    Die oberste Liga der Kreativen hat begriffen: Kein Erfolg ohne Menschlichkeit, Verletzlichkeit und Narben auf der Seele. Die bipolare Carrie Mathison und der traumatisierte Nicholas Brody aus «Homeland». [...]"

    Die oberste Liga - das ist eben auch etwas, dass es in Deutschland nicht gibt.

    [Quelle: http://www.quotenmeter.de/cms/?p1=n&p2=62492&p3]

  • N
    Normalo

    Dass Film und Fernsehen immer eine idealisierte und vereinfachte Version der Realität abbilden, ist doch wohl nichts Neues, oder? Das hat nichts damit zu tun, ob die Rollen weiblich oder männlich sind. Männliche Protagonisten sind auch - bis auf wenige Ausnahmen, die es aber auch bei den Frauen gibt - intelligenter, cooler, tatkräftiger und besser trainiert als der durchschnittliche Zuschauer. Wer das echte Leben sehen will, der könnte es ja einfach führen, aber dazu schaut man keine Filme.

     

    Davon abgesehen spielt natürlich eine geschlechterspezifische Kleinigkeit eine Rolle: Frauen "normal" darzustellen, würde erstaunlich oft als beleidigend aufgefasst. Es gibt nämlich immer noch in den Hinterköpfen der meisten Zeitgenossen, seien sie reaktionär oder frauenbewegt, das Bild der "Dame": Jenem im Mittelalter geschaffenen und bis zum 20. Jahrhundert perfektionierten halb-fiktionalen Geschöpf, das stets makellos ist, nie einen Fehler macht und schon deshalb nicht gegen Regeln verstößt, weil es jederzeit die Regeln selbst definiert. Die Dame darf erwarten, dass sie als makellos dargestellt wird. Und sie muss auch nicht zusehen, wie eine andere Dame in ihrer Unvollkommenheit dem Gespött der Öffentlichkeit überantwortet wird. Das ist unter ihrer Würde.

     

    Diese Würde wird von Machern und Zuschauern des westlichen Films und Fernsehens immer noch weitgehend geachtet. Und der Feminismus, der längst seinen eigenen Perfektionsbegriff zum Wesen der Frau geprägt hat (das Konzept damit aber leider genau nicht aufgibt), ist in der falschen Position, um das je zu ändern.

  • F
    fyrecrotch

    der letzte glaubwürdige frauencharakter im tv war roseanne.

  • D
    dieter

    Es gibt auch weniger Rollen für Frauen als für Männer im TV.

    Und Frauen werden nur besetzt solange sie jung sind, gerne auch unrealistisch, Nora Tschirne soll mit Till Schweiger zur Schule gegangen sein, bei über 20(!) Jahren Altersunterschied.

    Sowas kommt beim Klassentreffen im Tatort auch vor, mal eben die Frauen zehn Jahre jünger machen.

    Oder dann gibt es Mal eine Rolle für eine Sprecherin, durchgehende Serienhauptrolle, Typ verbrauchte Stimme.

    Marge Simpson, als Elisabeth Volkmann starb.

    Anstatt da eine ältere Schauspielerin zu suchen nimmt man Anke Engelke!!

    Hier noch ein Link zum Thema:

    http://www.out-takes.de/index.php/2013/da-muss-sich-vieles-andern-und-zwar-schnell/

  • W
    Wolfgang

    Die Erbschafts- und Vermögensmillionärinnen, Frau v. d. Leyen und Frau Furtwängler, stehen nicht für die Lebensrealität von Millionen erwerbstätigen Frauen.

     

    Meine Mutter, Jahrgang 1917, leistete 33 Arbeits- und Berufsjahre in Vollzeit, davon viele Jahre ohne Jahresurlaub und in einer Siebentagewoche (auch im Haushalt von Millionärinnen).

     

    Auguste hatte zudem drei Kinder. Sie konnte sich keine Hausangestellten leisten. Ihre gesetzliche Armutsrente - trotz lebenslanger Knochenarbeit - lag nur auf dem Niveau der geringen Sozialhilfe (staatl. Hilfe hatte sie nie beansprucht)!