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Frauen und RodelnImmerhin dürfen sie runterkommen

Doppelsitzerinnen auf Schlitten gibt es noch nicht lange. Doch so schnell wie die Männer sollen sie nicht werden.

Rodeln ihren Weg: Jessica Degenhardt und Cheyenne Rosenthal Foto: dpa/Schutt

Jessica Degenhardt und Cheyenne Rosenthal wurden an diesem Wochenende in Oberhof Weltmeisterinnen im Rodel-Doppelsitzer. Sie sind die ersten Weltmeisterinnen, denn ihren WM-Erfolg von vor einem Jahr konnten sie wiederholen. Und vorher war dieser Sport Frauen schlicht verwehrt. Bald soll er auch olympisch werden.

Schaut man ins Regelwerk der Rodler, sieht man überraschenderweise, dass Frauen im Doppelsitzer bislang überhaupt nicht ausgeschlossen waren. Ausgerechnet diese Disziplin, bei der es sehr auf ein höheres Körpergewicht und auf die Gewichtsverteilung ankommt, kannte bislang keine Geschlechtertrennung.

Das ausgerechnet im Wintersport! Wo wie selbstverständlich beim Curling an getrennten Männer- und Frauenwertungen festgehalten wird, weil Runde-Steine-übers-Eis-schieben ganz bestimmt ganz viel mit, ja, mit was eigentlich zu tun hat? Der Wintersport hat ja auch nur etwas mehr als 100 Jahre gebraucht, um Frauen, die gern mit Skiern von Schanzen springen, generös zu erlauben, dass sie dies tun dürfen. Das Frauenspringen von der Großschanze wurde erst jüngst erlaubt. (Doch, so sagt man im Sport: Erlaubt ist etwas, das ohnehin ganz viele Menschen machen, wenn es plötzlich auch vor den kritischen Augen wichtig ausschauender Kampfrichter stattfindet.)

So ähnlich ist es also jetzt bei den Doppelsitzerinnen. Dass sich Frauen gemeinsam auf einen Schlitten setzen, hat es tatsächlich in der Weltgeschichte schon vorher gegeben. Aber Rodeln im Eiskanal um WM- und Weltcup-Erfolge, das ist neu. Denn, in der Sprache der Funktionäre: Bislang konnten Frauen das nicht. Oder, in der Sprache der Physik: Sie waren nicht schwer genug.

Doch es ist immer noch nicht Schluss mit den merkwürdigen Ausschlüssen. Frauen fahren nämlich kürzere Strecken, ihre Startposition ist weiter unten in der Bahn. Begründet wird die Ungleichbehandlung damit, dass beim höher gelegten Start die Geschwindigkeit und damit die Fliehkräfte größer seien.

Das ist ein interessantes Rumstolpern: Im Doppelsitzer waren bislang Frauen laut Regelwerk sehr wohl erlaubt, aber – bedauerliches Schulterzucken der Funktionäre –, sie waren nicht gut genug. Im Rodeln untereinander jedoch, schließlich gibt es Einerrodeln für Frauen ja schon recht lange, muss angeblich bis heute Rücksicht auf die schwächere Konstitution genommen werden.

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