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Frauen in der US-ArmeeKlage für Gleichheit im Krieg

Frauen in der US-Armee dürfen nicht aktiv kämpfen. Dagegen klagen jetzt vier US-Veteraninnen, die alle im Irak oder Afghanistan im Einsatz waren.

Beim Einsatz im Irak- und Afghanistankrieg waren bislang mehr als 280.000 Frauen beteiligt Bild: ap

WASHINGTON taz | Vier Frauen verlangen Gleichheit im Krieg. Zu diesem Zweck klagen sie vor einem Gericht in Kalifornien gegen US-Verteidigungsminister Leon Panetta. Sie wollen Zugang zu Positionen im Militär haben, die ihnen bislang verschlossen sind. Die „Combat exclusion policy“ – die Frauen zumindest offiziell den Zugang zu Kampftruppen verwehrt – verstößt gegen die Verfassung, argumentieren sie.

Alle vier sind Veteraninnen aus dem Irak- und Afghanistankrieg. Alle vier fühlen sich in ihren militärischen Verdienst- und Beförderungsmöglichkeiten diskriminiert. In ihrem Rechtsstreit werden sie von der Bürgerrechtsgruppe ACLU unterstützt.

„Es ist schwer nachzuvollziehen, dass es heute in Amerika noch Dinge gibt, die wir nicht tun dürfen, weil wir Frauen sind“, sagt Captain Zoe Bedell. Die 27-jährige Reserveoffizierin der Marines gehört zu der neuen weiblichen Militärelite, die in zwei Kriegen groß geworden ist. Sie hat zwei Einsätze in Afghanistan hinter sich. Unter anderem leitete sie dort ein 46-köpfiges, nur mit Frauen besetztes Team, das männliche Infanterieeinheiten begleitete und für Kontakte mit afghanischen Zivilistinnen zuständig war. „Auf modernen Schlachtfeldern gibt es keine Frontlinien oder sichere Zonen“, sagt Bedell: „meine Marines patrouillieren, tragen dieselbe Uniform und dieselben Gewehre. Und wenn sie angegriffen werden, schlagen sie zurück.“

Die „Combat Exclusion Policy“, gegen die die hochdekorierten vier Veteraninnen antreten, stammt aus dem Jahr 1994. Es war eine Zeit, als das US-Militär zunehmend Nachwuchs in Bevölkerungsgruppen rekrutierte, die zuvor weniger in Uniform vertreten waren. Damals trat auch die „Don’t ask – don’t tell“-Regel (DADT) in Kraft, die Homosexuelle im US-Militär zur Geheimnistuerei verpflichtete. Nachdem DADT von Präsident Barack Obama abgeschafft worden ist, attackieren die vier Veteraninnen nun mit dem offiziellen Kampfverbot eine weitere militärische Bastion.

14 Prozent des aktiven Militärs

Laut ACLU ist Frauen der Zugang zu insgesamt 238.000 Positionen im US-Militär offiziell verwehrt. So dürfen sie nicht in den oft nur ein paar hundert Personen kleinen Kampfbataillonen eingesetzt werden. Doch zugleich verrichten sie als Sanitäterinnen und „Nachrichtenoffizierinnen“ vielfach dieselben kriegerischen Tätigkeiten. Gegenwärtig stellen Frauen 14 Prozent des aktiven Militärs in den USA.

Unter den 1,4 Millionen US-SoldatInnen im Irak- und Afghanistankrieg waren bislang mehr als 280.000 Frauen. 144 von ihnen sind getötet worden. Und mehr als 950 sind mit Verletzungen zurückgekommen. In der neuen Legislaturperiode zieht mit der Demokratin Tammy Duckworth erstmals eine weibliche Veteranin in den Kongress ein. Duckworth hat im Irak beide Beine und einen Arm verloren.

Hubschrauberpilotin Mary Jennings Hegar, eine der vier Klägerinnen in Kalifornien, ist mit einem „Purple Heart“-Orden ausgezeichnet worden. Bei einem Einsatz in Afghanistan im Jahr 2009 hat sie, nachdem sie selbst angeschossen worden war, noch drei verletzte Soldaten vom Boden geborgen. „Mein Geschlecht war nie ein Faktor, wenn es darum ging, eine Mission meiner Einheit zu erfüllen“, sagt die 36-Jährige: „wir waren Amerikaner mit dem einzigen Ziel, alle sicher nach Hause zu bringen.“

Schon vor den vier Frauen in Kalifornien haben im Mai diesen Jahres zwei andere Frauen in derselben Sache eine Klage vor einem Gericht in der US-Hauptstadt begonnen. In Kalifornien begründet Jennifer Hunt, 28, ebenfalls eine Trägerin des „Purple Heart“, ihre Aktion so: „Ich weiß, dass die Army es besser kann. Dazu will ich ihr hiermit verhelfen.“

Mit der Klage liegen die Frauen im Trend der US-Regierung. Das Pentagon hat seit dem Amtsantritt von Verteidigungsminister Panetta mehr als 14.000 zusätzliche Positionen für Frauen geöffnet. Pentagon-Sprecher George Little gibt keinen Kommentar zu dem laufenden Verfahren, das sich gegen seinen Dienstherrn richtet. Aber er sagt, dass die Einbeziehung von Frauen in das US-Militär weitergehen werde. Little: „Wir sind noch lange nicht am Ende des Prozesses, der den Frauen zusätzliche Rollen im Militär ermöglicht.“

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8 Kommentare

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  • R
    Rojass

    Nachdem Lynndie England unter Beweis gestellt hat, dass Frauen auch genauso gut foltern können wie Männer sollte es wohl keine Frage sein, dass Frauen auch genausogut töten können.

     

    (Ob es wohl irgendwann mal eine Schlacht geben wird, wo auf *beiden* Seiten der Front sich ausschließlich Frauen gegenüberstehen?)

  • T
    taz.de

    @Hendrik Danke, geändert.

  • H
    Hendrik

    Zoe Bedell gehört nicht zur "Marine", sondern zu den Marines, genauer dem US Marine Corps, auf Deutsch den Marineinfanteristen, die eine eigene Teilstreitkraft sind.

  • J
    Johanna

    Es ist nicht zu fassen in wie vielen Bereichen des täglichen Lebens Frauen benachteiligt werden! Dabei wollen die doch gar nichts Böses.

    Die wollen doch auch nur: töten, brennen, morden, Schädel einschlagen, Augen rausreissen, Zungen abschneiden, Ohren abreissen, in Gedärmen wühlen... und all die netten Sachen an denen sich die Landsknechte vieler Jahrhunderte erfreuen durften und dürfen.

    Echt fies, sowas!

  • H
    Hosta

    Gehen den USA die Kämpfer (killer) aus?

    Die Kriegsbegeisterung scheint ja nachzulassen, deshalb gibts weniger Freiwillige.

    Da kommen die Frauen als Lückenbüßer grade recht!

     

    Man muß sie nur geschickt mobilisieren - am besten durch eine Gleichberechtigungskampagne.

     

    Aber wozu eigentlich? Wollen die noch mehr Kriege vom Zaun brechen?

  • A
    anselm

    Nach ein paar Tagen im Bitburger Wald im feuchten Sommer 2011 merkte ich, dass die Jungs und Mädels zwar nach Dingen graben, die 1944 schon vorbei waren, aber sie kamen aus Afghanistan und andere aus Irak. Es dauerte ein paar Tage, bis sie mir meist beiläufig ihre Geschichte erzählten. Ich fühlte mich irgendwie wohl, aber auch befremdet, so viel Tod, und trotzdem so einig und klar. Ja, auch Marines waren dabei, und Seals, aber es war so still, als wir nach den Toten graben wollten, nur der Minibagger lief. Es ist manchmal gut, wenn einer Zeit für ein Gebet hat. Sgt. F., die ein paar Jungs hinter der Linie geholt hatte, fragte mich, ob Meatloaf in Deutschland beliebt wäre. Da war ich nicht sicher, seit der Rocky Horror Show war ich nicht mehr auf dem Laufenden.

  • S
    Soldatinnenversteher

    Und wenn sie vor dem Fronteinsatz plötzlich keine Lust mehr auf Heldinnentum haben

     

    http://www.krone.at/Nachrichten/Baby-Boom_auf_dem_Flugzeugtraeger-Soldaten-Nachwuchs-Story-5929

  • SB
    Sterben bleibt aber natürlich Männersache

    Das ist wieder einmal einer diesere bezeichnend einseitigen Artikel, in denen es angeblich um "Gleichheit" geht. Ist aber natürlich Humbug, denn es geht wieder mal nur um die übliche Rosinenpickerei!

    Als Begründung für die zusätzlich erwünschten Karrierepöstchen werden 144 tote Soldatinnen genannt, die aber, wie jeder selbst leicht recherchieren kann, überwiegend bei Anschlägen und Unfällen ums Leben kamen. In den risikoreichen Feldeinsätzen jenseits der bequemen Offiziersmesse sterben hingegen fast ausschließlich Männer in der US-Armee, und zwar nicht nur 144, sondern 5300 seit Kriegsbeginn (Verhältnis 1:37). 36.000 Männer und damit 38 Mal so viel wie Frauen wurden verletzt. Und stellen wir jetzt einfach mal realistisch fest, dass überwiegend Männer niedrigeren Dienstranges im Kriegseinsatz gestorben sind, darunter überproportional viele Schwarze, dann wird das "Vorbeihieven" von Frauen auf die gewünschten Karrierepöstchen auch zukünftig nichts an der Tatsache ändern, dass das Sterben ein fragwürdiges Privileg von sozial schwachen Männern bleibt. Von "Gleichheit" also keine Spur!

    Oder um es auf den Punkt zu bringen, da wollen Offizierinnen mit ihrem erhöhten Status Quo die Karriereleiter weiter besteigen, ohne sich der Gefahr des womöglich tödlichen Feldeinsatzes ausgesetzt haben zu müssen (das ist halt Männersache ...). Und ich bin auch sicher, dass der Feldeinsatz an der Waffe, ähnlich wie hier in Deutschland, für Frauen nicht zur Pflicht wird! Der Quereinstieg per Offiziersstudium in die wenig gefährdete Führungsriege ist aber natürlich jederzeit möglich ... am besten natürlich noch per Frauenquote! Sonst wäre es ja Diskriminierung [ironie/ Off]

    .

    Diese Forderung nach bestimmten Karrierepöstchen hat nichts mit Gleichberechtigung zu tun, sondern ist die weitere Privilegierung von ohnehin schon privilegierten Frauen! Gleichheit bestünde erst dann, wenn Frauen genau so selbstverständlich zum Sterben geschickt würden wie Männer, und dann, und zwar erst dann, stünde ihnen auch ganz selbstverständlich der Karriereweg innerhalb dieser Strukturen offen.