Frauen im Rodelsport: Endlich Gleichstellung im Eiskanal
Der Doppelsitzer der Frauen feiert Weltcup-Premiere. Jessica Degenhardt und Cheyenne Rosenthal rodeln mit und wollen zu Olympia.
Das deutsche Team vertraten Jessica Degenhardt und Cheyenne Rosenthal, die zum Auftakt direkt Zweite wurden. „Der erste Weltcup in Innsbruck war eine ziemliche Reizüberflutung. Das ganze Drumherum war schon neu“, so Degenhardt zur taz. Umso zufriedener war sie mit dem Podest. Im kanadischen Whistler folgte nun ein dritter Platz.
Die beiden sitzen erst seit 2021 gemeinsam auf dem Schlitten. Eine spontane Idee, erinnert sich Rosenthal. Nachdem die 22-Jährige im vergangenen Jahr nicht den Sprung in das Weltcup-Team schaffte, probierte sie den Doppelsitzer aus. „Es hat von Anfang gut geklappt mit Jessica“, so Rosenthal.
Für Degenhardt, die direkt von den Juniorinnen kommt und bereits vor zwei Jahren Doppelsitzer-Gold bei den Olympischen Jugendspielen in St. Moritz gewann, kam ebenfalls nur Rosenthal als Partnerin infrage. Denn man müsse auch abseits der Bahn ein gutes Team sein. „Zum Glück hat sie ja gesagt“, erzählt Degenhardt lachend.
Erste Rennen
Bisher lag das Duo mit der Entscheidung für den Doppelsitzer goldrichtig. Anfang des Jahres holten Degenhardt/Rosenthal den ersten Weltmeistertitel in der Geschichte des Rodelns. Damit krönten die beiden eine erste gemeinsame Saison, in der sie alle Rennen, an denen sie teilnahmen, gewannen. Denn auch wenn die Doppelsitzer-Frauen neu im Weltcup-Zirkus mit den anderen sind: Rennen gab es schon zuvor.
Im vergangenen Jahr führte der Rodel-Weltverband nämlich die Renn-Serie für die Frauen ein, allerdings nur im Rahmen des Junioren-Weltcups – also quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Da Degenhardt und Rosenthal einige Rennen ausließen, platzierten sie sich in der Gesamtwertung hinter Luisa Romanenko und Pauline Patz, einem weiteren Paar aus Deutschland, das in dieser Saison aber verletzungsbedingt aussetzen muss.
Und so nominierte Bundestrainer Norbert Loch nur Degenhardt und Rosenthal für den Weltcup, obwohl er noch zwei weitere Startplätze zur Verfügung gehabt hätte. Der deutsche Verband wolle den Doppelsitzer der Frauen behutsam angehen und langsam aufbauen, so Bundestrainer Loch zur taz. „Defensiv, aber gleichzeitig auch progressiv. Dennoch haben wir als Rodel-Nation den Anspruch, vorne mitfahren zu wollen.“
Vor der Olympiapremiere
Das sehen Degenhardt und Rosenthal genauso. „Als amtierende Weltmeisterinnen wollen wir natürlich um die Podestplätze kämpfen, was uns bisher gut gelungen ist“, so Degenhardt mit einem ersten Fazit. Doch andere Nationen holen auf: Im Vergleich zur vergangenen Saison sind eine Reihe neuer Duos dabei.
Selina Egle und Lara Kipp aus Österreich zum Beispiel oder das italienische Paar Andrea Vötter und Marion Oberhofer, welche die Siege bisher unter sich aufteilen. „Das sind starke Einzelfahrerinnen, was die Grundlage für den Erfolg ist. Aber das sind Jessica und Cheyenne auch.“ Die bisherigen Rennen hätten jedoch gezeigt, dass man mit den anderen Doppelsitzern mithalten könne, so Norbert Loch. Für Degenhardt ist dies eine gute Entwicklung. „Die Rennen sind knapp und spannend. So sollte es auch sein.“
Nach der Premiere im Weltcup ist das nächste große Ziel die Olympischen Spiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo. Als im Sommer die Aufnahme des Frauen-Doppelsitzers ins Olympiaprogramm verkündetet wurde, war die Überraschung erst mal groß, sprach man zuvor doch immer nur über die Nordische Kombination der Frauen. „Wir hatten nicht die gleiche mediale Aufmerksamkeit, aber ich freue mich sehr, dass es im Rodeln beim Thema Gleichberechtigung vorangeht“, so Degenhardt. Rosenthal ergänzt: „Erst der Weltcup, jetzt Olympia – vor allem für junge Athletinnen eröffnen sich neue Möglichkeiten.“
Für Loch war die Aufnahme in das olympische Programm indes keine Überraschung. Auch wenn er zunächst skeptisch war. Denn der Doppelsitzer sei eine schwierige Disziplin – egal ob Männer oder Frauen auf dem Schlitten unterwegs sind – und brauche viel Zeit. Zeit, die man bis 2026 noch nutzen werde, denn eines steht für Loch fest: „Im Frauen-Doppelsitzer können wir eine Olympia-Medaille mehr gewinnen und das ist auch unser Ziel.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen