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Frauen im IranFünf Jahre Gefängnis für Journalistinnen

Elaheh Mohammadi und Niloofar Hamedi hatten als erste Journalistinnen über die Ermordung der Kurdin Jina Mahsa Amini berichtet. Nun wurden sie verurteilt.

Die Islamische Republik Iran macht sie verantwortlich für den Ausbruch der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung: Niloofar Hamedi (l) und Elaheh Mohammadi (r) Foto: Mehrdad Aladin/dpa

„Im Namen des Stifts“, beginnt die Journalistin Elaheh Mohammadi ihre Verteidigung bei ihrem Gerichtsprozess in Iran. „Ich bin seit 15 Jahren Journalistin, und während meiner gesamten beruflichen Laufbahn habe ich nichts anderes getan, als die Stimme der Menschen zu sein.“ Dafür soll sie nun für fünf Jahre in Haft.

Elaheh Mohammadi schreibt für die iranische Tageszeitung Ham-Mihan. Sie und die Shargh-Journalistin Niloofar Hamedi wurden im Herbst 2022 festgenommen, nachdem sie über die Ermordung der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini durch die Sittenpolizei berichtet hatten. Hamedi schoss das viral gegangene Foto der trauernden Eltern Aminis im Krankenhaus, Mohammadi berichtete aus Saqqez über die Beerdigung. Die Berichterstattung dieser beiden Journalistinnen trug maßgeblich dazu bei, dass der Fall Aminis an die Weltöffentlichkeit gelangte. Aminis gewaltsamer Tod löste die landesweiten „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste aus.

Fast 400 Tage verbrachten die beiden Journalistinnen im berüchtigten Evin-Gefängnis, davon Monate in Isolationshaft. Zwischendurch wurden sie willkürlich in das Frauengefängnis Qarchak verlegt, das für seine menschenunwürdigen Zustände bekannt ist. Ihnen wurde zunächst „Zusammenarbeit mit feindlichen Regierungen“ vorgeworfen, diese Anklage wurde später fallengelassen. Ein Gericht verurteilte sie dennoch jeweils zu einem Jahr Haft wegen „Propaganda gegen den Staat“ und fünf Jahren wegen „Versammlung und Absprachen gegen die nationale Sicherheit“.

Die Islamische Republik Iran macht sie verantwortlich für den Ausbruch der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung. Sie sollen gebrochen und zum Schweigen gebracht werden, damit die gesamte Freiheitsbewegung gebrochen und zum Schweigen gebracht werden kann. Im Januar dieses Jahres wurden sie gegen eine Kaution von jeweils 200.000 US-Dollar vorübergehend aus der Haft entlassen, bis das Urteil rechtskräftig ist. Neben ihren Angehörigen warteten zahlreiche andere Menschen vor dem Gefängnis und auf den Straßen Teherans auf diese Heldinnen. Unter „Frau, Leben, Freiheit“-Rufen wurden sie in Freiheit empfangen.

Während sie in ihrer Heimat zu Haftstrafen verurteilt werden, erhalten sie international Preise für ihre Arbeit. Das Time-Magazin zählt sie zu den 100 einflussreichsten Personen des Jahres 2023, sie erhielten Preise von Harvard und Unesco, die „Feder für die Pressefreiheit“ des DJV ging an Niloofar Hamedi. Ihr Foto aus dem Krankenhaus wurde 2023 zum „Foto des Jahres“ gekürt. Elaheh Mohammadi wurde Ehrenbürgerin von Turin.

In den nächsten Tagen sollen die beiden Journalistinnen ihre jeweils fünfjährigen Haftstrafen im Evin-Gefängnis antreten. Eine Petition auf Change.org fordert, die Strafen fallen zu lassen. Der Fall dieser beiden Frauen steht exemplarisch für die Verfolgung von Jour­na­lis­t*in­nen in der Islamischen Republik Iran. Auf der „Rangliste der Pressefreiheit“ von Reporter ohne Grenzen befindet sich Iran auf Platz 176 von 180. Freie Presse gibt es nicht, Jour­na­lis­t*in­nen werden immer wieder von den Geheimdiensten bedroht, willkürlich inhaftiert und zu Haftstrafen verurteilt.

„Anstatt Jour­na­lis­t*in­nen festzunehmen, sollten die Sicherheitsbehörden, die Justiz, die Regierung und das Parlament den Worten der Menschen Gehör schenken“, forderte Mohammadi vor Gericht. „Die Behörden, insbesondere die Justiz, müssen den Ruf der Menschen hören – vor allem der Frauen und der Journalist*innen, die ihre Stimmen vertreten – und sich den berechtigten Forderungen nicht widersetzen.“

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11 Kommentare

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  • Der Iran hat so kluge, großartige Frauen, dass es mir das Herz zerreißt.

    Welchen Mut muss man haben um sich mit solch einem Regime anzulegen? Welchen Drang nach Freiheit und Gerechtigkeit!

    In dem Zusammenhang: Anfang 2019 allerdings wurde in Teheran die international geachtete Menschenrechtlerin und Anwältin Nasrin Sotoudeh zu 38 Jahren Gefängnis und 148 Peitschenhieben verurteilt. Sie hatte es gewagt, vor Gericht Frauen zu verteidigen, die gegen den Kopftuchzwang und für Frauenrechte demonstrierten.

    Das Kopftuch ist seit der "iranischen Revolution" 1979 das identitätsstiftende Symbol der Islamisten.

    Was ist Islamismus? Die ihm innewohnende Gewalt ist nur die Spitze des Eisberges, sozusagen der dramatische Endpunkt einer langen Indoktrinierung. Islamismus beginnt bei einer fundamentalistischen, wissenschaftsfeindlichen Weltsicht, die den im 7. Jahrhundert geschriebenen Koran auch im 21. Jahrhundert noch wörtlich nimmt. Er geht weiter mit der Geschlechter-Apartheid sowie der Entrechtung des Individuums im Namen des Kollektivs.

    Und gipfelt schließlich in der der Verschleierung, die den Körper von Frauen zum Objekt macht – und die Männer zu deren Wächtern.

    Volle Solidarität!

    • @shantivanille:

      Zum politischen Symbol wurde der Tschador im Iran nicht erst mit der islamischen Revolution, sondern bereits 1936, als Reza Shah ihn verbieten wollte - das sind allerdings Mehrdeutigkeiten, die hiesige Islamophobe nicht verstehen, die in jedem Kopftuch ein Zeichen des Islamismus sehen. Die Spitzfindigkeit, dass die Shiiten (auch im Iran) gerade keiner besonders wörtlichen Koran-Exegese anhängen (und darin eher dem Katholizismus ähneln), erspare ich mir an dieser Stelle und warne nur ein weiteres Mal davor, die eigenen Ressentiments in aufklärerische Rhetorik zu packen. Die Welt ist nicht so einfach.

      • @O.F.:

        Allerdings fiel das Verbot 1941 schon wieder und Mohammed Reza Shah hat keine Frauen mit Tschador oder Hijab verfolgt. Daher wurde er relativ schnell wieder depolisiert. Die Politisierung erfolgte dann durch die Islamisten.

        Inzwischen ist der Tschador aber komplett zum Zeichen des Islamismus verkommen, außer bei alten Frauen. Selbst Konservative Frauen die das Regime ablehnen tragen ihn nicht mehr. Im heutigen Iran ist Tschador fast immer= Regime Unterstützer.

        • @Machiavelli:

          Dass es keine Verfolgung von Frauen mit Tschador (um den Hijab geht es hier gar nicht!) gab, ist zumindest untertrieben, das Verbot wurde teilweise mit großer Härte durchgesetzt – und deshalb ist die Symbolik auch nach dem Ende des Verbots nicht verschwunden oder besser gesagt, die Symboliken, weil es eben nie eindeutig war. Das gilt auch noch für die Gegenwart: dass der Tschador im Iran nur noch von alten Frauen oder religiösen Hardlinerinnen getragen wird, stimmt einfach nicht (oder bestenfalls in Nordteheran); gerade in der Provinz ist er – auch – ein traditionelles und ziemlich verbreitetes Kleidungsstück. Nur ist das ein Teil der Bevölkerung, der im Westen nicht wahrgenommen wird (wie scheitern ja schon an den eigenen Dorfbewohnern) – das, in Verbindung mit dem üblichen Unvermögen, Nuancen und Mehrdeutigkeiten wahrzunehmen, trägt zu unserem Unvermögen bei, Gesellschaften wie die iranische zu verstehen. Schon die Vokabel "Regime-Unterstützer" ist viel zu plump, um politische Einstellungen angemessen zu beschreiben.

      • @O.F.:

        Warum erkennen MUSLIME in nahezu der gesamten islamischen Welt den Niqab bzw. die Gesichtsverschleierung als Zeichen von religiösem Eifer, um nicht zu sagen, Fanatismus? In Indonesien z.B. tragen NUR Islamistinnen dieses Kleidungsstück. Ebenso am westlichen Ende der islamischen Welt: selbst der Handel mit Niqabs ist dort verboten.

        Aber manche Westler wissen eben besser bescheid als die Muslime bzw. die Iranerinnen, was?

        • @Suryo:

          Von der Gesichtsverschleierung war hier überhaupt nicht die Rede; im Ausgangspost wurde von Kopftüchern geredet und ich bin speziell auf den Tschador eingegangen (der das Gesicht ebenfalls nicht bedeckt). Das sind keinesfalls eindeutig islamistische Symbole (weder hier, noch in der islamischen Welt). Es also gewagt, wenn Sie hier von „den Muslimen“ und „den Iranerinnen“ sprechen, obwohl es sich bei beiden um höchst heterogene Gruppen handelt.

          • @O.F.:

            Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, und auch den Kampfbegriff "Islamophobie" verwenden: Tatsache ist, dass islamischer Fanatismus sich immer auch über die Art der Kleidung seiner Anhängerinnen bzw. der Bürgerinnen der islamistisch regierten Staaten ausdrückt. Es gibt so gut wie keine islamistische Fanatikerin, die ihre Haare offen trägt und Haut zeigt. Ob nun Tschador, Burqa oder Niqab: das sind alles Kleidungsstücke, die Muslime auf der ganzen Welt als Ausweis von mindestens Strenggläubigkeit, eher aber Fanatismus, betrachten. Das ist nicht viel anders, als wie wenn Deutsche jemanden in Thor-Steinar-Klamotten sehen.

            In Indonesien fing die sich immer stärker beschleunigende Islamisierung bzw. Arabisierung des ehemals toleranten lokalen Islams mit dem Kopftuch an. Früher trugen das dort alte Frauen, die im Lebensherbst anfingen, zu frömmeln, oder die wenigen Islamistinnen. Heute ist das Kopftuch Alltag und es tauchen immer mehr Trägerinnen des (sowohl historisch unüblichen als auch klimatisch vollkommen ungeeigneten) Niqabs auf. Und in Marokko ist das Ding absolut verboten. Und das nicht von westlichen "Islamophoben", sondern von Muslimen - die es ja am besten wissen.

            • @Suryo:

              Sie bringen hier wieder einiges durcheinander: es ging Kopftuch bzw. Tschador, nicht um die Burka – ich dachte eigentlich, die Diskussion, ob jede Frau mit Kopftuch eine fanatische Islamistin ist, hätten wir eigentlich hinter uns gelassen. Im übrigen ignorieren Sie den historischen Zusammenhang, auf den ich hingewiesen habe: dass die Politisierung des Tschadors im Iran eben nicht mit der islamischen Revolution begonnen hat, sondern mit dessen Verbot durch Reza Schah – was sich für die Betroffenen so angefühlt hat, als würde hier eine Regierung eine Oben-Ohne-Pflicht einführen. Genau deshalb habe ich von Mehrdeutigkeit gesprochen: ein Kopftuch kann, genau wie andere Zeichen auch, ganz verschiedene Bedeutungen haben, je nach Zusammenhang (und wenn Sie einmal mit Frauen, die ein solches tragen, sprechen, statt die Nase zu rümpfen, würden Ihnen das auffallen). Der Vergleich mit Thor-Steiner-Kleidung (und damit die Gleichsetzung von Muslimen mit Nazis) ist vollkommen unangemessen – allerdings auch nicht überraschend, wenn man immer noch glaubt, Islamophobie wäre ein Kampfbegriff... Am Ende wiederholen Sie übrigens einen Denkfehler, den ich schon oben kritisiert habe.

              • @O.F.:

                Islamophobie ist ein Kampfbegriff insbesondere im Bezug auf das Iranische Regime, heißt nicht das der Begriff nicht komplexer ist. Aber so zu tun als sei er es nicht auch wird der Komplexität der Sache nicht gerecht.

              • @O.F.:

                "Der Vergleich mit Thor-Steiner-Kleidung (und damit die Gleichsetzung von Muslimen mit Nazis) ist vollkommen unangemessen"

                Sie missverstehen absichtlich. Es geht hier nicht um einen Nazi-Vergleich, sondern darum, dass bestimmte Symbole, in diesem Fall Kleidungsstücke, Rückschlüsse auf den Träger zulassen. Ich kann doch auch nichts dafür, dass die Vollverschleierung von Muslimen weltweit als Ausdruck extremer Frömmigkeit verstanden wird.

                Und dass die Politisierung des Tschadors vor 1979 begann, ändert nichts daran, dass er seither eben als Symbol der Mullah-Herrschaft wahrgenommen wird und nicht als Protest gegen den Shah.

                • @Suryo:

                  Wenn Sie eine Modemarke, die eindeutig auf eine rechtsextreme Einstellung verweist, mit dem Kopftuch vergleichen, ist ein Nazi-Vergleich. Zumal auch die Grundannahme falsch ist: ein Kopftuch lässt ziemlich wenig Rückschlüsse auf die Trägerin zu - ich kann, wie gesagt, nur dazu raten, einmal mit diesen Frauen zu sprechen. Deren Weltbilder unterscheiden sich genau so wie die von Nicht-Kopftuch-Trägerinnen.



                  Dass der Tschador ein Symbol der "Mullah-Herrschaft" ist, stimmt in dieser Pauschalität eben auch nicht - das mag einem medial verbreiteten Iran-Bild entsprechen, wären Sie jemals vor Ort gewesen, wüssten sie, dass die Einstellungen auch dort viel vielschichtiger sind und sich nicht in solche einfachen Kategorien zwängen lassen.