Frauen bei der Tour de France: Nur Frühsport
Am Freitag haben die Profiradfahrerinnen ihren eintägigen Auftritt bei der Tour de France. Einer ganzen Rundfahrt steht vieles im Weg.
Dennoch ist die Vorfreude beträchtlich. Annemiek Van Vleuthen, zuletzt überragende Siegerin beim Giro Rosa, erklärt: „Ich habe mich super gut beim Giro gefühlt, und jetzt bin ich einfach glücklich, wieder bei La Course dabei zu sein und meine Beine testen zu können.“ Die Niederländerin hatte die letzten zwei Austragungen des Rennens gewonnen. Dass La Course in diesem Jahr in diesem Jahr erneut nur aus einem eintägigen Rennen besteht, hatte manche Frauen verärgert.
Andere wiederum sind froh. „Wir kommen jetzt vom sehr anspruchsvollen Giro Rosa. Die Frauen hatten nur vier Tage zum Erholen“, sagt Ronny Lauke, Ex-Rennfahrer und Sportlicher Leiter des Teams Canyon SRAM Racing.
Lauke hält den Kurs für anspruchsvoll, auch wegen des sehr bergigen Auftakts. Große Favoritin ist damit Van Vleuthen, die Überfahrerin des Frauenradsports. Sie gewann in diesem Jahr Strade Bianche und Lüttich – Bastogne – Lüttich, beide Klassikerrennen werden gemeinsam mit den jeweiligen Männerrennen ausgetragen.
Initiative für Tour de France der Frauen
Wenn La Course startet, sind 13 andere Radsportlerinnen längst weg. Wie in den letzten fünf Jahren schon bestreitet auch 2019 die Initiative „Donnons des Elles au Velo“ ihre eigene Tour de France. Jeweils einen Tag vor der Tour fahren Radsportlerinnen die Touretappe des Folgetages ab.
Sie müssen noch früher aufstehen, um die Distanz zu bewältigen. Sie starten meist im Morgengrauen, holen direkt am Kilometer null die Räder aus den Begleitfahrzeugen und machen sich dann auf die Strecke.
Insgesamt 13 Frauen aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden unternehmen aktuell die komplette Reise. Unterwegs werden sie von vielen Sympathisantinnen und Sympathisanten begleiten. Ziel der Initiative ist, dass es endlich auch eine Tour de France der Frauen gibt. Von Tourausrichter ASO war zu dem Thema bislang immer nur zu vernehmen: Logistisch zu kompliziert, sportlich nicht attraktiv genug, ein oder zwei Tage reichen auch.
Unterstützung findet die Initiative mittlerweile auch im Peloton der professionellen Radsportlerinnen. Shara Gillow, Ausreißerin zuletzt beim Giro Rosa, ist die Patin des Rennens.
Bei den weiblichen Profis herrscht aber auch Skepsis hinsichtlich eines dreiwöchigen Rennens. „Ich habe meine Sportlerinnen beim Giro Rosa gefragt, und es kam heraus, dass keine von ihnen das will“, erzählt Lauke der taz. Grund ist nicht die Furcht vor den Anstrengungen. Das Regelwerk ist das Problem.
Mindestlohn für Frauen
Nach den neuen UCI-Regularien dürfen Frauen nur maximal 60 Renntage pro Saison haben. Mit einer dreiwöchigen Rundfahrt wären schon 21 Tage weg. Wie bestreitet man dann aber die Saison, die im Januar in Australien beginnt und im Oktober in China endet?“, beschreibt Lauke das Dilemma.
Hinzu kommt, dass Frauenteams meist nur halb so groß sind wie Männerteams, sie können kaum Rennen gleichzeitig mit Sportlerinnen bestücken. Und auch die große Differenz im Leistungsvermögen im weiblichen Peloton spricht für Lauke aktuell noch gegen dreiwöchige Rundfahrten. „Jetzt beim Giro Rosa gab es Frauen, die nach zehn Tagen und etwa 900 Kilometern drei Stunden hinter der Siegerin zurücklagen. Das ist kein Leistungssport mehr.“
Für den Berliner sind kleinere Schritte wichtiger. Wie etwa die Einführung der World Tour in der nächsten Saison. Frauenteams müssen sich da strukturell solider aufstellen. „Ein Mindestgehalt von 24.600 Euro ist gefordert, die Betreuer müssen mit Verträgen fest angestellt sein“, sagt Lauke.
Mit dem Mindestgehalt kommen die Frauen zwar nicht weit. Sie können sich aber verstärkt auf den Sport konzentrieren. Damit dürfte das Leistungsniveau generell ansteigen. Und dreiwöchige Rundfahrten werden dann auch sportlich attraktiver, weil mehr Fahrerinnen und mehr Teams um die Siege mitfahren können, ohne nach sechs Tagen schon platt zu sein.
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