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Frau, Französin und Intellektuelle

■ Die SPD glaubt, einen Coup gelandet zu haben: Brigitte Sauzay wird außenpolitische Beraterin von Schröder

Bonn (taz) – „Beim Zeitungslesen heute morgen war ich erst sauer auf Schröder“, berichtet ein führender Sozialdemokrat. „Das mit dem Atomausstieg in 30 Jahren hätte nicht sein müssen.“ Dann aber, erzählt er weiter, habe er von Schröders Entscheidung für seine künftige Kanzlerberaterin gelesen. Da war er wieder versöhnt.

Diesmal scheinen alle Genossen mit einer Personalentscheidung des SPD-Kanzlerkandidaten einverstanden zu sein. Auch das Echo in den Medien über die Nominierung der Französin Brigitte Sauzay, ehemalige Lieblingsdolmetscherin des verstorbenen französischen Präsidenten François Mitterrand und erfolgreiche Buchautorin, war bisher nur positiv. Schröder scheint mit der französischen Sozialistin nach Walter Riester und Jost Stollmann endlich einmal eine „unkonventionelle“, „mutige“ Wahl getroffen zu haben, die nicht zugleich eine Kontroverse über die Kompatibilität mit dem SPD-Programm nach sich zieht.

Die ausgewiesene Deutschlandkennerin, ehemalige Germanistikstudentin in Freiburg und Gründerin des „Berlin-Brandenburgischen Instituts für Deutsch-Französische Zusammenarbeit“ soll die einzige Beratin im Kanzleramt sein. Die Aufgabe von Brigitte Sauzay besteht vor allem darin, den zukünftigen Kanzler über Hintergrundfragen des deutsch-französischen Verhältnisses zu beraten. Die Berufung hat aber auch eine hohe symbolische Bedeutung – fürs Inland wie fürs Ausland.

Schröders außenpolitische Kompetenz halten Freund und Feind für seine Achillesferse. Nun hat er sich eine in Frankreich und Deutschland hochangesehene Beraterin für außenpolitische Fragen geholt. Stolz heißt es in Schröder- Kreisen: „Er ist eben nicht beratungsresistent.“ Schröder hatte in Frankreich vor kurzem Irritiationen ausgelöst, indem er Englands Premierminister Tony Blair in seinem Wunsch unterstützt hatte, daß England in der EU künftig eine größere Rolle spielen solle. Die Wahl von Brigitte Sauzay habe damit auch zu tun, sagt Schröders Sprecher Karsten-Uwe Heye. „Sie soll die Bedenken zerstreuen, das deutsch-französische Verhältnis sei nicht mehr so wichtig.“ Diesem Zweck sollte auch die gestrige Reise Schröders nach Frankreich dienen. In Frankreich wird mit Interesse registriert, daß Schröder diesmal ohne Oskar Lafontaine kommt. Bei Schröders letztem Besuch hatten die Franzosen noch darüber geschmunzelt, erzählt eine französische Journalistin, wie er nicht ohne die „Gouvernante“ Lafontaine ausgekommen und hinter ihm hergetrottet sei.

Über die Entscheidung Schröders für Sauzay als Kanzlerberaterin schreibt die französische Zeitung Libération, Schröder wolle dadurch sein provinzielles Image abstreifen. Schröder-Kenner in Frankreich fragen sich, wie die elegante, weltläufige, aus feinsten Kreisen stammende Sauzay wohl mit dem eher bodenständigen Schröder zurechtkommen wird.

Auch wenn es deshalb nicht auf Gegenseitigkeit beruhen sollte: Die SPD ist fest davon überzeugt, sich mit Brigitte Sauzay schmücken zu können. Frau, Französin, renommierte Buchautorin, Intellektuelle, mehrfache Mutter – das, so erhoffen sich die Sozialdemokraten, könnte Schröders Ruf des modernen Machers festigen, der für frischen Wind in der Politik sorgt. Schröders Sprecher Heye will denn auch in der Personalentscheidung das Bestreben sehen, „die deutsche Politik aus ihrer Reduktion auf herkömmliche politische Verhaltensmuster zu befreien“. Außerdem sei die Berufung ein „Signal an die Intellektuellen und Kulturschaffenden, sich einzubringen“. Ein Fauxpas wie mit Jost Stollmann, der den Kanzler pries, wird Schröder mit „Madame Allemagne“ (Zeit) wohl nicht erleben. Mit einem ihrer Kinder schwanger, erzählte sie einmal sinngemäß: „Als ich eine Rede von Helmut Kohl hörte, hat das Kind in meinem Bauch ganz aufgeregt gestrampelt.“ Markus Franz

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