Französisches Antiterrorgesetz: Im Namen der Sicherheit
Der Ausnahmezustand in Frankreich ist beendet. Neue Paragrafen verschärfen zugleich die Möglichkeiten der Polizei, Verdächtige zu überwachen.
Neu an dem vom Parlament verabschiedeten und von Präsident Emmanuel Macron abgesegneten Gesetz ist also, dass zur gesetzlichen Norm wird, was vorher als Provisorium betrachtet und legitimiert wurde. Benötigte die Polizei früher einen triftigen Verdacht für die Überprüfung von Personen auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, kann sie jetzt fast nach Belieben Ausweiskontrollen vornehmen.
Ein verdächtiges Aussehen dürfte für manchen Beamten eine Frage der Hautfarbe und der sichtbaren Herkunft sein. Ein wegen Sympathien zu terroristischen Organisationen Verdächtigter kann nun unter Hausarrest gestellt werden kann. Das kommt einer präventiven Inhaftierung, die von konservativen Abgeordneten vergeblich beantragt worden war, schon ziemlich nahe. Erweitert wird auch die Verwendung von registrierten Daten der Flugzeug-, Fährschiff- und Bahnpassagiere.
Der Kontext
Seit Januar 2015 mit dem Angriff auf Charlie Hebdo sind in Frankreich im – mehr oder weniger direkten – Auftrag des IS eine Reihe von mörderischen Attentaten verübt worden, bei denen fast 250 Menschen ihr Leben verloren. Frankreich zählt damit zu den am stärksten vom islamistischen Terrorismus bedrohten Ländern.
Schon vorher waren die Gesetze laufend verschärft worden. Die jeweiligen Regierungen stehen unter dem Druck einer Öffentlichkeit, die ein hartes Durchgreifen verlangt. Die Gesetzgebung ist ein praktisches, wenn auch nicht unbedingt sehr erfolgversprechendes Mittel, Entschlossenheit zu markieren. Das war auch unter dem Sozialisten François Hollande und seinem derzeit amtierenden Nachfolger Emmanuel Macron nicht anders.
Die Reaktionen
Für französische Bürgerrechtler und für die politische Linke geht die Regierung mit diesem Gesetz zu weit. Damit werden gerade jene Grundfreiheiten infrage gestellt, die gegen die terroristische Bedrohung des zivilen Friedens verteidigt werden sollen.
Für die konservative Opposition und die extreme Rechte geht die Verschärfung im Gegenteil nicht weit genug. Marine Le Pen vom rechtsextremen FN protestierte sogar, Frankreich werde damit in „krimineller Weise entwaffnet“. Sie empfiehlt das Beispiel von US-Präsident Donald Trump, der nicht so viel Federlesens mache.
Die Konsequenz
Die Vollmachten zur Überwachung oder Repression können – wie schon zuvor – nicht nur gegen mutmaßliche Terroristen und ihre Sympathisanten eingesetzt werden. Wenn es das Ziel der IS-Terroristen war, ein bedrückendes Klima zu schaffen, ist ihnen Macrons Regierung einen weiteren Schritt entgegengekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs