Franziska Giffey und der Großstadtverkehr: Was Berlin von Paris lernen kann..
… bleibt auch nach dem Besuch von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey dort offen. Thema ist statt dessen ein Beinahe-Unfall.
E s hätte glänzend aussehen können, das Bild, das von Franziska Giffeys erster Auslandsreise als Regierende Bürgermeisterin bleibt. Denkbar wäre gewesen, dass die Sozialdemokratin in Begleitung von Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) und Ragnhild Sørensen (vom Verein Changing Cities, der der Verkehrswende in Berlin Druck macht) bei heißer, die Notwendigkeit der Verkehrswende noch unterstreichender Julisonne an der Seine entlang Richtung Champs Élysées radelt, während sie sich von der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo zeigen lassen, wie die die Pariser*innen zum Radfahren gebracht hat.
Das Bild von vier starken Frauen also, die über Verkehr and the City sprechen, als wäre es das Wichtigste wenn nicht auf der Welt, so doch in ihrem Leben. Ein Bild, bei dem vielleicht sogar ein wenig hätte abfärben können auf Giffey, Jarasch und Sørensen von der mühelosen Eleganz, mit der Hidalgo anscheinend in den vergangenen Jahren die Stadt der Liebe umbaut zu einer Fahrradstadt. So jedenfalls wird es seit Jahren über sie geschrieben.
Es wäre auch ein Bild, das gut zu Giffeys Abschlussstatement gepasst hätte. Berlin und Paris könnten „sehr viel voneinander lernen“, hatte sie nach ihrer Paris-Reise gesagt, schließlich stünden beide Städte „vor sehr ähnlichen Herausforderungen – gerade in Fragen der nachhaltigen Stadtentwicklung hin zu klimafreundlichen Metropolen“.
Stattdessen klagte die Bürgermeisterin laut Tagesspiegel über einen Beinahe-Unfall, der Giffey aussehen lässt wie eine etwas überforderte Touristin, die mit dem Tempo der Großstadt nicht klarkommt. Denn sie wurde in Paris fast von einem E-Bike angefahren, oh Schreck. Das erzählte sie der Zeitung jedenfalls offenbar zum Abschluss ihrer Delegationsreise.
Aber nicht nur dass das Bild der Regierenden in Paris damit nun eher trutschig statt glamourös ausfällt – diese belanglose Anekdote bestärkt Giffey anscheinend in ihrem skeptischen Blick auf eine rasche Verkehrswende in der deutschen Hauptstadt. „Die autofreie Stadt ist auch in Paris noch ganz irdisch“, zitiert der Tagesspiegel die Regierende zu ihrem Nur-Beinahe-Unfall. Der Ausbau der Radwege habe zu neuen Konflikten geführt, aber vergleichsweise wenig erreicht, weil das Auto immer noch das wichtigste Fortbewegungsmittel in Paris sei.
Dass Giffey an der Pariser Verkehrspolitik kein großes Interesse hat, hätte vorab klar sein können. Denn statt Jarasch und Sørensen hatte sie den Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos), den Berliner IHK-Chef und den Geschäftsführer von Berlin-Partner dabei. Es war eine Wirtschafts- und keine Verkehrsdelegation.
Und auch Antworten auf die Frage, wie denn Unfälle zwischen E-Bikes und Bürgermeister*innen künftig am besten zu vermeiden seien, waren von Giffey nicht zu hören. Aber wie läuft es denn in der weitgehend autofreien Rue de Rivoli im Vergleich zum autofreien Abschnitt in der Friedrichstraße? Hier könnten Berlin und Paris doch sicher voneinander lernen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Deutsche und das syrische Regime
In der Tiefe