Frankfurt in der Champions Legue: Energie für Europa

Eintracht Frankfurt zieht ins Achtelfinale der Champions League ein. Bei Sporting Lissabon gelingt es dem Team einmal mehr, an seine Grenzen zu gehen.

Kolo Muani in der Luft nach seinem Tor zum 1:2

Tor zum Achtelfinale: Frankfurts Kolo Muani trifft in Lissabon Foto: ap

FRANKFURT taz | Peter Fischer hat schon die wildesten Partys mitgemacht. Er hat aber auch trostlose Zweitligazeiten in einem heruntergewirtschafteten Verein erlebt, weshalb es selbst dem Präsidenten der Eintracht nach dem Einzug ins Achtelfinale der Champions League schier die Sprache verschlug. „Unglaublich. Normalerweise bin ich begriffsstark, aber hier fehlt es mir auch“, stammelte Fischer mit Tränen in den Augen. Er war dann derjenige, der von der jubelnden Mannschaft nach dem Auswärtssieg bei Sporting Lissabon (2:1) das Erinnerungsfoto schoss.

Derweil schwärmte Trainer Oliver Glasner vor den tanzenden und singenden Fans im Estádio José Alvalade von der „unglaublichen Mentalität“ einer Mannschaft, die abermals ihre eigenen Grenzen verschoben hat. Auch der Österreicher war auf seine Art aus dem Häuschen. „Wir haben immer unser Ding durchgezogen. Egal in welchem Stadion, ob zu Hause oder auswärts, egal welcher Gegner, ob in Rückstand oder ob wir vorne waren.“

Seine magischen Nächte wiederholt der Europa-League-Sieger fast in Endlosschleife. Die Erfolgsgeschichte will einfach nicht enden, denn die Hessen demonstrieren nun auch in der Königsklasse, was Leidenschaft und Hingabe in einem Traditionsverein bewegen können.

Diesen anarchischen Impuls, dass Geld auf internationaler Bühne nicht alles ist, benötigt gerade die Königsklasse dringend. Ganz Frankfurt fiebert jetzt der Auslosung für die K.-o.-Runde am Montag entgegen, wo für einen Klub mit solchen Nehmerqualitäten nicht zwingend Endstation sein muss. „Wir sind einfach eine Stehaufmannschaft“, sagte Kapitän Sebastian Rode, der selbst zur Symbolfigur der durch Daichi Kamada (62./Handelfmeter) und Randal Kolo Muani (72.) vollbrachten Wende aufstieg.

Oliver Glasner, Eintracht-Trainer

„Wir haben immer unser Ding durchgezogen – egal in welchem Stadion“

Nach dem Rückstand durch Arthur Gomes (39.) in einer unstrukturierten ersten Halbzeit forderte Glasner mehr Überzeugung ein – und wechselte Rode ein. Die 32-jährige Identifikationsfigur nahm sogleich „das Ruder in die Hand“ (Glasner). Da war auf einmal einer, der Klarheit und Struktur vermittelte – und nebenbei die meisten Zweikämpfe gewann. Klar, dass viele Komplimente auf den „Gamechanger“ Rode herabregneten.

Fortschreitende Professionalisierung

Vorstandssprecher Axel Hellmann sieht mit dem Vorstoß unter die besten 16 Teams Europas einen langen Weg gekrönt, der nach dem Klassenerhalt in der Relegation 2016 eingeschlagen wurde. Nach den Nervenspielen gegen den 1. FC Nürnberg verließ mit Heribert Bruchhagen ein honoriger, aber mitunter auch sperriger Vereinsboss die Kommandobrücke. Seitdem gehen zwar alle ein, zwei Jahre wichtige Spieler, Trainer oder Manager, doch die Frankfurter gewinnen mit jeder Häutung an Widerstandskraft.

Nebenbei sackte die Eintracht mit dem DFB-Pokal (2018) und der Europa League (2022) zwei Titel ein, die sich nicht nur im Briefkopf gut machen. Hellmann feierte nun den nächsten „großen Tag und großen Schritt“. Während sich der Jurist keinerlei Zurückhaltung auferlegte, traten andere die Partybremse. Glasner untersagte seinen Spieler ausgedehnte Feierlichkeiten. „Wir werden anstoßen, aber dann geht es ins Bett. Wir ziehen das jetzt durch bis Mainz.“

Dreimal Fokus auf die Bundesliga sollte das heißen. An Aufgaben wie Samstag in Augsburg, dann gegen Hoffenheim und Mainz erinnerte auch Sportvorstand Markus Krösche. Der in Leipzig vergraulte Macher scheint mit seiner Weitsicht nach dem Baumeister Fredi Bobic der nächste Glücksfall, wie Hellmann herausstellte. Die Professionalität der sportlichen Leitung hat längst auf ihren Multi-Kulti-Kader abgefärbt.

Wer das energiestrotzende Ensemble beim Hinspiel gegen Sporting (0:3) vor nicht einmal zwei Monaten ins offene Messer stürmen sah, konnte die abgeklärte Vorstellung in Lissabon kaum fassen. „Wir sind als Mannschaft gewachsen und gefestigter geworden“, erklärte Torwart Kevin Trapp. Auf den Rückstand habe man diesmal ganz anders reagiert, „viel erwachsener, viel ruhiger“. Der 32-jährige WM-Kandidat gibt den Ruhepol der bunten Truppe. Unruhig waren nur die vielen Frankfurter Anhänger, die entweder verspätet im Stadion ankamen oder keinen Einlass fanden, weil sie ohne Ticket nach Portugal gereist waren.

Diejenigen, die den Gästeblock zur Partyzone umfunktionierten, verlangten hinterher bei Hellmann nach einer Lokalrunde („Axel gibt einen aus!“) und sangen: „Europas beste Mannschaft – SGE!“ Recht haben sie. Gemessen an den Möglichkeiten hat niemand im Kalenderjahr 2022 in den Europapokalwettbewerben mehr erreicht als der Bundesligist. Zur Mannschaft des Jahres hatte die Uefa kürzlich Manchester City gekürt. Eintracht Frankfurt wäre die bessere Wahl gewesen.

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