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Fragwürdiger Polizeieinsatz im WendlandErdoğan grüßt Meuchefitz

In Lüchow-Dannenberg haben 80 schwerbewaffnete Polizist*innen einen Gasthof gestürmt, um ein prokurdisches Transparent zu entfernen.

Polizisten in Kampfmontur kommen im alternativen Gasthof Meuchefitz eigentlich selten vorbei Foto: Indymedia/Creative Commons

HAMBURG taz | Die niedersächsische Landtagsabgeordnete Miriam Staudte (Grüne) ist fassungslos. „Dieser Polizeieinsatz war vollkommen unakzeptabel und überhaupt nicht nachvollziehbar – er wird ein parlamentarisches Nachspiel haben.“ Am Dienstagmorgen haben rund 80 vermummte und mit Maschinenpistolen bewaffnete PolizistInnen den als linken Szenetreff bekannten Gasthof Meuchefitz im Landkreis Lüchow-Dannenberg gestürmt, um ein Transparent von der Außenfassade zu entfernen.

Dessen Aufschrift lautet: „Afrin, halte durch! Türkische Truppen & Deutsche Waffen morden in Rojava! Es lebe die YPJ/YPG!“ Die beiden Organisationen YPJ und YPG, so argumentiert die Staatsanwaltschaft, seien „unselbstständige Teilorganisationen“ der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und somit selbst von dem Verbot erfasst.

Während der Durchsuchung mussten alle Gäste des Rasthofs ihre Personalien angeben. Der Staatsschutz notierte außerdem die Kennzeichen aller auf dem benachbarten Parkplatz parkenden Autos.

Die Rechtsgrundlage für die Polizeiaktion war ein von der Staatsanwaltschaft erwirkter Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Lüneburg. Der Verdacht lautete auf Unterstützung in Deutschland verbotener Gruppierungen sowie auf Bildung und Unterstützung terroristischer Vereinigungen.

Ein ziemlicher Aufriss für die Entfernung eines einzelnen Transparents, findet Staudte. „Es hätte völlig gereicht, einen Kontaktbeamten vorbeizuschicken und die Sache unaufgeregt zu klären“, sagt die Landtagsabgeordnete.

Afrin und die Kurden

Die YPG und YPJ sind die Militäreinheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD).

Unter das PKK-Verbot, das in Deutschland gilt, fallen die beiden Organisationen zwar offiziell nicht, seit einigen Wochen aber löste die Verwendung beider Kürzel bundesweit immer wieder Polizeiaktionen aus.

Im nordsyrischen Afrin geht das türkische Militär derzeit mit Luftangriffen gegen kurdische Milizen vor. Immer wieder wird auch von Hinrichtungen gefangener Kurden berichtet.

Staudte macht die Polizei für die „weitere Eskalation“ verantwortlich. Am Dienstagnachmittag war es infolge der Polizeiaktion zu einer Protestkundgebung auf dem Lüchower Marktplatz und zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und DemonstrantInnen gekommen. Während einige KundgebungsteilnehmerInnen mit Pyrotechnik hantierten, setzte die Polizei Pfefferspray gegen einige DemonstrantInnenn ein. „Das braucht wirklich niemand“, so Staudte.

Containerabdeckplanen in Brand gesetzt

Vorläufiger Höhepunkt der Eskalation: In der Nacht zu Mittwoch verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf dem Firmengelände des Bremer Militärtechnologiekonzerns OHB. Dabei wurden zwei Containerabdeckplanen in Brand gesetzt, bevor das Feuer von selbst erlosch.

In einem Bekennerschreiben, das der taz vorliegt, nehmen die mutmaßlichen TäterInnen Bezug auf die Vorfälle im Wendland und „den türkischen Angriffskrieg in Afrin“ und dessen Unterstützung durch die „deutsche Rüstungsindustrie“. Weil die Polizei das Bekennerschreiben für echt hält, wurde der Staatsschutz eingeschaltet.

Staudte brachte nun eine Parlamentarische Anfrage auf den Weg, in der sie von der niedersächsischen Landesregierung wissen möchte, ob die Durchsuchung ein Alleingang der Lüneburger Polizeidirektion war, oder in Zusammenarbeit dem Landeskriminalamt und dem Niedersächsischen Innenministerium beschlossen wurde. „Ein Einsatz dieser Größe ohne Zustimmung der Landesebene wäre ungewöhnlich“, so Staudte.

Der Lüneburger Polizeihauptkommissar Kai Richter erklärte gegenüber der taz, die Beschlagnahmeaktion sei von der Polizei und der Staatsanwaltschaft in Lüneburg autonom „geplant und durchgeführt“ worden. Das niedersächsische Innenministerium sei vorab lediglich „in Kenntnis gesetzt worden“.

„Import von Erdoğans Methoden“

Staudte will zudem wissen, warum Polizei und Staatsanwaltschaft die Behauptung des Türkischen Regimes, die YPG sei eine Terrororganisation, unkritisch übernähmen. Der auf dem Transparent formulierte Protest gegen die Einsätze mit deutschen Waffen in Krisengebieten sei „mehr als legitim“. Selbst der niedersächsische Landtag habe gerade erst eine parteiübergreifende Resolution gegen den türkischen Angriff auf Afrin verabschiedet.

Der Bundestagsabgeordnete der Linken, Victor Perli, findet, es sei ein Skandal, dass der niedersächsische Innenminister Pistorius (SPD) für einen solchen Polizeieinsatz grünes Licht gebe. Er sieht eine aktive Mitverantwortung des Ministeriums an den aus seiner Sicht „inakzeptablen Einschüchterungsmaßnahmen“.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen im niedersächsischen Landtag, Belit Onay, sagte, die „gewaltfreie Betätigung kurdischer Organisationen“ müsse weiterhin möglich bleiben.

Perli ging noch einen Schritt weiter:„Erst exportieren sie Waffen in die Türkei und anschließend importieren sie Methoden von Erdoğan, um kritische Stimmen zu kriminalisieren.“

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2 Kommentare

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  • Krass. Da fällt mir nur ACAB ein.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Das ist das Land, in dem wir gut und gerne leben?

    Pfui Deibel!