Kaschmirkonflikt: Fragile Feuerpause
Zwischen Indien und Pakistan bleibt die Lage angespannt. In Indien wächst der Unmut über Trumps Behauptung, Delhi unter Druck gesetzt zu haben.

Purnam Kumar Shaw, der versehentlich die 3.300 Kilometer lange Grenze überquert hatte, kam nach drei Wochen pakistanischer Gefangenschaft frei. Seine Frau dankte Indiens hindunationalistischem Premierminister Narendra Modi. Umgekehrt übergab auch Indien einen gefangenen pakistanischen Ranger an sein Heimatland.
Modi steht innenpolitisch unter großem Druck. Denn Aussagen von Donald Trump, der die Feuerpause für sich reklamiert, lösten in Indien Irritationen aus: Der US-Präsident hatte erklärt, seine Regierung habe Indien und Pakistan handelspolitisch unter Druck gesetzt, um die Waffenruhe am 10. Mai zu erreichen. „Es hätte ein schlimmer Atomkrieg werden können“, so Trump, „mit Millionen Toten.“
Kritiker werfen Modi deshalb vor, von Indiens bisherigem Kurs im Kaschmirkonflikt abgewichen zu sein. Modis Vorvorgänger und Parteikollege Atal Bihari Vajpayee hatte 1999 auf dem Höhepunkt damaliger Spannungen das Vermittlungsangebot von US-Präsident Bill Clinton abgelehnt, mit Pakistan über Kaschmir zu verhandeln.
Pakistan will Konflikt internationalisieren
Diese Ablehnung internationaler Vermittlung war stets die offizielle Position indischer Außenpolitik. Umgekehrt bemüht sich Pakistan immer wieder, den Kaschmirkonflikt zu internationalisieren.
Deshalb fordert die Kommunistische Partei CPI(M) jetzt eine Sondersitzung des Parlaments. Auch die oppositionelle Kongresspartei will wissen, ob der Waffenstillstand etwa durch Handelsdrohungen der USA erzwungen wurde. Am Dienstag wies Delhi erneut ein Vermittlungsangebot Trumps zurück und bekräftigte, den Konflikt direkt mit Pakistan zu lösen.
Zugleich besuchte Modi einen Luftwaffenstützpunkt im Pandschab. Er erklärte, die „Operation Sindoor“, wie Indien seinen Vergeltungsangriff taufte, sei der „neue Normalzustand“ im Kampf gegen den Terror. Indien werde keine „nukleare Erpressung“ dulden.
Delhi lud zudem 70 ausländische Militärattachés ein, um sie über Indiens „neue“ Haltung gegenüber Pakistan sowie der indischen Militäroffensive „Sindoor“ zu informieren, bei der nach Angaben Delhis 100 „Terroristen“ eliminiert worden sein sollen.
China und Türkei ausgeschlossen
Der Codename erinnert an die 26 bei dem Terroranschlag vom 22. April in Kaschmir getöteten Inder, wofür Delhi Pakistan mitverantwortlich macht, und ist zugleich zum Versprechen der Rache geworden.
Chinas Attaché blieb von der Einladung ausgeschlossen. Und die Türkei, die nur einen Nachwuchsoffizier schicken wollte, wurde wieder ausgeladen. Beide Länder liefern zudem Waffen an Pakistan.
Der in Mumbai lehrende Jesuit Frazer Mascarenhas empfindet wie viele andere Inder Trumps Behauptung, den Waffenstillstand herbeigeführt zu haben, als Affront. Es zeige sich, dass „Indien Teil eines größeren geopolitischen Spiels ist“ und es sich nicht einfach um einen Krieg zwischen zwei Ländern handle. „Wenn wir nicht aufpassen, werden wir die Leidtragenden sein“.
Gegenseitige Sperrung von Influencern
Laut New York Times hatte Delhi die Trump-Regierung vor ihren Vergeltungsangriffen auf Pakistan informiert.
Inzwischen ließ Indien zahlreiche pakistanische Medien und Influencer auf Plattformen wie X und YouTube sperren. Auch chinesische und türkische Staatsmedien sind von Sperrungen betroffen. Pakistan reagierte mit ähnlichen Maßnahmen.
Die Oppositionsabgeordnete Priyanka Chaturvedi kritisierte den Internationalen Währungsfonds für seine Kreditvergabe: Jeder Dollar für Pakistan stärke den Terrorismus, erklärte sie auf X. „Die Gefahr eines Krieges ist vorerst gebannt“, sagt Nitasha Kaul von der Universität Westminster. Doch Sicherheitslücken ermöglichten neue Terroranschläge wie Ende April.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!