Fracking in Polen: „Ökologisch eine gute Nachricht“
Das Kohleland Polen will 2014 als erstes Land in Europa mit der Ausbeutung von Schiefergas beginnen. Unklar ist, wie groß die Reserven sind.
BERLIN taz | Eine Woche nach der Klimakonferenz in Warschau hat Polen erklärt, es wolle künftig stärker auf unkonventionelles Gas setzen. Ab 2014 werde das Land mit dem umstrittenen Fracking und der Ausbeutung von Schiefergas beginnen, sagte Vize-Umweltminister Piotr Wozniak laut der polnischen Nachrichtenagentur PAP.
Neue Probebohrungen hätten „die Erwartungen weit übertroffen“, hatte der Londoner Konzern San Leon Energy nach Tests erklärt. Polen gilt in Europa als das Land mit den größten Reserven an Schiefergas und wäre mit dieser Entscheidung ein EU-Vorreiter bei dessen ernsthafter Ausbeutung.
Unter Energieexperten sorgen die möglichen polnischen Schiefergasreserven schon lange für glänzende Augen. Die Hoffnung dabei: Ähnlich wie in den USA, wo neue Bohrtechniken und Fracking einen Gasboom und niedrige Preise verursacht haben, könnte die polnische Wirtschaft mit billigem und – im Vergleich zur Kohle – sauberem Gas große ökonomische und ökologische Fortschritte machen.
Beim Fracking werden unterirdische Gesteinsschichten mit einer Mischung aus Wasser. Sand und Chemikalien „geknackt“, um an den Rohstoff zu kommen – bei Umweltschützern gilt der Prozess als zu gefährlich.
„Das hat Potential“
Bisher bezieht Polen 90 Prozent seines Stroms aus Kohle und bremst auch deshalb viele EU-Initiativen zum Klimaschutz. Bereits 2011 hatte die Internationale Energieagentur IEA darauf hingewiesen, dass „die großflächige Ausbeutung von Schiefergas das Potenzial hat, die Energielandschaft nicht nur in Polen, sondern in ganz Europa zu verändern.“
Wie wichtig die Regierung das Thema nimmt, zeigte sie während des Klimagipfels: Der alte Umweltminister Marcin Korolec wurde durch den Fracking-Fan Maciej Grabowski ersetzt. Aber ob Polen tatsächlich zum Frackingvorreiter der EU wird, ist fraglich. „Wir haben technische Probleme, das ist nicht so einfach wie in den USA“, sagt Maciej Bukowski vom Warschauer „Institut für Strukturforschung“ (lbs) zur taz.
Natürlich sei ein Wechsel von Kohle zu Gas „ökologisch eine gute Nachricht“. Aber: Etwa für den Einsatz von Gas zum Heizen in Großstädten müsse neue Infrastruktur gebaut werden. „Das braucht eine Menge Gas und 15 Jahre Zeit“, so Bukowski. „Und wir wissen gar nicht, wie groß unsere Reserven sind.“
Wegen dieser Unsicherheit, lokaler Proteste und nach Problemen mit Behörden haben sich bereits drei ausländische Konzerne aus dem polnischen Schiefergasgeschäft zurückgezogen, darunter ExxonMobil und Marathon. Auch Chevron prüft immer wieder den Sinn seines Engagements. Insgesamt hat die Regierung über hundert Konzessionen verteilt. Unklar ist allerdings, ob die polnischen Reserven so groß wie angenommen sind.
Ursprünglich waren sie auf ein Drittel der US-Vorkommen geschätzt worden. Ob sich die nötigen Investitionen in polnisches Schiefergas „für private Investoren rechnen würden, ist völlig ungewiss“, sagt Georg Zachmann, Energieexperte des Brüsseler Thinktanks „Bruegel“.
Denn Russland, das bisher Gas liefere, könne immer die Preise senken – und so die Investments gefährden. Er sei „deutlich skeptisch“, sagt Zachmann: „In der EU liegen 7 Prozent der weltweiten Reserven für Schiefergas, während der Anteil an der weltweiten Gasnachfrage 14 Prozent beträgt. Das reicht nicht für eine Revolution des Energiemarkts.“
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