Fotomanipulation bei Kanadas Grünen: Zu viel gebechert
Kurz vor den Parlamentswahlen haben die Grünen in Kanada ein Problem: Ein Mitarbeiter hat zu viel mit Photoshop gespielt.
Auf dem Bild hält Elizabeth May ganz umweltbewusst einen wiederverwendbaren Plastikbecher in der Hand. Seit 2006 ist sie Parteivorsitzende, 2011 wurde sie die erste Grüne überhaupt im kanadischen Parlament, aktuell ist sie eine von zwei Parteivertreter*innen, die dort Politik machen dürfen. Das Problem: Im Originalfoto, das 2018 auf einem Markt aufgenommen wurde, hält sie eigentlich einen Pappbecher.
Ein Mitarbeiter habe das Bild gephotoshopt, erklärte eine Sprecherin der Partei der National Post. Die hatte die Manipulation, die auch am Donnerstag noch auf der Website der Grünen zu sehen war, bemerkt, weil das Original schon früher veröffentlicht worden war.
Der Tausch des Pappbechers gegen einen Plastikbecher mit Metallstrohhalm sei nur geschehen, um einen Becher mit Parteilogo zeigen zu können, das Bild dadurch zu „branden“, erklärte May selbst. Sie sei „total schockiert“ gewesen, als sie von der Manipulation erfahren habe, so die Ceta- und Pipeline-Gegnerin. Der Pappbecher sei biologisch abbaubar und May vermeide Einwegplastik „zu 100 Prozent“. Sie trinke nicht einmal aus Plastikwasserflaschen. „Ich habe immer meinen eigenen wiederverwendbaren Kaffeebecher dabei. Ich lasse jeden Tag auf Worte Taten folgen.“
Empfohlener externer Inhalt
Dennoch könnte die Affäre für die Grünen zu einem Glaubwürdigkeitsproblem führen: Im Internet sprechen viele Menschen von „Heuchelei“. Manche Twitter-User*innen erklären, sie würden bei den Wahlen am 21. Oktober nun doch nicht die Grünen wählen. Andere Kommentare sind reiner Hate Speech. Ob Greta Thunberg die Grünen dazu gebracht hätte, fragt ein Nutzer. Viele wiederholen Gerüchte über eine angebliche Alkoholkrankeit Mays. Sichtbar wird eine generelle Abneigung gegen die Grünen als auch ein momentaner Vertrauensverlust.
Das kleinste Problem
Dass ausgerechnet die Becher-Manipulation der große Aufreger werden könnte, der für einen Einbruch an Wähler*innenstimmen sorgt, scheint nicht wahrscheinlich. Einerseits weil Fotomanipulationen – besonders in der Politik – zwar problematisch sind, aber meist nur wenig oder sehr kurz Aufmerksamkeit bekommen.
Die Schweißflecken unter Angela Merkels Armen, die der Bayerische Rundfunk 2003 aus einem Bild entfernt hat? Fast schon vergessen. Die heftigen Manipulationen, mit denen versucht wurde, Fridays-for-Future-Demonstrant*innen zu diskreditieren, indem jemand die Schriftzüge auf ihren Plakaten veränderte? Haben kaum für Aufsehen gesorgt.
Zum anderen haben sowohl die kanadische Gesellschaft als auch die kanadischen Grünen gerade andere Probleme. Mitte September tauchte ein 20 Jahre altes Foto in der Öffentlichkeit auf, das Premier Justin Trudeau (Liberale Partei Kanadas) bei der rassistischen Praxis des Blackfacings zeigt. Nur wenige Tage später musste ein Parlamentskandidat der Green Party zurücktreten: In einem Facebook-Post aus dem Jahr 2007 schlägt er vor, Teile von Schweinekadarvern an Muslime zu schicken. Ein Plastikbecher ist da das kleinere Problem.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland