Fotoinstitut des Bundes: Hotspots der Fotografie

Braucht es ein nationales Fotoinstitut nach dem Vorbild des Marbacher Literaturarchivs? Auf jeden Fall gäbe es dafür mehr als einen Kandidaten.

In einem Ausstellungsraum hängen Fotografien an den Wänden

Fotos aus „The Walther Collection“ sind bis 25. September in der K21 in Düsseldorf zu sehen Foto: Achim Kukulies

Braucht es ein Bundesinstitut für Fotografie, und, wenn ja, wo sollte es sitzen? Mit dem an diesem Wochenende zu Ende gehenden Festival Düsseldorf Photo+ kam diese Frage wieder auf. 2019 hatte die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters das Vorhaben lanciert, als Standort kamen Düsseldorf, aber auch Essen infrage – ein Konflikt, an dem sich eine bundesweite Debatte entzündete. Wie sieht Grütters Nachfolgerin Claudia Roth die Situation? Laut ihrem Sprecher hat sich Roth mit NRW-Kulturministerin Pfeiffer-Poensgen „bereits zum Foto-Institut ausgetauscht“, und weiter: „Als potentiellem Bundesland für den Standort des Instituts obliegt es dabei NRW, stärker Verantwortung zu übernehmen und seiner Vermittlerrolle gerecht zu werden.“

Richtig verstanden, sagt der Sprecher, dass Claudia Roth sich die Frage nach dem natio­nalen Fotoinstitut vom Hals halten möchte. Genauso wie die Ampelregierung. Hatte Monika Grütters noch als Ziel ausgegeben, das Bundesinstitut im neuen Koalitionsvertrag zu verankern, ist im Koalitionsvertrag der Ampel dazu nichts zu finden.

Das heißt eben auch: Düsseldorf ist weiter im Spiel. Gerade hat die Stadt in ihrem Kulturamt die neue „Koordinationsstelle für Fotokunst“ geschaffen und einen Beirat etabliert, der mit der Politik an der Weiterentwicklung der Fotostadt Düsseldorf arbeiten soll. Die „Biennale für Visual and Sonic Media“, so der Untertitel der Düsseldorf Photo+, setzte auf wohltuend lässige, unaufdringliche Art in über 50 Ausstellungen, Gesprächs- und Vortragsformaten die These vom Diskurs der Fotografie um in eine überraschungsreiche, mithin erkenntnisstiftende und sinnlich ansprechende Praxis.

Während die Düsseldorfer Biennale anlief, ging die von den Städten Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg organisierte dritte Ausgabe der Biennale für aktuelle Fotografie mit rund 26.000 Be­su­che­r:in­nen nach neun Wochen Laufzeit erfolgreich zu Ende. An ihrem Schließtag, dem 20. Mai, eröffnete in Hamburg „Currency“, die 8. Triennale der Photographie. Die inzwischen traditionsreiche Veranstaltung, 1999 vom legendären Fotografen, Fotosammler und –historiker F.C Gundlach aus der Taufe gehoben, läuft noch bis in den September und reflektiert in ihrer zentralen Schau in den Deichtorhallen das Medium als diskursive Behauptung, statt als einfaches Abbild der Wirklichkeit.

Koyo Kouohs, Künstlerische Leiterin der 8. Triennale

„Fotografien helfen uns, durch die Welt zu navigieren“

Die Währung Fotografie hat eindeutig Konjunktur. Wie das Medium – sofern es in der ganzen Breite seiner Erscheinungsformen wahrgenommen wird – zu einer hochkarätigen, international Maßstäbe setzenden Kunstsammlung führt, zeigt die aktuelle Sonderausstellung „Dialoge im Wandel“ im K21, der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Die dort gezeigte „The Walther Collection“ beinhaltet Kunst-, Dokumentar-, Amateur- und Auftragsfotografie genauso wie Aufnahmen im Kontext wissenschaftlicher, militärischer oder wirtschaftlicher Interessen und pflegte von Beginn an einen Ansatz kritischer Mediengeschichte. Das wird im afrikanischen Schwerpunkt der Sammlung besonders deutlich, der sich Okwui Enwezor (1963–2019) verdankt, Leiter der Documenta XI 2002, der den Sammler Artur Walther beriet.

Ja, die These von der Fotografie als Währung des globalen Austausches greift offensichtlich. Koyo Kouohs, die Künstlerische Leiterin der 8. Triennale in Hamburg, sonst Direktorin des Zeitz Museum of Contemporary African Art in Kapstadt, hat sie aufgestellt: „Fotografien sind Transportmittel, die uns unterstützen, die Welt zu verstehen. Sie helfen uns, durch die Welt zu navigieren. Sie helfen uns, die Welt und Geschichten zu dokumentieren.“ Um letztere Aufgabe zu erfüllen, braucht die Fotografie freilich nicht nur Öffentlichkeit, wie sie ihr gegenwärtig üppig zuteil wird, sie braucht dafür vor allem Bestand.

Das soll eben ein nationales Institut leisten, das für die Wahrung des fotografischen Erbes Sorge trägt, indem es die Vor- und Nachlässe bedeutender Fo­to­gra­f:in­nen sammelt, sichert und wissenschaftlich dokumentiert. So der Plan von Monika Grütters. Für ein zentrales Fotoinstitut hatte da allerdings schon ein Düsseldorfer Verein geworben: allerdings deutlich als Dienstleister für die Bedürfnisse der zeitgenössischen Farbfotografie konzipiert – so sollte dort etwa ein zertifiziertes Verfahren für Neuabzüge entwickelt werden. Sichtlich Anliegen eines der Stars der gegenwärtigen Farbfotografie, der den Verein im Hintergrund steuerte, nämlich Andreas Gursky. Sollte über das Institut auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, was recht besehen zu den Auf- und Ausgaben der Künstlerateliers und Galerien gehört, die an den Werken verdienen?

Doch diese Frage stellte sich der Haushaltsausschuss des Bundestags nicht, als er Ende 2019 für das Projekt 41,5 Millionen Euro bewilligte, während die von Grütters eingesetzte Expertenkommission noch an ihrer Machbarkeitsstudie feilte, die dann für Essen als Standort plädierte. Dort hatten sich die Folkwang Universität der Künste, in der Fotopraxis und Fototheorie einzigartig verzahnt sind, das aus der 1861 gegründeten, werkseigenen Fotoabteilung hervorgegangene Krupp Archiv sowie das Folkwang- und das Ruhrmuseum zu einem Medienzentrum verbündet, mit einem Fachbereich Fotorestaurierung.

Weitere Akteure und Institutionen könnten Ansprüche stellen und tun das auch. Köln ist etwa mit der SK Stiftung Kultur, in der sich unter anderem die Archive von August Sander und von Bernd und Hilla Becher befinden, ein wichtiges Forum für Fotografie. Zu den Beständen des Kölner Museums Ludwig zählen weitere bedeutende Fotokonvolute wie die Sammlung Gruber. Fritz L. Gruber machte Köln mit der vom ihm 1950 initiierten Photokina (2018 eingestellt) lange Zeit zu einem internationalen Hotspot der Fotoszene.

Dresden ist der Sitz der Deutschen Fotothek, wo die Nachricht vom neuen Zentralarchiv in Düsseldorf, wie in der Presse zu lesen, „mit einiger Irritation“ zur Kenntnis genommen wurde. Das 1924 gegründete kulturhistorische Bildarchiv, das in der Sächsischen Landesbibliothek angesiedelt ist, sammelt seit Jahrzehnten Millionen von Bildern, die es digitalisiert, und verwaltet wenigstens 150 fotografische Nachlässe.

Mit der Dresdener Fotothek arbeitet die Hamburger Stiftung F.C. Gundlach, die nicht als Forschungseinrichtung konzipiert ist, zusammen. Hamburg spielte immer eine wichtige Rolle in der deutschen Fotogeschichte. Die 1893 von Alfred Lichtwark (1852-1914), dem ersten Direktor der Hamburger Kunsthalle, veranstaltete „1. Internationale Ausstellung von Amateur-Photographen“ gilt als internationaler Meilenstein in der Geschichte der Kunstfotografie. Das Projekt Fotoinstitut könnte geradezu die späte Reaktion auf Lichtwarks süffisante Bemerkung sein, wertvolle Dokumente aus den Anfangsjahren der Fotografie gingen verloren und wären gerade dann nicht mehr vorhanden, „wenn die immer einen Posttag zu spät aufwachende Wissenschaft sich danach sehnt“.

Aby Warburg (1866–1929) interessierte das Medium nicht in künstlerischer, sondern systematischer Hinsicht. Die rund 400.000 Fotografien seiner in Hamburg aufgebauten (und nach 1933 nach London emigrierten) Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg dienten seinen ikonografischen Forschungen, zeigten neue Ideen des Sammelns und Systematisierens auf. Auf der Grundlage seiner Vorstellung, dass Bilder Handlungen sein können, Bildakte, operieren heute viele Medienkünstler:innen.

Aby Warburg machte deutlich, wie sich im Sammeln und Speichern von Daten und den zugrunde liegenden Prinzipien der Auswahl und der Ordnung, Kultur und Zeitgeschichte niederschlagen und kenntlich werden. Ist es also in Deutschlands föderaler Kulturlandschaft wirklich zielführend, ein Bundesinstitut zu projektieren? Sollte nicht stattdessen über ein bundesweites Netzwerk nachgedacht werden, das die vorhandenen wertvollen Institutionen kurzschließt, und dabei die gesamte Bandbreite der Anwendungsweisen, Methoden und Inhalte der fotografischen Bildkultur zur Kenntnis nimmt – und nicht nur das Werk herausragender zeitgenössischer, besonders künstlerischer Fotografinnen und Fotografen?

Dass technische Aufgaben und rechtliche Belange an zentraler Stelle zusammengeführt werden können, ist mitbedacht. Dafür braucht es aber keinen umweltbelastenden Neubau mit Ausstellungsfläche, die – eh schon reichlich vorhanden – der Aufgabe des Instituts widerspricht. Nämlich in Ruhe sammeln, aufarbeiten, systematisieren, dokumentieren, forschen. Vielleicht sollte das Institut doch dem Bundesministerium für Bildung und Forschung zugeordnet werden? Wie das Deutsche Literaturarchiv Marbach, das gerne als Vorbild das Fotoinstitut herangezogen wird. In jedem Fall aber sollte Claudia Roth sich das Fotoinstitut noch einmal zur Brust nehmen und das Projekt gründlich überdenken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.