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Fossile EnergieIst Flüssiggas noch klimaschädlicher als Kohle?

Die Crème de la Crème der LNG-Branche trifft sich zum Gipfel im Berliner Edelhotel Adlon. Die Klimabewegung protestiert. Die Politik geht hin.

Um Erdgas per Schiff statt per Pipeline zu transportieren, muss es aufwendig verflüssigt werden Foto: Stefan Sauer/dpa

Brüssel taz | Robert Howarth sagt es „nur ungern“, aber so lautet nun mal das Ergebnis seiner Untersuchungen: Weil Flüssigerdgas (LNG) viel klimaschädlicher ist als gedacht, hält es der Professor für Ökologie und Evolutionsbiologie an der US-amerikanischen Cornell University für sinnvoll, stattdessen „etwas Kohle zu verbrennen, um die kurzfristige Nachfrage zu befriedigen“.

Gas schlimmer als der „Klimakiller“ Kohle? Howarths Studien über die Treibhausgaswirksamkeit von LNG entfachten Anfang des Jahres einen „politischen Feuersturm“ (Financial Times) in den USA – und führten dazu, dass Präsident Joe Biden den Ausbau von Häfen für den Export von LNG stoppte.

Der Methanexperte hatte den Ruf vom „klimaschonenden“ Gas als Mythos entlarvt: Wenn man die Emissionen bei Förderung und Transport mit einrechnet, ist der Treibhausgasausstoß von LNG laut Howarth binnen 20 Jahren um 33 Prozent höher als der von Kohle. Besonders wenig umweltschonend ist Gas, das per Fracking, also durch enormen Druck, aus der Erde gepresst wurde – in den USA der Standard. Fracking bringe enorme Mengen des besonders klimaschädlichen Treibhaus­gases Methan in die Atmosphäre, fand ­Howarth heraus.

In Deutschland halten dagegen viele LNG immer noch für eine „Übergangstechnologie“: Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck pumpt sogar Milliarden in den Ausbau der Flüssiggas-Infrastruktur, unter anderem für den Import aus den USA.

Branchentreffen und Gegengipfel

Der Branche geht es blendend, seitdem Wladimir Putins Truppen die Ukraine überfallen haben – und der Westen russisches Pipelinegas zu ersetzen versucht. Einer der Gründe, warum sich ab Montag in Berlin die Branche zum „World LNG Summit“ trifft – 750 Chefs und Lobbyisten aus 50 Ländern kommen beim „Treffpunkt der globalen LNG-Industrie“ im Edelhotel Adlon zusammen. Ticketpreis: ab 4.000 Euro.

KlimaaktivistInnen haben gleichzeitig zum Gegengipfel aufgerufen. Man wolle „den Gaskonzernen ihren Kongress vermiesen“, kündigt das Bündnis mit Gruppen wie Ende Gelände, Extinction Rebellion, Letzte Generation und Scientist Rebellion Aktionen an. „Sauberes Gas ist eine dreckige Lüge“, sagt Frida Egeling von Fridays for Future. Die Verdrängung von Kohleverstromung durch Gas helfe der Welt keineswegs, CO2-Emissionen zu verringern. Egeling betont: „Eine gute Zukunft gibt es nur ohne neue Gasprojekte.“

Franziska Holz ist sowohl zum LNG-Gipfel als auch zur Gegenveranstaltung eingeladen worden. „Aber ich bin keine Aktivistin und arbeite auch nicht in der LNG-Industrie“, sagt die Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Deshalb wird sie zu keinem der Events gehen.

Die Forderungen der AktivistInnen kann die Wissenschaftlerin aber nachvollziehen: Sie hat den Bau der Terminals für das auf bis zu 164 Grad minus heruntergekühlte und für den Schifftransport verflüssigte Erdgas untersucht. Ergebnis: Habecks Politik sei „ein Risiko für die Energiewende in Deutschland“, sagt Holz.

Dass ausgerechnet unter der Ägide eines Grünen nach den drei schwimmenden LNG-Terminals, die für etwa zehn Jahre geleast wurden, jetzt auch noch weitere fest installierte LNG-Stationen mit einer Lebensdauer von 20 oder mehr Jahren kommen sollen, torpediere die von der Bundesregierung für 2045 angepeilte Klimaneutralität Deutschlands.

Terminals kaum ausgelastet

Denn: „Die immer wieder zur Erklärung herangezogene Gasmangellage gibt es nicht“, betont Holz. Die weggebrochenen Importe aus Russland könnten leicht kompensiert werden. Auch kurz vor dem Winter 2024/25 sind die Speicher prall gefüllt, selbst ein möglicher Bedarf von Nachbarländern wie Österreich oder die Slowakei sei gedeckt. Der einst angedachte Bau von 13 Terminals, die in „einem historischen LNG-Rausch“ geplant worden seien, müsse gestoppt werden, urteilt das DIW.

Im zweiten Quartal 2024 sollen die deutschen Terminals nicht mal zur Hälfte ausgelastet gewesen sein. „Wegen ineffizienter Mittelverwendung“ hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) deshalb beim Bundesrechnungshof Beschwerde eingelegt. Besonders das Terminal auf Rügen ärgert die DUH. Dafür gibt der Bund 865 Millionen Euro, zudem eine Garantie über 1,9 Milliarden Euro.

Dadurch eingespeist wurden im vergangenen Jahr aber nur 1,3 Milliarden Kubikmeter Gas – also lediglich 1,5 Prozent des deutschen Bedarfs, schreibt die Umwelthilfe. „Niemand will es, keiner braucht es“, wütet DUH-Experte Constantin Zerger. Das Terminal auf Rügen sei „eine teure und unnötige Investitionsruine“. Insgesamt kamen 2023 gut 7 Prozent des deutschen Gases aus LNG.

Es soll mehr werden. Der künftige Präsident Donald Trump will Bidens Baustopp für LNG-Projekte in den USA schnellstmöglich beenden. Das besorgt Fachleute. Denn: Das in den USA durch Fracking gewonnene Schiefergas verursacht besonders viel Methan, vor allem durch Lecks. Die entstehen bei Verflüssigung und Transport des Kraftstoffs per Tanker.

„Zwar wird bei der Verbrennung von Kohle mehr CO2 freigesetzt als bei der Verbrennung von Gas, aber die Methan-Emissionen können diesen Unterschied mehr als ausgleichen“, sagt Methanexperte Howarth. Das Methan verflüchtigt sich zwar schneller in der Atmosphäre als Kohlendioxid, ist aber lange weitaus klimaschädlicher. Energieexpertin Holz wendet ein, Leckagen gebe es sicher auch in den Pipelines, die zum Beispiel russisches Gas transportieren. Aber: Genaue Zahlen gebe es nicht – „und wenn, sind das Momentaufnahmen“, sagt Holz.

Verordnung betrifft nur Energiesektor

Auch Stefan Wenzel ist zu LNG-Gipfel wie Gegengipfel eingeladen worden. Der parlamentarische Staatssekretär in Habecks Ministerium wird auch bei beiden Veranstaltungen auftreten. Er sagt nicht, dass die geplanten deutschen LNG-Terminals die Klimaziele infrage stellen. „Mittelfristig“, so Wenzel zur taz, werde „es voraussichtlich nur noch zwei feste Terminals geben, die dann auch für grüne Wasserstoffderivate genutzt werden sollen“.

Immerhin: Den Klimakillereffekt von Methan bestreitet selbst die LNG-Lobby nicht mehr. Das Gas sei für „30 Prozent der Erderwärmung seit der Industriellen Revolution“ verantwortlich, heißt es in der Beschreibung von „Session 8“ im Hotel Adlon, einem Panel, das sich mit der EU-Methanverordnung beschäftigen soll.

Diese verpflichtet die Konzerne zu regelmäßigen Checks auf Methanlecks und verbietet das Abfackeln in Öl- und Gasanlagen. Inzwischen haben sich 150 Länder dazu verpflichtet, ihren Methan­ausstoß innerhalb dieses Jahrzehnts um 30 Prozent zu senken. Allerdings ist noch unklar, wie: Während die Gasindustrie im Hotel Adlon behauptet, die EU-Verordnung werde „nachhaltigen Einfluss auf die globalen LNG-Lieferketten haben“, raten KritikerInnen, genauer hinzuschauen.

Die Verordnung betrifft nämlich nur den Energiesektor, der für rund 40 Prozent der Methanemissionen verantwortlich ist. Hauptverursacher ist der Agrarbereich – Stichwort pupsende Kühe – mit rund der Hälfte. „Die Welt steuert auf eine Klimakatastrophe zu“, sagt Methanexperte Howarth. „Da LNG eine größere Auswirkung auf das Klima hat als jeder andere fossile Brennstoff, sollten wir ihn sofort weglassen.“

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die ganze Diskussion hätte man sich sparen können, hätte man die AKWs noch ein paar Jahre weiter betrieben.

  • Die LNG-Terminals sind doch da als Botschaft an Putin: Vergiss es einfach, uns mit Gas erpressen zu wollen. Wir können anders, selbst wenn Du zwei davon sabotieren solltest.

    Dass man von Gas wegsollte und rasch, stimmt dabei auch.



    Energiesparen



    Effizienz



    Erneuerbare - Wärmepumpe, Solarthermie & Co. bei Wärme, Wasserstoff bei chemischen Prozessen, soweit möglich.

    • @Janix:

      Ist unsere Außenministerin nicht gleich nach Amtsantritt, nach Russland gereist um mit Putin über die Pläne der Bundesregierung, bezüglich Erneuerbare Energie, Windkraftanlagen pp. zu plaudern ?

  • Mich würde interessieren, ob die große Methanfreisetzung bei Förderung, Produktion und Transport aufgrund technischer oder organisatorischer Gegebenheiten entsteht. Weiß da jemand Näheres?

  • Wir brauchen einen massiven Ausbau der urbanen Photovotaik in Kombination mit ressourcenunkritischen Massenspeichern wie diesen www.ndr.de/nachric...iespeicher136.html Das würde Deutschland mindestens 4 Monate energieautark machen. Massenhaft Flächen liegen in Gewerbegebieten, Parkplätzen und Wohnimmobilien brach. Das Problem jedoch ist, das die Einspeiser zu wenig Ertrag erzielen um ihre Investitionskosten zu decken. 8 Cent je Kilowattstunde Einspeisevergütung ist deutlich zu wenig, auch wenn die Stromkunden dann 30 cent bezahlen. Häufig befinden sich die Stromversorger in öffentlicher Hand und erwirtschaften Geld das die Kommunen an anderer Stelle ausgeben. Häufig bauen diese Kommunen noch im Modus der 10er Jahre Infrastrukturen die sie auch 4 oder 5 Jahre später bauen könnten. Es wäre sinnvoller diese teuren Investitionen um 5 Jahre zurückzustellen und das Geld in den Ausbau der Energieinfrastruktur zu stecken. Danach fliessen die Erträge wieder wie vorher. Das würde auch zu einer deutlich höheren Akzeptanz in der Bevölkerung beitragen und gäbe den Menschen ein wenig Hoffnung.