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Forderungen vor dem Diesel-GipfelUmweltministerium gegen Kaufhilfe

Die Ministerpräsidenten von Bayern und Niedersachsen wollen Steuererleichterungen für neue Diesel-Autos. Unklar ist indes, wie die Umrüstung passieren soll – und wer zahlt.

Wie viel Dreck kommt aus dem Dieselauto? Ein Automechaniker misst nach Foto: reuters

Berlin dpa/reuters | Kurz vor dem Diesel-Gipfel hat das Bundesumweltministerium Forderungen nach Kaufanreizen für moderne, sauberere Diesel abgelehnt. „Wir sind nicht besonders interessiert daran, eine Technologie zu fördern, die in absehbarer Zeit ohnehin nicht mehr auf die Straße gehört“, sagte eine Sprecherin zu Forderungen aus Bayern und Niedersachsen.

Dessen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte Anreize für den Umstieg von alten Dieselmotoren auf die Euro-6-Norm oder Elektroautos vorgeschlagen. Denkbar seien steuerliche Anreize oder eine Art Klimaprämie, die von Industrie und Staat angeboten werde. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer brachte eine Reduzierung der Kfz-Steuer für Euro-6-Diesel ins Gespräch. Zudem sprach er sich für einen staatlichen Fonds für die Umrüstung von Bussen, Taxen oder Müllautos aus.

Auch die Grünen widersprechen diesen Forderungen: „Schon jetzt fließen Milliarden an Steuervergünstigungen in den Diesel, ohne dass es dafür eine umwelt- oder klimapolitische Begründung“, sagte deren Verkehrsexperte Oliver Krischer.

Die FDP lehnt den Einsatz von Steuergeld in der Dieselkrise der Autoindustrie ab. „Die Konzerne sind selbst gefordert und in der Pflicht, die Abgas-Probleme zu lösen und die notwendigen technischen Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen schnell vorzunehmen. Das ist keine Aufgabe der Steuerzahler“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der Passauer Neuen Presse.

Unter Berufung auf Verhandlungskreise berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die Autoindustrie wolle der Regierung am Mittwoch einen solchen „Mobilitätsfonds“ anbieten. Um die Details werde derzeit noch gerungen.

Fonds in dreistelliger Millionenhöhe

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hatte angekündigt, beim „Diesel-Gipfel“ am 2. August solle es auch um einen Fonds in dreistelliger Millionenhöhe gehen, der von Bund und Autoindustrie finanziert wird. So könnten etwa eine Bündelung von Lieferverkehren oder die Vernetzung von Ampeln gefördert werden. „In den Städten muss wieder grüne Welle herrschen.“ Straßen sollten zudem aus- statt zurückgebaut werden.

Beim „Diesel-Gipfel“ am kommenden Mittwoch wollen Bund, mehrere Länder und die Autobranche unter anderem über Nachrüstungen beraten. Für Elektroautos gibt es bereits seit einem Jahr eine Kaufprämie – die Nachfrage ist allerdings verhalten. Bis Ende Juni wurden insgesamt nur 23.024 Anträge auf den Zuschuss gestellt.

Die deutsche Autoindustrie hält derweils ihre geplanten Softwareupdates für Dieselautos weiter für die beste Lösung zur Reduzierung der Stickoxidbelastung im Straßenverkehr. „Unsere Unternehmen sind bereit, eine große Zahl von Autos mit der Schadstoffklassen Euro 5 und zum Teil auch Euro 6 mit neuester Software nachzubessern“, sagte der Präsident des Branchenverbandes VDA, Matthias Wissmann, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

„Mit neuer Software lässt sich der Ausstoß von Stickoxiden im Schnitt der deutschen Fahrzeugflotte um mindestens 25 Prozent senken, ohne dass das Fahrzeug mehr Kraftstoff verbraucht oder sich die Leistung verändert“, versicherte Wissmann. Hardware-Nachrüstungen, wie sie unter anderem Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verlangt, lehnte Wissmann als untauglich ab. „In den meisten Fällen sind Hardware-Nachrüstungen technisch und wirtschaftlich nicht machbar, weil die Fahrzeuge schon viele Jahre alt sind“, sagte er.

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21 Kommentare

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  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Genau, zu Alternativen Verkehrskonzepten gehört natürlich auch das Fahrrad - es ist auf drei Kilometer in der Stadt immer und auf sieben meistens das schnellste Verkehrsmittel.

     

    Autos gehören auf die Autobahn. Unabhängig vom Antrieb!

    • @7964 (Profil gelöscht):

      Ich wohne leider nicht auf der Autobahn

  • Worüber nicht gesprochen und geschrieben wird: Umweltbelastung durch Benziner, Autogas als Alternative, Nulltarif beim ÖPNV in Städten, massive Förderung des Schieneverkehrs - kurz gesagt ein längerfristiges Gesamtkonzept statt immer neuer Subventionierung der Autoindustrie.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Es gab sie schon einmal, die Steuererleichterung für besonders saubere Diesel.

    Allerdings waren anno dunnemals die Messmethoden noch nicht so fein.

    Es ist daher davon auszugehen, dass die heute und morgen als sauber geltenden Diesel auch wieder von der Verfeinerung der Messmethoden überholt werden.

    Hase und Igel lassen grüßen...

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...erst vor ein paar Tagen stand's in der taz, das mit der 'Abwrackprämie', jetzt genannt 'Kaufhilfe'. Noch ekliger sind "Steuererleichterungen für neue Diesel-Autos" und ein "Mobilitätsfond".

    Echt, welche Drogen nehmen diese Politiker eigentlich zu sich?! Mittlerweile ist es in Deutschland soweit, dass die Justiz die Bürger vor den Auswirkungen des Autoverkehrs schützen müssen, siehe Fahrverbote.

  • Komisch. Von den Benzinern mit höherem CO2-Ausstoß und höherer Feinstaubbelastung als moderne Diesel ist nicht die Rede. Diese Debatte ist die reinste Heuchelei und die unkritischen Medien tragen dazu bei

    • @Nicky Arnstein:

      Es ist primär eine Frage des Verbraucherschutzes: Die Konzerne haben die Käufer betrogen und müssen dafür geradestehen. Bei Benzinern ist derartiges zurzeit nicht bekannt.

  • Es wäre eine absurde Kommödie, wenn es nicht so traurig wäre. Jetzt ein Fonds zur Förderung des Autoverkehrs? Grüne Welle gibt es schon überall, wo diese möglich ist. Um noch mehr grüne Welle zu erreichen, müssten die anderen Verkehrsteilnehmer_innen noch mehr ausgebremst werden - denn über eine Kreuzung kann gleichzeitig immer nur einer fahren. Daher kann immer nur eine Fahrtrichtung grüne Welle haben. Die anderen müssen warten.

    Ausbau der Straßen führt zudem auch nicht zu weniger Abgasen. Das gilt selbst dann, wenn bisher häufig Stau war. Der Ausbau führt zu mehr Verkehr.

    Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Autoindustrie hat zusammen mit der Regierung in hoch krimineller Art und Weise betrogen und Zulassungen erschlichen. Als Ergebnis soll nun der Autoverkehr noch mehr gefördert werden.

    Warum wählt eine Bevölkerung diese Kriminellen weiterhin? Ist das das Stockholm-Syndrom? Oder das Syndrom, welches Missbrauchsopfer daran hindert zu gehen?

    • @Velofisch:

      So isser, der Deutsche. Die Dichter und Denker, die man so kennt, sind einfach schon alle gewesen...

  • Hat eigentlich jemand nachgeschaut ob nicht auch die Abgase-Testgeräte mit einer Software versehen sind die das testen der Schadstoffe einfach nur simuliert?

    Werden nicht beide, also Software im Auto und im Testgeräte von den gleichen Leuten programmiert?

    Auch wenn der Benziner keine Software hat bei der man mogeln kann kommt hinten ja nicht gerade Rosenblüten Luft raus.

    Nur durch Boykott der Konsumenten kann man die Industrie zum handeln zwingen, doch dazu wird es wohl nicht kommen.

    Erstmal tief durchatmen und abwarten, näch:-)

  • Zum Glück wird die Hendricks bald in Ruhestand geschickt.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      "Wieso denn jetzt ausgerechnet die Hendricks? Halten Sie Weil und Seehofer etwa für kompetenter?"

    • @Nikolai Nikitin:

      Wieso denn jetzt ausgerechnet die Hendricks? Halten Sie Weil und Seehofer etwa für kompetenter?

    • @Nikolai Nikitin:

      Wieso denn jetzt ausgerechnet die Hendricks? Halten Sie Weil und Seehofer etwa für kompetenter?

  • Die Autoindustrie ist derart verlogen, dass man sie tatsächlich so hart bestrafen sollte, dass wirklich alle bis Dato verkauften Autos auch EU 6 entsprechen müssen, ansonsten Rückzahlung des gesamten Kaufpreises!

     

    Nach Messungen verschiedenster Verbände und Organisationen liegen die bisherigen E 5 & E 6 Fahrzeuge mit bis zu mehreren 100% hinter der zu erfüllenden Norm zurück, was sollen denn da die Verbesserungen von 25% sein, wieder ein Beruhigungspflaster für nicht rechen könnende Politiker?

     

    Herr Weil sucht anscheinend eine neue Geschäftsstrategie, wie er die letzten Dreckschleudern noch von den VW Höfen kriegen kann, ohne sie verschrotten zu müssen!

     

    Wieder denkt kein einziger Politiker darüber nach, wie Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind zu einem sauberen Fahrzeug kommen sollen. Wenn der gesamte Gebrauchtwagenmarkt leergefegt wurde, weil es für sehr viele Menschen, die Arbeitsplatzmäßig auf ein Fahrzeug angewiesen sind genauso wie nach der alten Abwrackprämie keine moderaten, günstigen gebrauchten mehr geben wird, weder als Benziner, noch als Diesel, es wird ausschließlich die KFZ - Industrie gewinnen durch sehr hohe Absätze von Neuwagen, genau wie 2009!

     

    Wenn es jetzt keine rigorosen Vorgaben aus der Politik für die Autoindustrie gibt, wie sie die Dieselfahrzeug, mit Hard und Software Updates, nachrüsten muss, wird es weiter gehen wie bisher, Dreckschleudern auf allen Straßen.

    Ärgerlich ist vor allen Dingen, dass die Industrie tagtäglich lügt, in dem sie behauptet, dass der Diesel zur Zeit nicht sauberer zu bekommen ist. Dabei liegen seit Mitte der 1980iger Pläne und Patente in den Schubläden, die den Diesel schadstoffärmer machen könnten als es für die nächsten Jahre erwartet würde, es kostet nur viel Geld, welches der Kunde nicht unbedingt bereit ist zu zahlen, beim Kauf eines Neuwagens.

    Warum also der Gesundheit der Bevölkerung etwas Gutes tun, wenn niemand dafür zahlen will?!?

     

    Profit machen um jeden Preis!!!

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Das ist ja noch die nächste Frechheit der Autoindustrie. Zitat aus dem Artikel:



    'Mit neuer Software lässt sich der Ausstoß von Stickoxiden im Schnitt der deutschen Fahrzeugflotte um mindestens 25 Prozent senken, ohne dass das Fahrzeug mehr Kraftstoff verbraucht oder sich die Leistung verändert“, versicherte Wissmann.



    Warum soll das demnächst ohne Weiteres möglich sein, und warum wurde das bisher nicht gemacht?



    Dies ist ein dicker Verstoß gegen das europäische Vorsorgeprinzip, der strafrechtlich verfolgt werden sollte.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @4932 (Profil gelöscht):

      Auch der Autoindustrie ihre Mogelpackungen!

      Bis das der Verbraucherschutz erkannt hat, ist der aktuelle Skandal schon längst wieder übermerkelt.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      das ist einfach.

      Man kann wenig machen per SW.

       

      Bei Autos ohne Adblue kann man nur das Abgasrückführungsventil öfter und weiter öffnen. Das verkokt dann aber mit der Zeit. Das widerrum kann man dann durch verbrennen von mehr Sprit wieder freibrennen.

       

      Die Abgase werden im prinzip nicht sauberer... man ändert nur die Zeiten wann die Motoren dreckig sind. Und über die Lebensdauer reden wir besser nicht.

       

      saubere Motoren via SW? Und Geschenke bringt der Weihnachtsmann, Eier der Hase und Kinder der Storch...

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @danny schneider:

        Da spricht der Fachmann...

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @danny schneider:

        Danke für Ihre kenntnisreiche Antwort.

        Selten gibt es in der vom Menschen benützten Technik den Zaubertrick, daß einfach alles, was nicht gewünscht ist, sich in ein Nichts auflöst.

        Was ich nur offenbar nicht deutlich genug formuliert habe ist, daß der Herr Wissmann öffentlich sagt:

        'Mit neuer Software lässt sich der Ausstoß von Stickoxiden im Schnitt der deutschen Fahrzeugflotte um mindestens 25 Prozent senken, ohne dass das Fahrzeug mehr Kraftstoff verbraucht oder sich die Leistung verändert“.

        Mit diesem Satz, wenn er denn von den Autoherstellern nicht zurückgewiesen wird, wird die Kfz-Industrie zu einer kriminellen Vereinigung, die bewusst abgelehnt hatte, daß der Stickoxidausstoß um 25% gesenkt hätte werden können. Man hat es schlicht nicht gewollt, denn offenbar hatte die Software (laut Wissmann) diese Möglichkeit implementiert.

        Mit diesem Unterlassen hat die deutsche Kfz-Industrie sicher ein paar Tausend Tote (mehr) auf dem Gewissen.

  • "Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte Anreize für den Umstieg von alten Dieselmotoren auf die Euro-6-Norm oder Elektroautos vorgeschlagen." - Der Klüngel-Weil - ach so ahnungslos zu den neuerlichen Vorwürfen - von dem kann man nichts anderes erwarten, als das Sprachrohr der Autoindustrie zu sein - der hätte als VW-Aufsichtsrat mal besser seinen Job gemacht!