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Forderung nach Diesel-FahrverbotenBarbara Hendricks blitzt ab

Nicht nur der CSU-Verkehrsminister fällt der Umweltministerin in den Rücken. Auch ihr eigener Parteichef will keine Fahrverbote.

Nützt nichts gegen Diesel-Stinker: bisherige Umweltzonen-Schilder Foto: dpa

Berlin taz | Zur Frage, wie die überhöhten, gesundheitsschädlichen Stickoxidkonzentrationen in deutschen Städten reduziert werden können, gibt es in der Bundesregierung offenen Streit. Das von Alexander Dobrindt (CSU) geführte Verkehrsministerium lehnte am Montag einen Vorstoß von Verkehrsministerin Barbara Hendricks (SPD) ab, mit einer Verordnung eine Rechtsgrundlage für Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge zu schaffen.

„Neue Möglichkeiten für Fahrverbote zu schaffen, halten wir für nicht zielführend“, sagte Dobrindts Sprecher Sebastian Hille auf taz-Anfrage. „Schon heute haben Städte, die Möglichkeit, Fahrverbote zu erlassen.“ Das Umweltministerium erklärte hingegen, viele Länder und Kommunen hätten eine neue Rechtsgrundlage gefordert.

Das bestätigt das Verkehrsministerium in Baden-Württemberg. Die bisher strengste grüne Plakette biete keinen ausreichenden Schutz, weil diese auch Dieselfahrzeuge mit hohem Stickoxidausstoß erhalten. Und der von Dobrindt in einem Schreiben geäußerte Vorschlag, alle Fahrzeuge in der Umweltzone zu verbieten und dann Ausnahmen zu definieren, sei nicht praktikabel. „Eine solche Regelung wäre kaum zu kontrollieren“, sagte Ministeriumssprecher Edgar Neumann. Denn solange es keine neue Plakette gibt, seien Motorart und Schadstoffwerte nur durch Überprüfung der Fahrzeugpapiere zu ermitteln.

Hendricks will das ändern, indem graue und weiße Plaketten für Fahrzeuge mit niedrigem Stickoxidausstoß eingeführt werden. Kommunen könnten dann eigenständig über dauerhafte oder temporäre, örtlich begrenzte Verbote für andere Fahrzeuge entscheiden.

Echte Unterstützung findet die Bundesumweltministerin aber nicht einmal bei ihrem eigenen Parteichef. Zwar sagte Sigmar Gabriel am Montag, er unterstütze es, „alles dafür zu tun, dass Stickoxide in den Städten reduziert werden“. Allerdings erklärte der Bundeswirtschaftsminister auch, er halte es für sinnvoller, in den Innenstädten zunächst mehr für den ÖPNV zu tun. „Mit so etwas mal loszulegen, würde zeigen, wir können mehr, als jedes Jahr über ein neues Verbot zu diskutieren“, sagte Gabriel.

Der politische Streit hat einen ernsten Hintergrund: Stickoxid reizt die Atemwege und führt zu Kreislauferkrankungen. In 80 deutschen Städten waren die Grenzwerte im letzten Jahr teils deutlich überschritten. Die EU hat darum bereits ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet; mehrere Gerichte haben von Kommunen wirksamen Maßnahmen verlangt.

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6 Kommentare

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  • Dieselfahrzeugen die Einfahrt in Städte zu Untersagen, um Stickoxidbelastungen zu verringern, wird den Städten nicht besonders viel bringen.

    Namhafte Universitäten haben bereits vor Jahren nachgewiesen, dass durch die thermischen Unterschiede in der Region einer Stadt, besonders im Winter, die Stickoxide aus dem Umland (kalt) in die Innenstädte (warm) gesogen werden (Kamineffekt).

     

    Nur eine technisch ausgereifte Methode der Stickoxidvermeidung kann den Städten Entlastung bringen. Diese gibt es auch schon mit der Entwicklung neuer Injektionsmöglichkeiten (Wasser) und synthetisch hergestellte Kraftstoffe.

    Beides existiert schon länger, die Autohersteller und die Mineralölgesellschaften haben aber kein Interesse diese Entwicklungen umzusetzen, denn sie sind teuer.

    Gefragt wäre die Politik, Umwelt und Wirtschaftsministerium, um die Hersteller gesetzlich dazu zu bringen diese Technik auch umzusetzen.

    Solange sich aber niemand dafür einsetzt, dass wirklich etwas für die Umwelt getan wird, werden Menschen auch Dreckschleudern fahren, denn sie können sich es meist nicht leisten einen mit der neuesten Technik zu kaufen.

    Also würde auch wenn alles verfügbare eingesetzt wird erst in Jahrzehnten ein Erfolg messbar werden!!!

    • @urbuerger:

      Die Sache mit dem Kamineffekt hört sich zwar gescheit an, ist aber nicht relevant. Sobald nur ein leichter Wind weht - nehmen wir an, aus dem Westen - wird jeder, egal an welchem Stadtrand er sich befindet, bestätigen können, dass der Wind von West nach Ost weht und nicht etwa vom Umland konzentrisch in die Stadt. Wenn Luftverwirbelungen, z. B. an Mauern, die Klarheit dieses Eindrucks hier und da trüben, tut das dem Gesamtbild doch keinen Abbruch. Sollte aber bei absoluter Windstille ein Kamineffekt spürbar werden, so dass von allen Seiten Luft in die Städte gesogen wird, ändert das nichts an der Tatsache, dass die Luft im Umland aufgrund der dort in der Regel immer noch geringeren Verkehrsdichte und niedrigeren Belastung aus Heizanlagen eine tendenziell bessere ist, als in den Städten. Es würden auf diesem Wege zwar auch Schmutzpartikel aus dem Umland in die Stadt gelangen, aber nur in Verbindung mit einer insgesamt besseren, also weniger belasteten Luft. Ich frage mich, welche namhaften Universitäten anderes behaupten.

       

      Ansonsten ist Ihrer traurigen Analyse wohl leider zuzustimmen.

  • Ohne Dieselskandal wäre die Abgasplakette für saubere Dieselmotoren vielleicht eine Option gewesen. Wenn aber Autofahrer in Deutschland und Europa plötzlich Sanktionen oder Einschränkungen zu befürchten hätten, weil sie mit ihren dreckigen Dieselmotoren die Umwelt und wie rücksichtslose Kettenraucher ihre Mitmenschen vergiften, würden viele sich an die scheinheiligen, verlogenen Versprechen der Autoindustrie erinnern, denen sie auf den Leim gegangen sind. Eine Klagewelle, ähnlich wie in den USA, würde hauptsächlich gegen VW, aber auch gegen ähnlich agierende Autofirmen losgetreten werden. Angesichts der hohen Zulassungszahlen von Dieselfahrzeugen in Europa, gegen die sich die in den USA bescheidenst ausnehmen, wäre der Bankrott von VW unabwendbar.

     

    Nein! Wer daran glaubt, es könnte in Deutschland eine Abgasplakette für dreckige Dieselfahrzeuge geben, bevor diese in 8-10 Jahren ihr mittleres Verfallsdatum erreicht haben, muss schon sehr blauäugig sein. Bisweilen sind nicht nur Banken "too big to fail".

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Nach Industrie 4.0 nun auch Politiker 4.0.

     

    Ich möchte Herrn Gabriel gerne das Upgrade auf die Version 4.0 anbieten. Kostenlos. Er scheint noch die sehr veraltete Version 2.0 in seinem Bimbus zu haben.

    In der neuen Version 'Politiker 4.0' sind alle Globalisierungsideen und Freihandelsabkommen jeder Art getilgt, Waffenlieferungen kommen nicht mehr vor. Zahlreiche Verbesserungen in sozialen Bereichen und vor allem im Umweltschutz werden Herrn Gabriel ein vollkommen neues Lebensgefühl geben. Die Partei SPD wird den Chief nicht wiedererkennen. Und er wird sich bei Frau Hendricks dreimal entschuldigen und verneigen (sofern sein dicker Bauch das gestattet).

    Wir finden es sehr schade, daß die Version 'Politiker 4.0' noch nicht allen Politikern aufgespielt wurde. Die Version ist längst getestet, virenfrei und erfüllt alle Ansprüche an eine friedliche und umweltschonende Lebensweise der Menschen.

    Warscheinlich sind die Politiker zu altmodisch, zu geizig, haben keine Ahnung oder sie haben den Digitalkommissar Oettinger wegen dessen Dialekt wieder falsch verstanden.

    • @4932 (Profil gelöscht):

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  • "Das von Alexander Dobrindt (CSU) geführte Verkehrsministerium lehnte am Montag einen Vorstoß von Verkehrsministerin Barbara Hendricks (SPD) ab,..."