Foodtrend High-Protein-Produkte: Eier, wir brauchen Eier
Ob Pizza oder Pudding, Brot oder Bier – alles gibt es jetzt auch mit einer Extraportion Eiweiß. Das sorgt fürs Fitness-Feel am Supermarktregal.
A ch wär ich doch ein Huhn, ich hätt nicht viel zu tun: Ich legte täglich bloß ein Ei – und würde ich das Ei anschließend essen, und auch als Huhn 70 Kilogramm wiegen, hätte ich ein Achtel meines täglichen Proteinbedarfs bereits gedeckt.
Da ich aber keine Eier lege, muss ich in den Supermarkt. Dort finde ich dann „Hafer-Vollkorn Protein Fitnessbrot“ von BenFit und „Schwarzwaldmilch Frische Proteinmilch“, außerdem die „Protein Lovers Pizza“ von Garden Gourmet, zu der bestimmt ein „Joybräu Proteinbier Light Alkoholfrei“ super passt. Und zum Nachtisch gibt es „Dr. Oetker High Protein Pudding Grieß“.
Denn Eiweiß ist der neue Star unter den Inhaltsstoffen. Und es klingt ja erst mal auch positiv, endlich mal für irgendwas sein, und sei es auch nur -tein. Mehr statt weniger! High statt Low!
Protein-Nahrungsmittel kommen dabei aus dem Großtrendfeld Selbstoptimierung, gehören hier zum Functional Food und setzen auf den Low-Carb-Trend auf, dem wir verdanken, dass Kohlenhydrate vor einiger Zeit das Fett als den Hitlerputin der Diätbemühungen abgelöst haben. Darunter mixen sie noch eine Portion Fitnesstrend, denn angefangen hat das alles ja in diesen Bodybuilder-Shops, die nichts außer Proteinpulver in Plastikbottichen verkaufen. Auf die und ihre Kunden schaut der gebildete und ernährungsbewusste Mann zwar weiterhin herab, aber unterbewusst ist er eben doch da, der Wunsch nach Boss-Transformation, definiertem Oberkörper und überhaupt, Protein – da öffnet sich der Assoziationsraum Richtung rohe Eier, das gibt ordentlich Tinte auf den Füller. Einfach nur, weil man das richtige Brot isst. Geil!
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Im sogenannten Mopro-Segment (Molkereiprodukte) erkennt man die Eiweißbomben übrigens an ihrer schwarzen Verpackung, das soll wohl irgendwie männlich wirken. Den Marktforschern der GfK zufolge hat sich der Umsatz mit High-Protein-Produkten in Kategorien wie Quark und Joghurt zwischen 2016 und 2020 verfünffacht. Was auch daran liegt, dass High-Protein-Produkte gern mal das Dreifache im Vergleich zur Normalvariante kosten.
Bloß, bringt das was? Nö, sagen übereinstimmend die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Foodwatch, die Krankenkasse IKK und Bild der Frau. Fast alle Deutschen nehmen mehr als genügend Proteine über die normale Nahrung auf, und damit aus dem Mehr an Proteinen auch ein Mehr an Muskeln wird, müsste noch ein Mehr an Training dazukommen, also: mehrere Stunden am Tag. Das überschüssige Protein wird verbrannt, kann auch ansetzen und/oder die Nieren belasten. Dass Proteinprodukte meist hoch verarbeitete Lebensmittel sind, macht sie auch nicht gesünder.
Die Leute kaufen es trotzdem. Denn die Hoffnung, dass sich ungesunde Ernährung einfach über das Hinzufügen oder Weglassen von einzelnen Inhaltsstoffen lösen lässt, ist einfach zu groß. Ich kann’s ja auch verstehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml