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Folgen des hohen CO2-PreisesKohlestrom immer weniger gefragt

So langsam tut sich was: Deutschland verstromt weniger Kohle. Dafür haben Gaskraftwerke wieder eine Chance – und die Erneuerbaren sowieso.

Gut Nachrichten für die Fridays-For-Future-Demos: Kohle will kaum noch jemand Foto: dpa

Freiburg taz | In Deutschland wird weniger Kohle verstromt: Von Januar bis Ende Mai lag die Nettostromerzeugung aus Braunkohle um 17 Prozent unter dem Vorjahreswert, die Steinkohle blieb 22 Prozent im Minus. Diese Zahlen veröffentlichte das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE).

Sowohl die Stein- als auch die Braunkohlekraftwerke erzeugten von März bis Mai so wenig Strom wie nie zuvor in einem Monat im gesamten bisherigen Jahrzehnt. So wurde zeitweise mehr Strom aus Erneuerbaren erzeugt als aus fossilen Quellen.

Im März hatten sie bei den Kraftwerken der öffentlichen Stromversorgung einen Anteil von 54,7 Prozent. Im Gesamtjahr liegt er bisher bei 47 Prozent.

Der Absturz der Kohle hat mehrere Gründe. So legte der Windstrom im bisherigen Jahresverlauf gegenüber dem Vorjahr um fast 19 Prozent zu – wegen der guten Windverhältnisse, aber auch weil weitere Anlagen entstanden.

Die Exportbilanz ist nicht mehr so einseitig

Auch im europäischen Stromhandel haben sich die Relationen verschoben: Deutschlands Kohlekraftwerke haben in den letzten Wochen immer weniger Strom für die Nachbarländer produziert. Im Mai kam Deutschland erstmals seit 2014 wieder auf eine weitgehend ausgeglichene Bilanz beim Stromexport.

Die Entwicklung ist durchaus markant, denn zuletzt hatte Deutschland stets enorme Exportüberschüsse erzielt; in manchen Monaten gingen Strommengen ins Ausland, die etwa der Erzeugung aller deutschen Atomkraftwerke oder auch der Steinkohlekraftwerke entsprachen. So flossen allein im Januar noch sieben Milliarden Kilowattstunden aus Deutschland ins Ausland. In den ersten vier Monaten belief sich der Saldo auf 20 Milliarden.

Auch die guten Windverhältnisse und neue Windanlagen haben geholfen

Plötzlich aber scheint das Ausland kein Interesse mehr am deutschen Kohlestrom zu haben. Einer der Gründe ist der gestiegene CO2-Preis im Emissionshandel. Zwischen 24 und 27 Euro pro Tonne wurden in den letzten Wochen fällig, im Frühjahr 2018 lag der Preis noch bei der Hälfte. Da Kohlekraftwerke pro Kilowattstunde deutlich mehr CO2 erzeugen als Gaskraftwerke, verschiebt ein steigender Preis die Relationen zugunsten des Erdgases. Die Entwicklung bestätigt, was Ökonomen in der Vergangenheit immer wieder betont hatten: Bei Preisen zwischen 20 und 30 Euro pro Tonne CO2 setzt eine erste spürbare Verlagerung von Kohle zu Gas ein.

CO2-Emissionen der Stromwirtschaft

Das zeigt sich nun speziell an der Grenze zu den Niederlanden, die über große Kapazitäten an Gaskraftwerken verfügen. In manchen Monaten der letzten Jahre bezogen die Niederlande mehr als zwei Milliarden Kilowattstunden aus Deutschland, weil der deutsche Kohlestrom günstiger war als der eigene Strom aus Erdgas. Das wendet sich nun, im Mai blieb nur noch ein geringer Stromexportüberschuss in die Niederlande.

Neben dem CO2-Preis tragen auch die Gaspreise zu der Entwicklung bei. Am Spotmarkt ist Erdgas in den letzten Wochen spürbar billiger geworden, weil die Speicher nach dem milden Winter erheblich voller sind als sonst zum Beginn des Sommers. Im Frühjahr erzeugten deutsche Gaskraftwerke daher deutlich mehr Strom als im Vorjahreszeitraum, in diesem Jahr liegt das Erdgas bislang 10 Prozent im Plus. Die CO2-Emissionen der deutschen Stromwirtschaft waren damit bis Ende Mai 16 Prozent niedriger als im gleichen Zeitraum 2018.

Zwei Dinge zeigt diese Entwicklung: erstens die Wirksamkeit der CO2-Bepreisung, die den Markt bereits bei sehr bescheidenen Tonnage-Preisen in Richtung klimafreundlicherer Brennstoffe verschiebt.

Und zweitens könnte die jüngste Entwicklung helfen, die Debatte über Stromexporte zu versachlichen. Denn sie zeigt: Wenn ein Land Strom importiert, heißt das noch lange nicht, dass es den Strom nicht selbst erzeugen kann. Wenn es exportiert, heißt es genauso wenig, dass es den Strom nicht selbst verbrauchen kann. Import- und Exportmengen sind vor allem durch die Strombörsen getrieben. Und die hängen eben an vielen Faktoren.

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7 Kommentare

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  • Ich bin mal gespannt, was sich dann noch entwickeln wird bei der Solarenergie. Leider gibt es wenige aktuelle Zahlen.

  • Im Text ist von 20-30€ pro Tonne an CO2-Emissionen die Rede. Von Seiten Fridays for future wird von notwendigen 180€ pro Tonne an CO2-Emissionen gesprochen, um eine entsprechende (notwendige) massive Reduzierung der CO2-Emissionen bewirken zu können.

    • @Uranus:

      Die angesprochene 180€ je Tonne die von Fridays for Future genannt werden sind die tatsächlich für die Kompensation aller durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehenden Schäden für die Gesellschaft nötigen Gelder. Die 20-30€ hingegen sind der Betrag bei dem zumindest mal der Strommarkt in Bewegung kommt.

  • Dieser positive Trend zeigt nur zu schön, daß die protestierenden Schüler völlig realistische Vorderungen stellen. Sie haben die Studien der Klimawissenschaftler studiert und verstanden.



    Im Bereich Verkehr und Ernährung sieht der Trend eher mau aus. Auch hier stellen die Schüler völlig realistische Vorderungen: Von CO2- Besteuerung, biologische Landwirtschaft bis vegane Ernährung.



    Die Schüler haben schnell gelernt. Wir Erwachsene sollten uns ein Beispiel nehmen und diese junge Bewegung mit allen Kräften unterstützen.

    • @Traverso:

      Dem schließe ich mich an. :)

      • @Uranus:

        Hallo an Alle. ;-)



        So ein wenig wundere ich mich schon. Da gehen Gaskraftwerke ans Netz und Alle klatschen mit den Händen. Die Gaskraftwerke erzeugen genauso CO2, sicherlich weniger als ein Kohlekraftwerk aber es erzeugt eben auc CO2. Das ist es dann, ja? Was denkt Ihr was nach der Kohle kommt? Wir machen uns mit den Gaskraftwerken in 3/4 des Jahren von Gaslieferanten wie Rußland und den USA abhängig. Wir brauchen aber eine konstante Stromerzeugung um das Netz stabil zu halten. Fällt die Einspeißung deutlich unter 50 Herz dann bricht das Netz zusammen. Aufgrund der Vernetzung mit unseren Ländernachbarn würde die das dann auch treffen. Alles dunkel.....herzlichen Glückwunsch.

        Der Russe, die Amerikaner auch die Asiaten klatschen in die Hände und kommen vor lachen nicht in den Schlaf.

        Kohlestrom und Gasstrom sind endliche Sachen. Was ist denn nun die Alternative? Momentan bleibt ohne Vernünftige Stromspeicher nur Atomkraft.....die will auch keiner.

        Da wir gerade bei dem Thema sind....niemand will einen Windpark in seiner Nähe haben oder Quadratkilometer große Feld- und Waldflächen für Sonnenstrom zur Verfügung stellen.....Stromtrassen sollen weder über der Erde noch unter der Erde geführt werden....Kohle ist auc schlecht...Atom keine wirkliche Alternative (Was macen wir denn in 40 Jahren mit den Brennstäben).

        Aber Alle wollen Ihre Smartphones am Abend laden, das Fernseprogramm genießen und die Klimaanlage an heißen Abenden anstellen.

        Wie soll es denn funktionieren?

        • @Nur mal so angedacht:

          Da haben Sie wohl etwas falsch verstanden. Ich befürworte keine Gaskraftwerke. Andererseits hat sich gezeigt, dass AKWs (wie KohleKWs) nicht flexibel genug sind und mit der schwankenden Stromerzeugung aus Wind und Sonne nicht kompatibel sind (abgesehen davon, dass sie aus ökologischen Gründen abzulehnen sind).



          Generell muss die Nutzung fossiler Energieträger gestoppt werden, wenn die Klimakrise und damit die katastrophalen Folgen für Mensch und Tier verhindert werden sollen. Stellschrauben für eine Reduzierung sind die Umstellung auf regenerative Energieerzeugung sowie eine Reduzierung des Verbrauchs. Das muss politisch und strukturell angegangen werden. Auch jeder Mensch ist meines Erachtens aufgefordert, den eigenen Energieverbrauch, Konsum und ökologischen Fußabdruck zu überdenken und enstprechend das Verhalten anzupassen - angefangen bei der Abschaffung der Klimaanlage, dem Ablehnen des Kaufes eines neuen Smartphones ...