Folgen des Lockdowns in China: Expats raus, Inländer rein
Chinesen dürfen ihr Land kaum verlassen, während immer mehr Ausländer der Volksrepublik frustriert den Rücken kehren.
Damit meint sie Chinas Lockdown-Politik in der Coronapandemie. Während der Rest der Welt allmählich seine Pforten öffnet, macht das Reich der Mitte weiter zu: In Shanghai sitzen Millionen Bewohner seit über anderthalb Monaten in ihren Wohnungen gefangen. Nun droht in Peking ein ähnliches Schicksal. Es kam deshalb schon zu Panikkäufen.
Insbesondere für Familien wie die von Eschbach ist die derzeitige Situation eine extreme Belastung. Wegen der Grenzschließungen konnte die gebürtige Tübingerin schon bei zwei Todesfällen in ihrer Familie in Deutschland nicht zur Beerdigung reisen.
Vor allem die Ereignisse in Shanghai gaben bei ihr den Ausschlag: Zu Beginn des anhaltenden Lockdowns wurden infizierte Kleinkinder unter Zwang von ihren Eltern getrennt und auf unbestimmte Zeit in Quarantänespitäler abgeführt.
China verlassen, um „meine Freiheit“ zurückzubekommen
„Als ich die Bilder sah, wollte ich nur noch ins nächste Flugzeug springen“, sagt Eschbach. Dass sie in Deutschland wieder von null anfangen muss, hält sie nicht von ihrem Umzug ab: „Ich bin bereit, das Risiko einzugehen – um meine Freiheit wiederzuhaben.“
Mit dieser Entscheidung steht sie nicht allein da. Eine am Donnerstag erschienene Blitzumfrage der deutschen Handelskammer bestätigt den Exodus der Expats. 28 Prozent der befragten Firmen gaben an, dass ausländische Mitarbeiter derzeit beabsichtigen, China zu verlassen. Ein Drittel davon möchte das sogar noch vor Ende des Arbeitsvertrags tun.
„Der Grund ist klar: die aktuelle Covid-Politik“, sagt Kammerpräsident Jens Hildebrandt. Persönliche Treffen seien in Peking längst schwierig: Die Büros sind geschlossen, Restaurants und Cafés auch.
Ausgereiste internationale Mitarbeiter „kaum zu ersetzen“
Daten zum Vergleich mit vor der Pandemie kann die Kammer nicht liefern, auch gibt es nur Schätzungen zur Zahl in China lebender Deutscher. Doch für die Unternehmen sind die Entwicklungen alarmierend: „Es wird absolut schwer, die internationalen Mitarbeiter unter den jetzigen Gegebenheiten zu ersetzen“, sagt Hildebrandt.
Visa würden zwar inzwischen wieder ausgestellt, doch gebe es kaum noch qualifiziertes Personal, das sich trotz fürstlicher Löhne und komfortabler Extras nach China entsenden lassen will.
Vielmehr tauschen sich Expats in WeChat-Gruppen über Ausreisemöglichkeiten aus. Letzte Woche verließ der Vizedirektor einer internationalen Schule geradezu fluchtartig Peking – ohne Personal oder Schüler vorher zu informieren. Offenbar wollte er eine Strafzahlung wegen Vertragsbruchs vermeiden.
„Meine Familie kommt zuerst. Ich risikiere nicht, dass wir im Fall einer Quarantäne getrennt werden“, erklärte er später in sozialen Medien.
Zeitgleich hat Chinas Regierung inzwischen für ihre Staatsbürger eine De-facto-Ausreisesperre verhängt. Schon zuvor war es in der Pandemie fast unmöglich geworden, einen abgelaufenen Reisepass erneuert zu bekommen.
Keine Besserung in Sicht: Fußballturnier für 2023 abgesagt
Nun dürfen Chinesen offiziell nur noch mit „essenziellem“ Grund das Land verlassen. Etliche klagen, ihre Pässe seien nach ihrer Rückkehr in die Volksrepublik von Grenzbeamten zerrissen worden.
Begründet wird die faktische Ausreisesperre mit Pandemieschutz. Doch ist sie Teil einer alarmierenderen Entwicklung: Die Regierung unter Xi Jinping versucht, die internationalen Verbindungen urbaner Bevölkerungsschichten zu trennen.
Dass es so bald keine Öffnung des Landes geben wird, zeigt auch Pekings am Wochenende bekannt gewordene Absage der nächsten Asien-Fußballmeisterschaft. Für das im Juli 2023 geplante Turnier waren im ganzen Land bereits zehn neue Stadien gebaut worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren