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Folgen des 9-Euro-TicketsAngst vor der Bollerwagen-Invasion

Im Metronom gilt ein weitreichendes Verbot für die Fahrradmitnahme. Besu­che­r des Hurricane-Festivals dürfen nun auch keine Bollerwagen mitnehmen.

Kostet viel Platz: Mitnahme von Fahrrädern im Metronom Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Spätestens ab Freitagvormittag steht das niedersächsische Bahnunternehmen Metronom vorm größten Stresstest seit Start des bundesweiten Neun-Euro-Tickets: In Scheeßel (Kreis Rotenburg/Wümme) startet dann das Rock-Festival Hurricane. Täglich 78.000 Be­su­che­r:in­nen werden erwartet.

Doch wer zur Anfahrt den Metronom nutzen will, muss auf den Bollerwagen als Transporthilfsmittel von Zelten, Alkohol oder der Erbsensuppe aus der Dose verzichten. Nachdem der Metronom jüngst auch schon die Mitnahme von Fahrrädern teilweise untersagt hatte, gilt das nun auch für weitere Transportmittel. „Angesichts der nach wie vor hohen Auslastung der Züge schließen wir die Mitnahme von Bollerwagen von Donnerstag bis Montag in allen Zügen kategorisch aus“, teilte das Unternehmen mit.

Schon das vom Metronom vergangene Woche angekündigte Verbot der Mitnahme von Fahrrädern sorgte bei Fahr­gast­ver­tre­te­r:in­nen für Unmut. Auf allen Strecken des Metronoms dürfen Fahrgäste von Freitagnachmittag bis Sonntagabend kein Fahrrad mehr mitnehmen. Auf der Strecke zwischen Hamburg und Uelzen ist es vorerst gar durchgehend untersagt.

„Über Pfingsten hatten wir die Fahrradmitnahme bereits eingeschränkt, da die Züge zum Teil so voll waren, dass in Einzelfällen selbst Fahrgäste nicht mehr mitgenommen werden konnten“, sagt eine Sprecherin. „Wir ziehen jetzt die Konsequenzen und schaffen von vornherein eine klare Regelung.“

Verkehrsclub fordert mehr und längere Züge

Der Verkehrsclub VCD kritisiert diese Entscheidung. „Für Menschen, die ohne Auto mobil sind, ist die Fahrradmitnahme ein wichtiger Teil der eigenen Mobilität“, sagt Jens Deye vom VCD Nord. Dass es zu überfüllten Zügen kommt, zeige, wie hoch die Nachfrage nach einem entsprechenden Angebot ist. Mehr und längere Züge könnten Abhilfe schaffen.

Besonders die Strecke zwischen Hamburg und Uelzen über Lüneburg entwickelt sich nun zu einem Nadelöhr im norddeutschen Bahnverkehr. Am Montag hat die DB Netz AG mit umfangreichen Sanierungsmaßnahmen entlang der Strecke begonnen. Die Arbeiten sind in mehrere zeitliche Abschnitte unterteilt und sollen erst Ende September abgeschlossen werden. Der Metronom kann deshalb während der Hauptverkehrszeit statt den bislang vier Verbindungen je Richtung nur noch eine Verbindung anbieten. Ein Schienenersatzverkehr soll Abhilfe schaffen.

Die Situation ist sogar am Wochenende angespannt: Wer etwa am vergangenen Samstagvormittag mit dem Metronom von Hamburg nach Lüneburg wollte, musste sich über die Menschenmenge am Hamburger Hauptbahnhof wundern. Hunderte Menschen standen schon vor 10 Uhr am Bahnsteig. Am Ende passten trotzdem alle in den Regionalzug – allerdings ohne Fahrräder. Die durften, darauf wies auch schon die Anzeige in der App hin, natürlich nicht mitfahren. Der Zug fuhr mit zehn Minuten Verspätung los und kam mit einer halben Stunde Verspätung in Lüneburg an.

Das Zusammenfallen von vermehrten Fahrgastzahlen durch das Neun-Euro-Ticket und die Sanierungsarbeiten entlang dieser wichtigen Bahnstrecke sorgt beim Fahrgastverband Pro Bahn für Unverständnis. „Das ist eine äußerst blöde Situation, über die im Vorfeld bei den Zuständigen offenbar nicht intensiv genug nachgedacht wurde“, sagt Malte Diehl, Vorsitzender von Pro Bahn Niedersachsen/Bremen.

Überfüllte Züge vor allem am Wochenende

Zugleich zeigt sich Diehl hinsichtlich der Beeinträchtigung für Pend­le­r:in­nen entspannter. „Viele haben ohnehin schon auf das Klapprad gewechselt“, sagt er über die Pendler:innen, die von den Bahnhöfen noch weiter zur Arbeitsstätte fahren müssen. Diese dürfen schließlich auch jetzt weiterhin mitgenommen werden.

Das Mitnahmeverbot ist darüber hinaus vielen Pend­le­r:in­nen in Hamburg, aber etwa auch in Hannover, nichts Unbekanntes: So ist sowohl im Hamburger als auch im Hannoverschen Nahverkehr die Fahrradmitnahme in Stoßzeiten untersagt. Zwischen 6 und 9 Uhr sowie am Nachmittag zwischen 16 und 18 Uhr gilt das in Hamburg. In Hannover gilt das Verbot gar den gesamten Nachmittag von 15 bis 19 Uhr.

Hinzu vermelden die Bahnunternehmen vor allem an den Wochenenden durch Ausflugstouristen überfüllte Züge – weniger an den Werktagen. Sowohl der Metronom als auch die Deutsche Bahn warnt Reisende davor, dass es an den Wochenenden entlang touristischer Strecken voll werde. Es sei besser, auf weniger nachgefragte Strecken auszuweichen.

Für die Be­su­che­r:in­nen des Hurricane-Festivals wird das jedoch kaum möglich sein. Der Metronom erwartet trotz Bollerwagenverbot überfüllte Züge auf den Strecken nach Scheeßel – und appelliert auf Rücksichtnahme der Anreisenden.

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2 Kommentare

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  • Bauarbieten bei DB Netz werden teil mit einem Vorlauf von 18-24 Monaten und mehr geplant. Das 9-Euro-Ticket war da noch nicht in der Diskussion. - das muss auch so lange vorher geplant werden, damit eben nicht spontan auffällt, dass da eine Schiene gesperrt ist und die Umleitung über Osnabrück und Bremen leider 2 Stunden länger ist :-)

    Fahrräder in der Bahn ist eine schöne Sache - allerdings meist nur für den Fahrradfahrer.



    In der Kölner Strassenbahn versperren die Dinger den Weg zum Ausgang und verschmutzen die Hosen der Leute, die drüber steigen. Zudem sind es gern junde Leute (Studenten) die beim ersten Regentropfen leider nicht mehr von der Sporthochschule zum Zülpicher Platz fahren können.



    Das muss anders geregelt sein - vielleicht mit leeren Wagen, ohne Sitze, mit Stangen zum Befestigen der Räder. Da kann der Radfahrer nix für, aber ich noch weniger...

    • @Tz-B:

      Die Züge des Metronom haben bereits Fahrradwagen ohne Sitze, bei acht Wagen sind es oft sogar zwei. Diese sind dann aber an Sommerwochenden trotzdem komplett überfüllt.

      Das Problem auf der Strecke von Hamburg nach Uelzen (und weiter nach Hannover mit Umsteigemöglichkeiten Richtung Magdeburg/Berlin und Bremen) liegt wesentlich tiefer: Selbst vier Züge in der Stunde sind für die alltäglichen Pendlerbewegungen schon zu wenig, weil die schiere Zahl der Fahrgäste und die Konkurrenznutzung durch Fern- und Güterverkehr die Strecken und insbesondere die Knoten hoffnungslos überlastet. Am Wochenende wird es sich nach den Ferien im September deutlich entspannen, für die Pendler wird die Situation bis zum Ende der Bauarbeiten untragbar bleiben und auch darüber hinaus nicht gut werden ohne einen massiven Kapazitätsausbau im Schienenverkehr.