Folgen der Neonazi-Blockade in Dresden: Linksparlamentarier nicht mehr immun

Weil sie einen Neonaziaufmarsch in Dresden blockierten, verlieren die Linken-Bundestagsabgeordneten Caren Lay und Michael Leutert ihre Immunität.

Im Fokus der Staatsanwaltschaft: Linken-Bundesgeschäftsführerin Caren Lay. Bild: dpa

BERLIN taz | Freie Bahn für die Dresdner Staatsanwaltschaft: Am Donnerstag hat der zuständige Bundestagsausschuss die Immunität der Bundesgeschäftsführerin der Linkspartei, Caren Lay, und des Abgeordneten Michael Leutert aufgehoben. Damit sind diese als Parlamentarier nicht mehr vor Ermittlungen und Strafverfolgung der Staatsanwaltschaft geschützt.

Lay und Leutert droht nun eine Strafe wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, weil sie sich an einer Blockade gegen den Neonaziaufmarsch in Dresden im Februar 2011 beteiligten. Diese fand am Rande der Gegendemonstration des Bündnisses Dresden Nazifrei statt, mit dem verschiedenste Initiativen dem jährlichen Neonaziaufmarsch am Tag der Bombardierung Dresdens im zweiten Weltkrieg entgegentreten.

Lay sieht die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft als ungerechtfertigt an: "Diese Maßnahmen sind vollkommen übertrieben und dienen lediglich dazu, ein politisches Exempel zu statuieren."

Vor der Abstimmung wollten die beiden Abgeordneten den Ausschussmitgliedern darlegen, dass die Maßnahmen juristisch nicht vertretbar seien. Sie beriefen sich auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das zu dem Schluss kam, dass die Strafverfolgung der Blockadeteilnehmer rechtswidrig sei. Das wird damit begründet, dass das sächsische Versammlungsgesetz wegen eines Formfehlers zwischen Januar 2010 und April 2011 nicht gültig war, und das Bundesgesetzfür die Demonstrierenden ebenfalls nicht anwendbar sei.

Zweifel an Rechtsgrundlage

Letztere Auffassung teilen die Staatsanwaltschaft Dresden wie auch der Immunitätsausschuss nicht, die Abgeordneten durften nicht vorsprechen. Volker Beck, Ausschussmitglied der Grünen kritisierte das: "Der Wissenschaftliche Dienst bezweifelt, dass es zum Zeitpunkt der Tatenüberhaupt eine Rechtsgrundlage für die Strafverfahren gab." Er stimmte deshalb dem anschließenden Antrag der Linksfraktion zur Beibehaltung der Immunität zu. Doch mit SPD, FDP und CDU lehnte die Mehrheit ab, sodass die Staatsanwälte nun ermitteln können.

Generell könne man nicht manche Blockierer verfolgen und Bundestagsabgeordnete davon ausnehmen, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft zut taz. Das Strafmaß gegen Lay und Leutert sei noch nicht absehbar. Im Zusammenhang mit der Blockade ermittelt die Staatsanwaltschaft insgesamt gegen rund 200 Teilnehmer, darunter befanden sich auch einige Landtags- und Bundestagsabgeordnete verschiedener Parteien.

Antrag auf Aufhebung der Immunität stellte die Staatsanwaltschaft allerdings nur bei drei Linksparteimitgliedern, da die anderen Politiker nach Angaben der Staatsanwaltschaft um die 500 Euro zahlten, damit das Verfahren eingestellt wird. Das sei keine Alternative, so Lay: "Ich fühle mich im Recht, ich verbreche nichts, wenn ich mich friedlich gegen Rechtsextremismus engagiere."

Im Zusammenhang mit einer Blockade bei der Demonstration im Jahr 2010 verloren bereits vier Landtagsfraktionschefs der Linkspartei ihre Immunität: Zuletzt die Hessen Willi van Oyen und Janine Wissler im Januar, im vergangenen Jahr traf es André Hahn in Sachsen und den Thüringischen Fraktionschef Bodo Ramelow.

Vor diesem Hintergrund appellierte der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Gregor Gysi in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien im Bundestag, die Immunität der Abgeordneten müsse erhalten bleiben: "Ich denke, dass dies unserem Engagement gegen Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus entspricht. Gleichzeit wäre es ein wichtiges Signal in die Gesellschaft und in die Justiz hinein."

Umstrittenes Timing

Pikant ist der Zeitpunkt, zu dem die Staatsanwaltschaft die Anträge zur Aufhebung der Immunität der beiden Bundestagsabgeordneten stellt: Für den 13. Februar, den Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten im Jahr 1945, plant das Bündnis Dresden Nazifrei wieder eine große Gegendemonstration, wie in den letzten beiden Jahren soll eine Blockade den Naziaufmarsch verhindern. Die Staatsanwaltschaft bezeichnet den Zeitpunkt für die Anträge als normalen Gang der Dinge.

"Die Anträge der Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt sind nichts weiter als der Versuch, Abgeordnete vor der Demonstration nächste Woche einzuschüchtern", sagt hingegen Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen im Bundestag. Sie, die selbst aus Sachsen stammt und jährlich an den Gegendemonstrationen teilnimmt, hält das Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen die Blockadeteilnehmer für "vollkommen übertrieben und eine bewusste Kriminalisierung des friedlichen Protests".

Sie schäme sich momentan permanent für die Sicherheitsbehörden ihres Landes. "Sie scheinen offenbar etwas besseres zu tun zu haben als effektiv gegen rechte Kriminalität zu ermitteln", sagte Lazar in Anspielung auf die Versäumnisse im Zusammenhang mit den rechtsextremen Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.