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Folgen aus Hamburgs Klima-EntscheidDie Stadtbahn hat wieder Chancen

Im Gutachten zum Klima-Volksentscheid ist die Straßenbahn kein Thema. Das bedeute aber keine inhaltliche Ablehnung, sagen die Verfasser.

Wo schon Busse auf eigener Spur fahren, könnte die Straßenbahn mehr Fahrgäste ans Ziel bringen, so wie hier zur Uni-Hamburg Foto: Marcus Brandt/dpa
Kaija Kutter

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Kaija Kutter aus Hamburg

Damit Hamburg schon 2040 klimaneutral wird, muss es irgendwie die 1,8 Millionen Tonnen CO2 loswerden, die die Stadt laut einem Gutachten der Umweltbehörde dann noch produziert. Doch obwohl der Verkehr diesem Szenario zufolge mit rund 600.000 Tonnen der größte CO2-Verursacher ist und mehr als doppelt so viel wie Heizungen oder die Industrie ausstößt, findet sich in dem Gutachten kein Wort über die klimafreundliche Straßenbahn.

Zwar schreiben die Autoren, der Umstieg vom Auto auf Rad, Bus und Bahn, sei der „zweite bedeutende Hebel zur Emissionsminderung“ neben dem Plan, alle Autos elektrisch fahren zu lassen. Und sie deuten an, dass der geplante Ausbau von U- und S-Bahnen für die Klimawende „wenig Beschleunigungspotential“ hat. Das frühere Erreichen der Klimaziele erfordere daher eine Taktverdichtung der bestehenden Infrastruktur und Angebotsverbesserungen im Busverkehr.

Gut passen würde an diese Stelle des 50-Seiten-Papiers, das das Hamburg Institut für die Behörde erstellte, die Überlegung, die Stadtbahn einzuführen. Denn dafür lägen fertige Pläne vor, wie Norbert Holtz von den Naturfreunden sagt.

„Angesicht der Allergie des Senats gegen die Straßenbahn bin ich sicher, dass die Gut­ach­te­r*in­nen die Straßenbahn nicht erwähnen durften“, sagt die Verkehrspolitikerin Heike Sudmann (Die Linke). Denn für die im Gutachten geforderte Umverteilung des Verkehrs wäre die Straßenbahn „genau das richtige Mittel“.

Ohne Rücksprache mit der Behörde

Direkt gefragt, ob die Gutachter die Tram nicht erwähnen durften, erklärt ein Sprecher der Umweltbehörde: „Auf die Inhalte des Gutachtens hat die Behörde keinerlei Einfluss genommen.“ Die Vorschläge seien ohne Rücksprache mit der Behörde in das Papier eingeflossen.

Der Geschäftsführer des Hamburg Instituts, Matthias Sandrock, sagt aber schon, die Stadtbahn sei nicht berücksichtigt, da man sich eng an der derzeit gültigen Mobilitätsstrategie der Stadt orientierte. „Die Entscheidung, die Stadtbahn nicht zu betrachten, basiert somit nicht auf einer inhaltlichen Ablehnung durch uns, sondern auf dem Rahmen des Untersuchungsauftrags, der sich auf die bestehenden strategischen Planungen der Stadt stützt.“

Für eine vorgezogene Klimaneutralität sehe das Gutachten verschiedene Instrumente und Maßnahmen vor, sagt Sandrock. Er gehe davon aus, dass die Behörde dieses Set vor dem Hintergrund des erfolgreichen Volksentscheids weiter ausdifferenzieren und im Detail prüfen werde. „Möglicherweise umfasst dies auch eine erneute Debatte zum Thema Stadtbahn“, sagt Sandrock. Die stehe ja seit Dekaden „immer wieder auf der Tagesordnung der Hamburger Verkehrspolitik“.

Die Gegner einer Stadtbahn weisen stets auf den drohenden Unmut des Volkes hin. Es sei schon mal eine Initiative gegen die Straßenbahn erfolgreich gewesen, sagt SPD-Politiker Ole Buschhüter. „Das prägt seither die Politik.“

Und CDU-Fraktions-Chef Dennis Thering erklärt, er halte die Stadtbahn „nicht für den richtigen Weg“, seien doch entsprechende Pläne auf Widerstand der Bevölkerung vor Ort gestoßen. Stattdessen setze man auf den Bau der U5 und weitere U-Bahn-Verlängerungen. Thering, der den Klima-Entscheid sehr kritisch sieht, stellt aber zugleich die Frage, wie der Bau solcher Großprojekte jetzt überhaupt noch möglich sein soll, ohne an den Klima-Vorgaben zu scheitern.

Gegner der Stadtbahn weisen stets auf den drohenden Unmut des Volkes hin

Für Heike Sudmann ist die Straßenbahn genau deshalb im Kommen, da sie beim Bau weniger klimaschädlich als eine U-Bahn ist. „Bei der U5 werden für den nötigen Tunnelbau sehr große Mengen an CO2 freigesetzt“, sagt die Linke. „Im letzten Jahr waren das über 800.000 Tonnen für einen kurzen Abschnitt.“ Die Straßenbahn fahre oberirdisch und brauche keinen Tunnel. „Durch den Zukunftsentscheid steigen die Chancen für eine Straßenbahn in Hamburg“, sagt Sudmann.

Auch die Bürgerschaftsabgeordnete Rosa Domm von den Grünen attestiert der Stadtbahn Vorteile: „Sie ist zuverlässig und emmissionsfrei.“ Sie könne zwar wegen der geringeren Kapazität keine U-Bahn ersetzen, aber eine „sinnvolle Ergänzung oder Alternative zu Buslinien sein“. Wären die Menschen vor Ort dafür, dann könnte sie „Baustein für ein klimafreundliches Hamburg sein“.

Indes mahnt Buschhüter, die Stadtbahn sei kein Teil des Koalitionsvertrags. „Sie stand auch mit dem Klimaentscheid nicht zur Abstimmung“, sagt er.

Die Volksinitiative selbst legt sich nicht fest. „Ob Hamburg jetzt eine Straßenbahn braucht oder mehr Bus-Linien und Busspuren, die sich noch schneller einrichten lassen, darüber muss man diskutieren“, sagt deren Sprecherin Annika Rittmann. „Wir haben dazu noch keine klare Stellung.“

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