Folge von Skandalen: EU will neue Bio-Regeln
Die Europäische Kommission plant eine Reform der Ökoverordnung. Die Branche soll besser kontrolliert und umweltfreundlicher werden.

BERLIN taz | Die EU-Kommission will die Gesetze für Biolebensmittel komplett überarbeiten. Ziel sei, „das Verbrauchervertrauen in Bioprodukte zu erhalten und zu verbessern“, heißt es in einem der taz vorliegenden Entwurf für die neue Ökoverordnung, den Agrarkommissar Dacian Ciolos erstellt hat. Hintergrund sind Betrugsskandale und Fehlentwicklungen in der Branche, die ihrem Image als umweltfreundliche Alternative zur konventionellen Konkurrenz zuwiderlaufen. Die Kommission will den Entwurf bis März intern abstimmen.
Dem Entwurf zufolge müssen Biohersteller künftig garantieren, dass in ihren Produkten höchstens so viele Pestizide wie in Babynahrung enthalten ist. Bisher ist mehr erlaubt, zum Beispiel wenn die Chemikalien unbeabsichtigt vom konventionellen Nachbarfeld herübergeweht wurden. Verboten werden soll, dass ein Biobetrieb auch herkömmliche Produkte produziert. Besonders risikoanfällige Betriebe sollen besser kontrolliert werden. Die Zeit dafür könnten die Inspekteure gewinnen, da sie unproblematische Firmen – etwa kleine Bauernhöfe – nicht mehr mindestens einmal jährlich besuchen müssten.
Um noch ökologischer zu werden, sollen Händler, Verarbeiter und andere Nicht-Erzeuger ein „Umweltmanagementsystem“ einrichten. Zudem müsse das Futter für Geflügel und Schweine in Zukunft zu mindestens 60 statt bislang 50 Prozent vom eigenen Hof oder aus dessen Region kommen.
Der Branchenverband BÖLW kritisierte, die Kommission setze falsche Prioritäten. „So liegen seit Jahren wichtige Änderungen in den Regelungen für die Ökogeflügelhaltung in Brüssel auf Eis“, sagte Vorsitzender Felix Prinz zu Löwenstein. Tatsächlich löst der Entwurf nicht das Problem, dass derzeit zum Beispiel 24.000 Legehennen unter einem Dach gehalten werden dürfen. Wenn Biobauern die Ernte jedes Feldes im Labor auf Pestizid-Einträge von Nachbarn überprüfen müssten, sei Ökolandbau nicht mehr möglich. Untersuchungen zeigten, dass Biolebensmitteln schon jetzt deutlich weniger Pestizide enthielten als konventionelle.
„Wenn die Kontrolleure nicht mehr bei allen Bauern mindestens einmal jährlich vor Ort sind, steigt das Risiko von Fehlern“, sagte Alexander Beck, Geschäftsführer der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller. Der Chef der Göttinger Kontrollstelle GfRS, Jochen Neuendorff, bemängelte, dass die Vorschläge nicht den mitunter mangelhaften Informationsaustausch zwischen den Inspekteuren verbesserten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin