Förderung von Demokratieprojekten: 500 Millionen Euro gegen rechts
Die Ampel plant ein Demokratiefördergesetz. Initiativen finden das zu unkonkret und legen einen eigenen Entwurf vor. Inklusive klarer Finanzforderung.
Was bisher zu dem Gesetzentwurf bekannt sei, sei „ernüchternd“, erklärten am Dienstag Vertreter:innen eines Bündnis von gut 60 Initiativen, die in der Demokratiearbeit aktiv sind. Geplant sei offenbar ein abstraktes Gesetz, das für die Projekte wenig ändern würde.
Grit Hanneforth vom Bundesverband Mobile Beratung mahnte, „das Demokratiefördergesetz muss halten, was es verspricht, und Projekten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus echte Perspektiven bieten“. Auch Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung betonte: „Ein klar abgestecktes und finanziell unterlegtes Demokratiefördergesetz ist auch die Ansage an den organisierten Rechtsextremismus, dass die demokratische Gesellschaft ihm die Stirn bietet.“
In dem Gesetzentwurf der Initiativen werden konkrete Demokratiegefährdungen benannt, für die das Gesetz zuständig sein solle – weit ausführlicher als im Entwurf von Faeser und Paus: Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit, Homo-und Transfeindlichkeit, Antifeminismus, Sozialdarwinismus, Behindertenfeindlichkeit, Sexismus, Klassismus und Adultismus. Aufgeführt wird auch, wer diesen Phänomene bekämpfen soll – dazu gehören die Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt, die Mobilen Beratungen gegen Rechtsextremismus, Ausstiegsprojekte und Kompetenznetzwerke, die bundesweit Demokratiefeindlichkeit bearbeiten.
Initiativen wollen bei Förderrichtlinien mitreden
Die Verbände fordern zudem, an der Erstellung und Umsetzung der Förderrichtlinien zu dem Gesetz beteiligt zu werden. „Ein gutes Gesetz kann nur unter Mitwirkung der Zivilgesellschaft entstehen“, erklärte Hanneforth. Dies werde etwa im Bereich des Kinder- und Jugendplans des Bundes bereits so praktiziert.
Und um die Arbeit der Projekte tatsächlich finanziell abzusichern, fordern die Initiativen eine konkrete Fördersumme: jährlich mindestens 500 Millionen Euro. Das wäre ein kräftiger Anstieg zur bisherigen Förderung, für die im Bundeshaushalt für das Jahr 2023 insgesamt 200 Millionen Euro eingeplant sind.
Mit dem Gesetz explizit nicht gefördert sollen nach Willen der Initiativen dagegen Präventionsprojekte, die mit einem „sicherheitsbehördlichen Verständnis“ arbeiteten. Auch politische Bildungsmaßnahmen jenseits der benannten Demokratiegefährdungen seien nicht zu berücksichtigen. Und die umstrittene Extremismusklausel, die etwa die Union fordert, enthält der Gesetzentwurf der Initiativen auch nicht. Festgehalten aber ist, dass die Träger „eine den Grund- und Menschenrechten förderliche Arbeit gewährleisten“ müssten.
„Projektitis muss aufhören“
Grit Hanneforth begründete die Notwendigkeit des Gesetztes auch mit den jüngsten Desinformationskampagnen und Angriffen auf Kommunalpolitiker:innen in jüngster Zeit. „Einmal mehr ist deutlich geworden, dass die Demokratie und die Menschen, die sich für sie einsetzen, in Gefahr sind.“ Auch Robert Kusche, Vorstand der Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt, betonte, dass es dagegen „langfristige, solidarische und professionelle Beratungsstrukturen“ brauche. Dies sei nur mit gesetzlicher Grundlage möglich. Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung forderte ebenso Planungssicherheit ein. „Die kleinteilige Projektitis muss aufhören.“
Ein Demokratiefördergesetz wird seit Jahren von zivilgesellschaftlichen Initiativen gefordert, zuletzt war es an der Union gescheitert. Die Ampel will das Gesetz nun tatsächlich umsetzen. Faeser und Paus kündigten an, dass das Gesetz bis Jahresende verabschiedet werde. Auch sie verweisen auf den zuletzt gestiegenen Hass in den Kommunen und im Internet und die Notwendigkeit langfristiger Demokratiearbeit.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?