Flüchtlingsunterkunft in Niedersachsen: IS-Video zur Abschreckung
Flüchtlinge haben schwere Vorwürfe gegen den Leiter eines Heims erhoben. Der sei aggressiv, achte keine Privatsphäre und erhebe Geldstrafen.
Er achte keine Privatsphäre und betrachte die Geflüchteten als Insekten, die er gerne zertreten würde, sagte ein Bewohner gegenüber dem NDR. Zudem verhänge die Firma Sanktionen gegen die BewohnerInnen: Eine Liste von Geldstrafen von bis zu 300 Euro hänge im Eingang.
Bestraft werde unter anderem das Trocknen von Kleidung außerhalb des Trockenraumes, das Essen außerhalb der Gemeinschaftsräume oder das Benutzen von Spielzeug in den Fluren. Eine Bewohnerin sagte, ihre Kinder hätten aus Angst seit vier Tagen das Zimmer nicht verlassen.
Frank E. räumte gegenüber dem NDR ein, sein Ton sei „manchmal etwas rau“. Das liege daran, dass er täglich mit den gleichen Fragen gelöchert werde. Als „mal wieder Thema war, zu Hause sei alles besser, da wollte ich mal veranschaulichen, was so zu Hause los ist“, gab er zu – und zeigte den Geflüchteten ein brutales Propagandavideo des IS, in dem ein Junge geköpft wird.
Die Verantwortlichen beim Landkreis Gifhorn waren, nach den Recherchen des NDR, zumindest teilweise über die Zustände informiert. Die Kreisrätin Evelin Wißmann bestätigte gegenüber dem Sender, dass die BewohnerInnen der Unterkunft sich bereits im Juli an sie gewandt hatten. Daraufhin hätte ein Gespräch zwischen E. und einem Vertreter der Ausländerbehörde stattgefunden. Nach Angaben der BewohnerInnen habe sich die Situation danach jedoch nicht verbessert, sondern verschlimmert.
Auch von den Sanktionen soll der Landkreis gewusst haben. Am 20. Juli habe ein Mitarbeiter des Landkreises an Protector Securitygeschrieben: „Gegen die Erhebung von Sanktionsgeldern bestehen – sofern es sich im verträglichen Rahmen bewegt – keine Bedenken. Die Sanktionsgelder bitte direkt von den Asylbewerbern einfordern.“ Das niedersächsische Innenministerium hat sich nun eingeschaltet und den Landkreis gebeten, den Vorwürfen nachzugehen. „Sollten sie sich bewahrheiten, handelt es sich um einen zutiefst beschämenden und verstörenden Sachverhalt“, so eine Sprecherin.
Landrat Andreas Ebel sagte zur taz, man nehme die Vorwürfe sehr ernst und führe jetzt klärende Gespräche vor Ort.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung