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Flüchtlingsunterkunft in BerlinBesetzte Schule vor der Räumung

In Berlin will die Polizei eine von Flüchtlingen besetzte Schule räumen. Sie sollen zum „freiwilligen“ Umzug bewegt werden.

Muss wohl raus: Flüchtling in der besetzten Schule. Bild: dpa

BERLIN taz | Die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße in Berlin-Kreuzberg steht vor der Räumung. Am Vormittag rückten zahlreiche Mannschaftswagen an, die Polizei ist laut eigenen Angaben mit insgesamt 900 Polizisten vor Ort. Die Beamten riegelten die Ohlauer und die Reichenberger Straße ab. Mitarbeiter des Bezirksamtes befinden sich in der Schule. Laut einem Sprecher gehen sie von Tür zu Tür, um die Bewohner davon zu überzeugen, dass sie umziehen sollen. Laut dem Abgeordneten Fabio Reinhardt (Piraten), der sich auf dem Gelände befindet, machen das die Ersten bereits.

Das grün regierte Bezirksamt verteilt dem Sprecher zufolge Handzettel, auf denen die Flüchtlinge und Roma aufgefordert werden, ihre Sachen zu packen und den Hausausweis bei sich zu führen. Der Senat habe den Bewohnern neue Unterkunftsplätze zur Verfügung gestellt, twitterte die Polizei. Sie sind in den Stadtteilen Spandau und Charlottenburg.

Laut dem Sprecher sind die Beamten vom Bezirk gebeten worden, Amtshilfe zu leisten. Wenn die Hausbewohner dem Umzug nicht freiwillig zustimmten, werde der Bezirk wahrscheinlich die Räumung veranlassen. Fabio Reinhardt twitterte aus der Schule: "Das Bezirksamt betont, dass sie weiter nur reden. Viele hier glauben daran aber nicht."

Dass es dagegen Widerstand geben wird, ist absehbar. Ein Flüchtling sagte am Dienstagmittag vor der Schule: „Wir gehen hier nicht raus.“ Das Angebot des Senats sei kein echtes Angebot, darauf würden sie sich nicht einlassen. „Wir bleiben hier.“

Mimi, eine Sprecherin der Bewohner, forderte, dass auch Presse in die Schule gelassen werden solle. Das lehnt der Bezirk ab. Laut Mimi sind auch bereits Polizisten im Haus, „um uns einzuschüchtern“. Der zuständige Stadtrat Hans Panhoff (Grüne) sagte am Vormittag am Eingang der Schule zu Journalisten, die rein wollten: „Wir brauchen hier und heute keine Presse.“

Rund 50 Unterstützer der Flüchtlinge schafften es bis Mittag vor den Eingang der Schule. Sie riefen „Kein Mensch ist illegal“ und „Die Häuser denen, die drin wohnen“. Die Polizei forderte sie auf, den Eingangsbereich zu verlassen. Etwa 25 Personen ließen sich daraufhin für eine Sitzblockade auf dem Boden nieder, sie wurden nacheinander weggetragen. Die Polizei nahm ihre Personalien auf.

Mehrere hundert Unterstützer fanden sich zudem jeweils vor den Absperrungen ein. Ein Gitter wurde kurzzeitig umgerissen. Daraufhin schlossen Beamte die Lücke.

In dem Schulgebäude leben seit Dezember 2012 rund 200 Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen. Es gibt nur wenige Toiletten und nur eine Dusche. Unter den Bewohnern kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Polizei musste schon zu mehr als 100 Einsätzen ausrücken. Ende April wurde ein 29-jähriger Marokkaner von einem Mitbewohner erstochen.

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19 Kommentare

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  • Da viele Menschen schon umgezogen sind, könnten doch die übrig gebliebenen solange bleiben, bis das vorgeschlagene Projekt wirklich real wird. Schließlich soll es um die Flüchtlinge gehen. Warum auf einmal so eine Eile?

  • Frau Sommer ich bin anderer Meinung als Sie.

  • der senat von berlin ginge nicht davon tod, würden den flüchtlingen/asylsuchenden+arbeitsmigrantinnen aufenthaltstitel (mitsamt arbeitserlaubnis) erteilt, bis 1. der ganze DÜ-quatsch abgeschafft und 2. die konvention zum schutz der wanderarbeiter ratifiziert und umgesetzt ist. wieviele danach noch auf unterbringung und finanzielle hilfe angewiesen wären, würde sich zeigen - ich schätze mal, allzuviele wären es nicht.

    wer meint, das ginge aber nicht, dem sei ein abenteuerurlaub in sudan oder eritrea anempfohlen.

    • @christine rölke-sommer:

      Nicht alle Flüchtlinge aus Afrika stammen aus dem Sudan oder aus Eritrea. Nicht überall in Afrika wird gefoltert, Menschen verfolgt und nicht überall ist Krieg.

      Wer aber ohne Asylgrund nach Deutschland kommt, hat dann natürlich schlechte Karten.

      Hätten der Senat den Leuten vom Oranienplatz oder jetzt denen in der Schule irgendwelche Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis gegeben wären von überall aus Deutschland und Europa noch mehr Flüchtlinge nach Berlin gekommen.

      Was man rein menschlich verstehen und nach vollziehen kann.

      • @mrf:

        ich schrieb nicht grundlos "flüchtlingen/asylsuchenden+arbeitsmigrantinnen"

        und verwies auch nicht grundlos auf DÜ und konvention zum schutz der wanderarbeiter!

        und was ohne asylgrund ist - das ist ein sehr weites feld. das lassen wir jetzt mal besser auf sich beruhen....

         

        was ich schrieb läuft darauf hinaus, dass die europäische asyl+flüchtlings+migrationspolitik dringend geändert gehört. bis das geschehen ist, sollte den leutz der aufenthalt so ermöglicht werden, dass sie eine chance haben, die füsse auf den boden zu kriegen. sei es arbeitend oder weiterwandernd (man macht sich keine vorstellung darüber, wie viele garnicht in 'schland bleiben wollen!)

        traute Berlin sich, dem bundesinnenfriedrich die pistole auf die brust zu setzen, dann würden andere dem beispiel folgen (beispiel: lampedusa-flüchtlinge in HH). wozu sitzt denn die alte tante spd in der gro-ko? zum männchen machen? oder vielleicht auch mal dazu, die europa-weite (arbeitnehmer-)freizügigkeit für alle nach GFK anerkannten flüchtlinge durchzusetzen?

        • @christine rölke-sommer:

          Bitte wo liegt Schland? Warscheinlich habe ich noch eine alte Karte.

          • @Leserin1:

            zur zeit liegt 'schland in der WM.

  • @H. Johnson: Genau so ist es. Mir geht es langsam auf den Geist, so viele Pseudoflüchtlinge auf Staatskosten zu bespaßen.

  • Das alles zeigt doch nur wieder, dass solche illegalen Besetzungen grundsätzlich UMGEHEND aufgelöst werden müssen. Eine Räumung nach Jahren wird immer Protest hervorrufen.

     

    Aber Berlin hat mit seiner laschen Politik da wirklich selbst Schuld.

     

    Im Übrigen ist Horst Johnson zuzustimmen, wobei Menschen, die teilweise sehr viel Geld dafür bezahlen, sich von zwielichtigen Schleppern nach Europa bringen zu lassen, logischerweise Angst um ihre riskante "Investition" haben.

     

    Aber keine Sorge, Berlin wird schon einen Weg finden, Ausweisungen zu umgehen und Abschiebungen auf den Sanktnimmerlein-Tag zu verschieben, bezahlen tun das alles die sich in der Minderheit befindenden, arbeitenden Berliner.

  • Zur Klarstellung der Klarstellung

     

    „Seit Beginn der Besetzung gab es bestrebungen Duschen in die Schule einzubauen. Dies wurde allerdings von seiten des Beziks und des Senats verboten."

     

    Seit wann benötigen Besetzer die Erlaubnis der Besitzer für Veränderungen? Haben sie bei der Besetzung bei Bezirk und Senat eine Erlaubnis eingeholt?.

     

    "Waschmaschinen gibt es in der Schule.“

    Die „Sprecherin“ Mimi behauptet das Gegenteil, nachzulesen:

     

    http://taz.de/Fluechtlinge-in-Berlin-Kreuzberg/!140819/

     

    „und da ist es wohl nicht verwunderlich das 900 polizisten und maschinengewehre benötigt“

     

    War gerade da. Maschinengewehre habe ich nicht gesehen.

     

    In einen muss ich @Jonas Wüstefeld recht geben. Die Flüchtlinge haben nun die Wahl in die Busse zu steigen, für ein halbes Jahr Duldung, Unterkunft und Geld zu erhalten oder eben nichts zu haben. Das würde ich in der Tat nicht als „freiwillig“ bezeichnen.

  • Aktuell befinden sich einige Bewohner_innen der Schule auf dem Dach und sind bereit vom Dach zu springen, sollte sich die Polizei nicht zurückziehen. In der Schule riecht es nach Benzin. Es ist also sehr deutlich, dass die Bewohner_innen der Schule ihr Zuhause mit allen Mitteln verteidigen werden und entschlossen sind, dies in aller Vehemenz weiterhin zu tun. Sollte sich die Polizei also nicht zurückziehen, nehmen sie es leichtsinnig in Kauf Menschenleben aktiv zu gefährden. Die Presse darf nach Anordnung des Bezirks nicht auf das Schulgelände, um über die aktuellen Vorkommnisse zu berichten

    • @Jonas Wüstefeld:

      Das eigene Zuhause mit Benzin verteidigen?

      Macht man das bei Ihnen so?

      • @Thomas Schmid:

        schon mal was von selbst-verbrennung gehört?

  • Zur Klarstellung:

     

    Seit Beginn der Besetzung gab es bestrebungen Duschen in die Schule einzubauen. Dies wurde allerdings von seiten des Beziks und des Senats verboten. Seit Sommer 2013 gab es sogar einen privaten sponsor der die kosten übernommen hätte doch auch dies wurde abgelehnt.

    Viele Anwohner lassen aber Freunde aus der Schule bei sich duschen.

     

    Waschmaschinen gibt es in der Schule.

     

    Einen "Umzug" mit 900 Polizisten unter anderem mit Maschinengewehren bewaffnet als freiwillig darzustellen ist ein verbrechen.

     

    Nun aus einem anwaltlichem Schreiben, zu dem "Einigunspapier" vom 18.03.2014 zwischen Flüchtlingen vom Oranienplatz und dem Senat:

     

    "Der Flüchtlingsrat Berlin hingegen hat aus unserer Sicht zutreffend Art und Zustandekommen auf das Schärfste kritisiert.(1) Tatsächlich lag weder eine Einigung vor, noch war die damit verbundene Räumung des Oranienplatzes „friedlich“. Mit den Bewohnern der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule hat es zudem zu keiner Zeit Gespräche von Seiten des Senats gegeben. Nunmehr droht die zwangsweise Räumung der Schule.

    Somit ist festzuhalten, der Senat hat das Zustandekommen einer angeblichen „Einigung“ falsch dargestellt."

     

    In einem Gutachten wurde festgestellt, dass das "Einigungspapier" rechtskräftig ist, dennoch hält begeht die Berliner Innenverwaltung wortbruch und hält sich nicht an die rechtliche Vereinbarung mit dem Flüchtlingen. Als Beispiel von vielen sei genannt das bereits 10 Flüchtlinge abgeschoben werden sollten obwohl es laut vereinbarung einen 6 monatigen abschiebeschutz gibt.

     

    Dies alles ist den Flüchtlingen aus der Schule natürlich bekannt und da ist es wohl nicht verwunderlich das 900 polizisten und maschinengewehre benötigt werden, für einen umzug der im nachhinein als freiwillig dargestellt wird.

  • Plötzlich sind die Unterstützer aktiv, während sie sie es vorher nicht geschafft hatten eine Dusche einzubauen oder eine Waschmaschine zu besorgen. Dies zeigt wie die besetzte Schule zur Projektionsfläche für Mittelstandkinder geworden ist.

    In den nächsten Tagen werden wieder Hunderte oder Tausende durch Kreuzberg ziehen und sich in den üblichen stark ritualisierten Veranstaltungen mit Gottesdienstcharakter in Ausnahmestimmung versetzen. Wenn jeder von ihnen stattdessen einige freiwilligen Arbeitsstunden in der Schule abgeleistet hätte oder 10 oder 20 Euro gespendet hätte, hätte man das Haus gut in Schuss bringen können.

    Die Umsetzung ist bei vielen der Bewohner bestimmt nicht freiwillig. Der Bezirk hat sich jedoch darum gekümmert, dass die Leute nicht einfach auf der Straße landen. Mehr konnte er nicht leisten. Sein Handeln ist grundsätzlich OK.

    • @XBurger:

      Ja, XBurger: Sie haben sicherlich so viel Ahnung über die Unterstützer_innen-Szene...

       

      Sowohl Geflüchtete als Unterstützer_innen arbeiten seit mittlerweile Jahren am Rande der Erschöpfung, um diesen Protest zu organisieren. Und dabei orientieren sich die Unterstützer_innen an einem defensiven Konzept. Kein Paternalismus, keine Radikalisierung auf Kosten der Geflüchteten, klare Ansage, dass die Geflüchteten bei allen politische Forderungen, Verhandlungen etc. den Hut aufhaben.

       

      Deswegen wurde z.B, nicht einfach so eine Dusche gebaut, sondern mit Anträgen gearbeitet, weil man mit dem Bezirk zusammenarbeiten wollte und nicht seine Szenespiele betreiben.

       

      Was glauben Sie denn, was in den letzten zwei Jahren alles passiert ist. Wo haben wohl die Geflüchteten gegessen, geduscht, sich mal erholt und geschlafen. Wer hat Anwält_innen, Übersetzer_innen, Mediziner_innen besorgt. Wie viel private Zeit und Geld da investiert worden ist.

       

      Eigentlich alles staatliche Aufgaben, aber die Geflüchteten wollen lieber um ihre Selbstbestimmung kämpfen als in staatlichen Heimen zu leben, deren Träger sich dumm und dämlich verdienen, aber die Bewohner_innen in heruntergekommenen Baracken sich zu Tode langweilen.

    • @XBurger:

      Lieber XBURGER,

       

      vielen Dank für diese präzise Analyse. Wahrscheinlich macht man es auch nur wegen der Unterstützer-Selfies auf F***book...o.ä.

  • Ein "freiwilliger Umzug" ist keine Räumung - also Entwarnung.