Flüchtlingsstreit in der Koalition: Es geht immer noch schlimmer
Die SPD sieht in dem Vorstoß der CSU eine Drohung mit dem Koalitionsbruch. CDU und SPD wollen den Familiennachzug für Syrer verschärfen.
Die verschärfte Regelung könnte auf etwa ein Fünftel aller syrischen Flüchtlinge ausgeweitet werden, die bisher nach Deutschland gekommen sind. CSU-Chef Horst Seehofer hat sich bis zum Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel Bedenkzeit ausgebeten, ob er den Kompromiss mitträgt.
Als Konsequenz aus den Silvester-Übergriffen von Köln will die Bundesregierung die Ausweisung von kriminellen Ausländern erleichtern. Das Bundeskabinett plant dazu, an diesem Mittwoch eine Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen.
Der Streit um Merkels Flüchtlingspolitik war zuletzt immer mehr zur Belastung für die große Koalition geworden. Seehofer machte am Dienstag seine Ankündigung wahr und verlangte als bayerischer Ministerpräsident in einem Brief eine Kehrtwende. Er will die gemeinsame Bundesregierung notfalls vor dem Verfassungsgericht verklagen. Die SPD wertet dies als Drohung mit Koalitionsbruch. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) rief das schwarz-rote Bündnis eindringlich zur Gemeinsamkeit auf.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sagte im ARD-„Nachtmagazin": “Wir wollen weder die Koalition platzen lassen, noch sind wir auf eine Klage scharf.“ Die CSU wolle erreichen, „dass Entscheidungen in Berlin vorangebracht werden, die unserem Land nutzen“.
Weitere „sichere Herkunftsländer“
Zur Lösung des Streits will die Koalition ihre November-Einigung nun überarbeiten. Der Kompromissvorschlag sieht vor, dass der Nachzug nicht mehr nur für etwa 1.800 Flüchtlinge begrenzt wird. Nun soll dies auch auf syrische Flüchtlinge dieser Schutzkategorie (subsidiärer Schutz) ausgeweitet werden. Das sind um die 20 Prozent aller syrischen Flüchtlinge, die bisher nach Deutschland gekommen sind.
Der Nachzug soll nun aber für nur ein Jahr ausgesetzt werden – das ist Seehofer aber nicht genug. Zudem soll es eine Sonderregelung geben, damit Syrer Frauen und Kinder nachholen können, die derzeit in Lagern in Jordanien und im Libanon leben.
Im Januar sind nach einem Medienbericht zum ersten Mal seit Beginn der Flüchtlingskrise mehr Frauen und Kinder als Männer in Griechenland angekommen. Das geht aus einem Lagebericht der Bundespolizei hervor, der den Zeitungen der Funke Mediengruppe vorliegt. Demnach sind 55 Prozent der im Januar nach Griechenland in die EU eingereisten Migranten Frauen und Minderjährige gewesen. Im Juni 2015 habe ihr Anteil noch bei 27 Prozent gelegen. Der Hauptgrund für die Entwicklung liege laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR im Familiennachzug. Die Bundespolizei nehme in ihrem Bericht auf Zahlen des UNHCR Bezug.
Die SPD signalisierte Bereitschaft, die nordafrikanischen Staaten ebenfalls als sichere Herkunftsländer einzustufen, um die Abschiebung krimineller Migranten aus diesen Ländern zu erleichtern. Nach dem Treffen der Parteichefs im Kanzleramt empfängt Merkel am Donnerstagabend die Ministerpräsidenten zu Gesprächen.
Vor dem Bund-Länder-Treffen fordern die Kommunen mehr Unterstützung bei der Unterbringung von Flüchtlingen. „Die Städte möchten erreichen, dass der Bund die zusätzlichen Unterkunftskosten im Hartz-IV-System voll übernimmt, die durch den Flüchtlingszuzug entstehen“, sagte Eva Lohse, Präsidentin des Deutschen Städtetages, der Zeitung Die Welt. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützte die Forderung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos