Flüchtlingsschule in Berlin-Kreuzberg: Nicht mal die Post kommt durch
Über die Räumung der einstigen Hauptmann-Schule wird wohl nicht mehr vor der Wahl entschieden. Bisher kennen die Bewohner die Nachricht nur aus der Zeitung.
In Berlin stehen die Zeichen auf Wahlkampf – die Ankündigung des grün regierten Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, die verbliebenen Besetzer der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule nun per zivilrechtliche Klage räumen zu wollen, könnte nicht von ungefähr gerade jetzt kommen. Doch dass das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg noch in dieser Legislaturperiode über die Klage entscheidet, ist unwahrscheinlich: Weder die Besetzer selbst noch ihr Anwalt haben die Klage bisher zugestellt bekommen.
Im Falle der Bewohner könnte das auch mit der besonderen Situation an der Hauptmann-Schule zusammenhängen: Laut einer Unterstützerin der Flüchtlinge, die nicht namentlich genannt werden will, gibt es dort öfter Probleme mit der Postzustellung – weil die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes den Briefträger nicht auf das Grundstück lassen.
Bisher wissen die Bewohner nur aus der Zeitung von der Klage: „Mit uns hat bis jetzt niemand darüber gesprochen“, sagt Younes, der nach der Räumung des Protestcamps am Oranienplatz im Frühling 2014 (siehe Text unten) in die Schule gezogen ist. In der Schule sei es ruhig gewesen in letzter Zeit, von der Ankündigung des Bezirks seien die Bewohner überrascht. „Wir wollen hierbleiben, wir haben sonst keinen Ort“, sagt er.
Dass die Situation verfahren ist, sagt allerdings auch Younes. Die Idee eines selbst verwalteten Flüchtlingszentrums, das die Besetzer in dem Gebäude einrichten wollen, liege auf Eis: kein Geld, zu wenig Unterstützung, kein Träger in Sicht. „Von der großen Bewegung, die es einmal um die Schule gab, ist nichts mehr übrig“, sagt er. Lediglich aus der Nachbarschaft gebe es noch Unterstützung und regelmäßige Treffen, „ohne die würden wir es gar nicht schaffen“.
Den Grund dafür sieht er allerdings auch im Verhalten des Bezirks: „Seit zwei Jahren können wir keine Besucher empfangen, unser Haus nicht öffnen – so können wir nichts aufbauen“, sagt er. Der Wachschutz, den das Bezirksamt aus Angst vor dem Zuzug weiterer Besetzer 2014 installierte und der 24 Stunden am Tag die Hausausweise kontrolliert, kostete den Bezirk nach eigenen Angaben bislang mehr als 2,2 Millionen Euro.
Auch nach Zustellung der Klage wird das Verfahren wohl noch eine Weile dauern: Die Bewohner haben dann erst einmal zwei Wochen Zeit zu entscheiden, ob sie sich verteidigen wollen oder nicht. Dann setzt das Gericht eine Frist, bis zu der sich alle Beteiligten geäußert haben müssen – diese beläuft sich im Regelfall mindestens auf mehrere Wochen. Mit einer Entscheidung sei frühestens in drei bis vier Monaten zu rechnen, erfuhr die taz aus Anwaltskreisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos