Flüchtlingspolitik in Baden-Württemberg: Sechs Seiten „Populismus“
Thomas Strobl (CDU) will Sozialleistungen kürzen, die Abschiebehaft ausweiten und ein Rückführungszentrum in Ägypten aufbauen.
Das Papier schwankt zwischen juristischen Selbstverständlichkeiten und verfassungsrechtlich fragwürdigen Vorschlägen. Speziell die Kürzung von Sozialleistungen für nicht anerkannte Asylbewerber widerspricht einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus der jüngsten Zeit. Doch Strobl kritisiert „eine Rechtsprechung, die nicht gewillt ist, die Ausnahmesituation der vergangenen Monate zu reflektieren“, und behauptet: „Wer Schutz vor Krieg und Verfolgung sucht, bedarf nicht zwingend der gleichen Sozialleistungen wie einheimische Leistungsbezieher.“
Auch sollen Krankheiten nicht mehr in jedem Fall als Hindernis für eine Rückführung anerkannt werden. Stattdessen fordert Strobl die Ausweitung der Abschiebehaft und ein Rückführungszentrum in Ägypten, in das aus Seenot gerettete Flüchtlinge gebracht werden sollen.
Das Ziel des Vorstoßes ist offensichtlich. Strobl möchte vor der Bundestagswahl eine Brücke zwischen den in Flüchtlingsfragen zerstrittenen Schwesterparteien CDU und CSU bauen und bei potenziellen AfD-Wählern punkten. Dafür fehlt jedoch ein Reizwort in dem Arbeitspapier: die Obergrenze. Stattdessen will der CDU-Vize ein sogenanntes Dachgesetz zur Zuwanderung zum zentralen Ziel einer CDU-geführten Bundesregierung machen. Mit gutem Willen könnte man darin auch ein anderes Wort für Einwanderungsgesetz sehen, dem sich die Union bisher versperrt hat.
Strobls Koalitionspartner in Stuttgart zeigt sich von dem Papier überrascht. Es lägen bislang vonseiten des Innenministers keine realistischen und umsetzbaren Initiativen vor, die die freiwillige Ausreise oder Rückführung abgelehnter Asylbewerber befördern sollen, befand der grüne Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz. „Fantasievorschläge wie ein Rückführungszentrum in Ägypten helfen nicht weiter“, so Schwarz. Grünen-Landesparteichef Oliver Hildenbrand spricht gar von „Abschiebe-Populismus“.
Strobls Vorstoß fällt in eine Zeit sinkender Flüchtlingszahlen. In seinem eigenen Land kamen in diesem Jahr mit 30.000 Menschen weniger als ein Drittel der Flüchtlinge an, die noch 2015 registriert wurden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau