piwik no script img

Flüchtlingspolitik in Baden-WürttembergSechs Seiten „Populismus“

Thomas Strobl (CDU) will Sozialleistungen kürzen, die Abschiebehaft ausweiten und ein Rückführungszentrum in Ägypten aufbauen.

Herr Strobl plant ganz neue Repressionen Foto: dpa

Stuttgart taz | Mit seinen Vorschlägen für strengere Abschieberegelungen sorgt der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl in der grün-schwarzen Koalition für Ärger. In einem sechsseitigen Papier, das am Wochenende bekannt wurde und das er offenbar bei der am Dienstag tagenden Konferenz der Landesinnenminister vorstellen will, spricht sich der Christdemokrat für strengere Ausweisungen von nicht anerkannten Asylbewerbern aus.

Das Papier schwankt zwischen juristischen Selbstverständlichkeiten und verfassungsrechtlich fragwürdigen Vorschlägen. Speziell die Kürzung von Sozialleistungen für nicht anerkannte Asylbewerber widerspricht einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus der jüngsten Zeit. Doch Strobl kritisiert „eine Rechtsprechung, die nicht gewillt ist, die Ausnahmesituation der vergangenen Monate zu reflektieren“, und behauptet: „Wer Schutz vor Krieg und Verfolgung sucht, bedarf nicht zwingend der gleichen Sozialleistungen wie einheimische Leistungsbezieher.“

Auch sollen Krankheiten nicht mehr in jedem Fall als Hindernis für eine Rückführung anerkannt werden. Stattdessen fordert Strobl die Ausweitung der Abschiebehaft und ein Rückführungszentrum in Ägypten, in das aus Seenot gerettete Flüchtlinge gebracht werden sollen.

Das Ziel des Vorstoßes ist offensichtlich. Strobl möchte vor der Bundestagswahl eine Brücke zwischen den in Flüchtlingsfragen zerstrittenen Schwesterparteien CDU und CSU bauen und bei potenziellen AfD-Wählern punkten. Dafür fehlt jedoch ein Reizwort in dem Arbeitspapier: die Obergrenze. Stattdessen will der CDU-Vize ein sogenanntes Dachgesetz zur Zuwanderung zum zentralen Ziel einer CDU-geführten Bundesregierung machen. Mit gutem Willen könnte man darin auch ein anderes Wort für Einwanderungsgesetz sehen, dem sich die Union bisher versperrt hat.

Strobls Koalitionspartner in Stuttgart zeigt sich von dem Papier überrascht. Es lägen bislang vonseiten des Innenministers keine realistischen und umsetzbaren Initiativen vor, die die freiwillige Ausreise oder Rückführung abgelehnter Asylbewerber befördern sollen, befand der grüne Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz. „Fantasievorschläge wie ein Rückführungszentrum in Ägypten helfen nicht weiter“, so Schwarz. Grünen-Landesparteichef Oliver Hildenbrand spricht gar von „Abschiebe-Populismus“.

Strobls Vorstoß fällt in eine Zeit sinkender Flüchtlingszahlen. In seinem eigenen Land kamen in diesem Jahr mit 30.000 Menschen weniger als ein Drittel der Flüchtlinge an, die noch 2015 registriert wurden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • ...



    Und was die von allen im Munde geführte Integration anbelangt, wird diese solange nur halbherzig betrieben, solange immer noch fast täglich von bestimmten Politikern - vorwiegend, aber nicht nur (Thomas Strobl) - aus Bayern, gewissermaßen hinter dem Rücken der Integrationsverheißungen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um den Flüchtlingen hier bei uns das Leben so schwer wie möglich zu machen. Der bayerische Innenminister Herrmann tut sich hier besonders hervor. Nicht nur die Kirchen kritisieren das heftig. Selbst Vertreter der Wirtschaft in Bayern werfen der Landesregierung vor, Flüchtlingen die Aufnahme einer Ausbildung zu erschweren. Die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern in Bayern haben Ministerpräsident Horst Seehofer geschrieben und ihn aufgefordert, eine Anweisung des bayerischen Innenministeriums zu korrigieren.



    Und in 10-20 Jahren, wenn wir feststellen werden, dass viele der heutigen Flüchtlinge noch nicht richtig integriert sind, wird man sich dann wieder gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben. Aber wir vergessen nicht: die Union kann immer noch nicht Flüchtlingspolitik!



     

    [...] Beitrag gekürzt. Bitte verlinken Sie nicht ständig auf eigene Accounts. Vielen Dank! Die Moderation

  • ...

    Ich meine, auch für Merkel. Sie sollte, nein Sie muss jetzt endlich Führung zeigen und Seehofer mit seiner CSU vor die Tür dieser und evtl. künftiger Koalitionen setzen, bevor noch die gesamte CDU von dem "Obergrenzenvirus" angesteckt wird.

    Wenn jemand wirklich überfordert ist, dann die Politik, die, obwohl die Flüchtlingsbewegungen schon lange vorhersehbar waren, keine vorausschauende Asylpolitik betrieben hat, der das Management der Flüchtlingsströme entglitten ist, deren Kanzlerin zwar gut gemeinte, aber planlose Willkommenssignale in die Welt sendete, die eine geordnete Verteilung bis heute nicht zustandebringt, weder innerhalb Deutschlands bzw. Bayerns (vgl. das Chaos an der bayerisch-österreichischen Grenze Ende 2015 trotz Aufnahmekapazitäten in München! Ein Schelm, der Böses dabei denkt!), schon gar nicht innerhalb Europas, und stattdessen Bilder aus den überforderten Kommunen in die Wohnzimmer übermitteln lässt, womit zudem Stimmung und Hetze gegen Ausländer weiter befeuert und Ängste geschürt werden wie z.B. im CSU Ortsverband Zorneding, LKR Ebersberg: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/ebersberg/rechtspopulismus-csu-macht-hetze-gegen-auslaender-hoffaehig-1.2702620 .

    Wenn darüberhinaus bekannt wird, dass in der Vergangenheit trotz gegenteiliger BeteuerungenDeutschland die der UN zugesagten, eh schon geringen, Mittel für (UNHCR-)Flüchtlingslager insbesondere im Nahen Osten nicht einmal zur Hälfte ausbezahlt hat (mittlerweile korrigiert), dann wird auch das Gerede über die Bekämpfung von Fluchtursachen zur Farce, ganz zu schweigen vom Export deutscher Rüstungsgüter auch in Krisenregionen.

    Stattdessen: Unwürdiges, verantwortungsloses Gezänk zwischen den Regierungsparteien, aber noch mehr innerhalb der Union, und vor allem zwischen Seehofer und der Kanzlerin bis zur Androhung einer Verfassungsklage!

    Wem nützt eine derart hilflose, konfuse und zutiefst unchristliche Flüchtlingspolitik?

    ...

  • Die angebliche Überforderung der Gesellschaft durch die Zuwanderung, auf der die CSU-Forderung nach einer Obergrenze beruht, ist eine Chimäre. Hat doch der CSU-Politiker, Asyl-Scharfmacher (wird er deshalb als ministrabel charakterisiert? dann Gute Nacht!), Landrat und Präsident des bay. Landkreistages noch im Oktober 2016 erklärt, dass bis zu 30% der bay. Gemeinden noch keinen einzigen Flüchtling aufgenommen haben. Hat Bernreiter eigentlich nicht bemerkt, dass er damit - zu Recht - gegen die "heilige" Obergrenze der CSU argumentiert hat? Denn von Überforderung kann wohl bei dem geschilderten Sachverhalt keine Rede sein!

    Die CSU und im Nachgang auch - n Anlehnung an die AfD(?) - Teile der CDU haben Ende 2015 festgestellt, dass die Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme erreicht sei und wollten diese Grenze, von Seehofer auf 200 Tsd. p.a. beziffert (was für ein Rechenkünstler!), durchsetzen. Darüberhinaus brachte Söder auch noch eine Abschiebungs-Untergrenze ins Spiel.

    Und wie haben diese Rechenkünstler die "Obergrenze" bzw. die "Abschiebe-Untergrenze" ermittelt? Und vor allem, wie wollen sie diese durchsetzen?

    Viele Kommunen hatten zu Recht ihre Überforderung bzgl. der großen Zahlen der aufzunehmenden Flüchtlinge beklagt und werden dies auch künftig tun und dennoch weiterhin Großartiges leisten und sich nicht von geistigen Brandstiftern ("Bayern soll als Zuwanderungsland unattraktiv werden": PFUI) von ihrer praktizierten Willkommenskultur abbringen lassen. Andererseits gab es alleine in Bayern damals noch rd. 700 Kommunen (= rd. ein Drittel aller Kommunen), ein Jahr später gemäß Bernreiter noch 30% der Kommunen ohne Flüchtlinge. Dies ist ein extrem unsolidarisches Verhalten ggü. den Kommunen, die sich bisher vorbildlich engagiert haben. Offensichtlich mangelt es an einer gerechten Verteilung innerhalb Deutschlands, ja sogar innerhalb Bayerns! Aber das scheint Seehofer u.a. nicht zu interessieren: "die Obergrenze ist erreicht"! Ich meine, auch für Merkel.

    ...

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Zynischer Euphemismus "Rückführungszentrum", und das auch noch in Ägypten.

     

    Schdrobl gang hoim!

  • Thomas Strobl (CDU) will Sozialleistungen kürzen, die Abschiebehaft ausweiten und ein Rückführungszentrum in Ägypten aufbauen.

     

    Schonn. Aber gut - daß solches Ansinnen

    Kretschi I. stante pede - also hand-&fußlos

    Verhindern wird .

    kurz - Ha noi. Da hilft ner bede.Gell!

    Rein tonn katolsch warrn.

  • Kann jemand dem Herrn Strobl einen Taschenrechner schenken?Dann kann er mal ausrechnen wie riesig die Rückführungszentren sein müßten.Wer soll das ganze denn betreuen?Wo nehmen wir den ganzen Stacheldraht her?Wer soll das alles bewachen?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Hans Peter Sommer:

      Strobls Schwiegervater könnte mit dem Modell "Black Zero" aushelfen...