piwik no script img

Flüchtlingspolitik der GrünenSehnsucht nach Profil

Dürfen Grüne das Asylrecht weiter verschärfen? Auf dem Parteitag wird ein Richtungsstreit entschieden. Dabei spielen auch Gefühle eine Rolle.

Die Parteispitze um Peter und Özdemir ist erkennbar bemüht, Pflöcke einzuschlagen. Foto: dpa

Berlin taz | Erst im September haben die von den Grünen mitregierten Länder der größten Asylrechtsverschärfung seit Helmut Kohl zugestimmt. Doch jetzt soll Schluss sein mit Zugeständnissen an die Große Koalition: Der Bundesvorstand der Grünen wird auf dem Parteitag am Wochenende dafür werben, sich klar von Wünschen der Union und der SPD abzugrenzen.

Ein Antrag, den die Parteispitze in letzter Minute formuliert hat, wendet sich gegen Ideen, die Angela Merkels Koalition bereits beschlossen hat. So lehnen es die Grünen ab, den Familiennachzug zu begrenzen. „Flüchtlinge von ihren Familien zu trennen, erschwert die Integration und zwingt noch mehr Frauen und Kinder auf lebensgefährliche Wege nach Europa“, heißt es in dem Papier.

Der Grünen-Vorstand kritisiert auch die Anordnung von Innenminister Thomas de Maiziere (CDU), die Dublin-Regelungen wieder in Kraft zu setzen. Dies verlangsame Asylverfahren, statt sie zu beschleunigen. Die Idee der Koalition, Flüchtlinge aus Afghanistan schneller abzuschieben, bezeichnet die Grünen-Spitze in ihrem Antrag als „absurd“.

Die Flüchtlingspolitik wird auf dem Grünen-Parteitag, der von Freitag bis Sonntag in Halle/Saale stattfindet, eine wichtige Rolle spielen. Die Anschläge in Paris und die Versuche der CSU, den Terror für schärfere Regelungen gegen Flüchtlinge zu instrumentalisieren, tragen das Ihre dazu bei. „Dem zynischen Versuch von Herrn Söder, Terrorangst gegen Flüchtlinge zu schüren, erteilen wir eine klare Absage“, sagt Grünen-Chefin Simone Peter.

Pflöcke gegen die Koalition

Die Parteispitze ist erkennbar bemüht, Pflöcke einzuschlagen. Sie fordert ein Integrationsministerium im Bund, welches für Einwanderung, Flüchtlingspolitik und Integration zuständig sein soll - dies wäre ein Projekt für eine grüne Regierungsbeteiligung ab 2017. Außerdem schlägt der Vorstand einen „Deutschlandfonds für Integration“ vor. In jenen sollen der Staat und Unternehmen einzahlen, damit Kommunen mehr Geld für ihre Aufgaben bekommen.

Die Grünen-Chefs wissen, dass die Sehnsucht nach Profilierung groß ist. Angeführt von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatten grüne Landesregierungen zuletzt Schmerzhaftes abgesegnet. Die Länder und Kommunen bekamen Milliarden Euro vom Bund. Dafür willigten die Grünen in mehr sichere Herkunftsstaaten ein. Außerdem stimmten sie zu, Asylbewerbern das Taschengeld zugunsten von Sachleistungen zu streichen.

Die Enscheidung wurde von einigen Grünen als moralischer GAU empfunden. Mehrere Migrationspolitiker traten aus. Ein Kretschmann-kritischer Aufruf mit dem Titel: „Nicht in unserem Namen!“ kursiert, bisher haben ihn über 350 Parteimitglieder unterzeichnet - darunter Monika Herrmann, die Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg.

Die Diskussion in Halle wird die Kompromissbereitschaft der Grünen neu definieren. Allen ist klar, dass die Partei schon bald wieder mitbestimmen könnte. Bereits jetzt deutet sich an, dass Merkels Koalition mehr Verschärfungen plant. Sie diskutiert, den Familiennachzug auch für Syrer zu begrenzen. Die Kanzlerin und SPD-Chef Sigmar Gabriel machen sich auch für Flüchtlingskontingente auf europäischer Ebene stark, die eine Obergrenze bedeuten können.

Linke wollen Stoppschilder

Die Koalition wird für manche Beschlüsse den Bundesrat benötigen. Die Grünen regieren in neun Ländern mit und besitzen eine Sperrminorität. Was der Parteitag beschließt, bildet die Grundlage für solche Verhandlungen. Vor allem Linksgrünen geht es darum, Stoppschilder aufzustellen. „Die Bundesregierung arbeitet an einem Zwei-Klassen-Asylrecht“, sagt der Parteilinke Sven Lehmann, Landeschef in Nordrhein-Westfalen. Die Grünen müssten klar signalisieren, dass es mit ihnen keine Verschärfungen mehr gebe.

Genau diese Frage wird umstritten sein. Manche Grüne halten das Parteiprogramm an einigen Stellen für überholt. Dieter Janecek, der Wirtschaftsexperte der Bundestagsfraktion, fordert in einem Antrag, den Deutschlandfonds zu streichen. Dies klinge nach Sondersteuer, sagt Janecek mit Blick auf den verunglückten Wahlkampf 2013. Er und andere Grüne plädieren zudem dafür, von der Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes abzurücken. Es komplett zu streichen, wäre „eine finanzielle Katastrophe“ für Länder und Kommunen, argumentiert Janecek.

Diese Position wird auf dem Parteitag eher wenig Chancen haben. Das Asylbewerberleistungsgesetz sei bürokratisch und diskriminierend, sagt Luise Amtsberg, die Flüchtlingsexpertin der Fraktion. Der Antrag von Janecek sei ein „ein unnötiger und fachlich völlig unausgegorener Schnellschuss.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Es wäre sinnvoll, wenn Abteilung Bundespolitik gelegentlich mal nachfragt, was in den Bundesländern los ist. Da sehe ich am Thema Migration absolut keinen Unterschied zwischen Bajuwaren und irgendwo mitregierenden Grünen, außer dass die Grünen regelmäßig 2 Monate später das Gleiche sagen, dann aber außer Zeichen und Forderungen an den Bund nichts kommt.

    Nun will Hüpfburg-Cem sich auch noch militärisch betätigen und mimt den Staatsmann, also nichts da mit dem schwarzen Block.

    Der Afghanistan-Einsatz hat schon nicht etwa Frieden sondern nur Flüchtlinge geschaffen, für die nun ein eigenes Ministerium aufgebaut werden soll, mit Syrien nun der 2. Versuch? Aber die Frage, was der Fehler der Grünen in Afghanistan war, wird geflissentlich übersehen: Es war die grüne Ideologisierung mit Bomben als Argument, die der IS als Kreuzfahrertum bezeichnet. Was eigentlich, wenn Viele, z.B. Harz4ler, sich ähnlich beglückt empfinden?

     

    Bei den Grünen geht es nicht um das Profil, sondern um Arbeitsplätze für die eigenen Leute, unabhängig von der Sinnhaftigkeit. Von Demokratie im Sinne von Wille der Bevölkerung ist nichts mehr zu hören.

  • die grünen sind nur noch eine karikatur ihrer selbst. wirtschaftspolitisch ohnehin, zeigen sie in jedem bereich, dass sie eine konservative partei geworden sind, die aber im gegensatz zu den großen volksparteien für umweltschutz stehen wollen.

     

    was ist aber das große umweltpolitische programm der grünen? die agrarwende. dabei soll einfach mehr bio und mehr naturschutzflächen beinhalten. ziel ist es, dass die ganzen niedriglöhner (geschaffen durch harz4) überteuerte bioprodukte kaufen, die mind. 20% mehr anbaufläche benötigen. zusätzlich sollen mehr windkraftanlagen entstehen, die zugvögel schreddern. gleichzeitig zeigen sich die grünen kompromissbereit bei auslandseinsätzen.

     

    bei den grünen geht es nur noch um profil.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Nein, ein Integrationsministerium als Linsengericht, das werden die Grünen nicht akzeptieren. Zwar sind einige Leute im PV scharf auf ein Ministeramt, doch die Stimmung innerhalb der Partei wird deutlich grummeliger. Für immer mehr Parteimitglieder ist die rote (grüne :) ) Linie bereits überschritten. Das merken die Granden allmählich und beginnen hinzuhören. Eine Schwarz/Grüne Koalition wird es in 2017 nicht geben. Schon gar nicht mit den Rechtspopulisten aus der CSU.

  • Warum sollen die Grünen nicht ein bischen braun dürfen?

    Unwählbar sind sie eh schon seit 20 Jahren.

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    Für mich sind die Grünen genau so Neoliberal wie berühmte FDP und seine menschenverachtender Vorsitzender Westerwelle. Cem Özdemir ist auf dem besten Wege Westerwelle zu ersetzen. Die Grünen sind für mich nicht wählbar wie FDP und wünsche ich mir, dass der Markt die Grünen abschafft wie FDP. Sie sind für micht wählbar.