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Flüchtlingspolitik der EUUnd wo bleibt das Geld?

Um Fluchtursachen außerhalb Europas zu bekämpfen, hat die EU mehrere Fonds eingerichtet. Nur das mit der Zahlungsmoral funktioniert noch nicht so recht.

Man kann sich aus seiner Verantwortung auch freikaufen. 35 Euro reichen dafür aber nicht. Foto: dpa

Brüssel/Berlin dpa/afp | Unmittelbar vor einer Reise in die Türkei hat der für die EU-Nachbarschaftspolitik verantwortliche Kommissar Johannes Hahn an Finanzzusagen in der Flüchtlingskrise erinnert. Auch die Mitgliedstaaten müssten ihren Teil dazu beitragen, syrischen Flüchtlingen in Nachbarländern wie Jordanien, Libanon oder der Türkei zu helfen, sagte der Österreicher am Mittwoch in Brüssel. „Anderenfalls wird es nicht möglich sein, die Lage in der Region zu stabilisieren.“

Hahn wird im Laufe des Tage gemeinsam mit EU-Vizekommissionschef Frans Timmermans in die Türkei reisen. Es geht dabei um einen Aktionsplan mit dem EU-Kandidatenland. Die Türkei soll von der EU im laufenden und im kommenden Jahr bis zu eine Milliarde Euro für die Versorgung von Flüchtlingen bekommen. Die Europäer wollen damit auch ein Begrenzung der Einreise von Flüchtlingen erreichen.

Im Gegenzug werden Fortschritte beim Dauerthema Visa-Liberalisierung für türkische Staatsbürger in Aussicht gestellt. Der Aktionsplan ist auch Thema beim EU-Gipfel am Donnerstag. Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte Anfang des Monats Brüssel besucht.

Als Antwort auf die Syrien-Krise hatte die Kommission Ende vergangenen Monats einen Treuhandfonds vorgeschlagen, der mit mindestens einer Milliarde Euro gefüllt werden soll. Die Hälfte, also 500 Millionen Euro, sollen aus dem EU-Budget kommen, die andere Hälfte von den 28 Mitgliedstaaten. Der Sondergipfel vom 23. September hatte beschlossen, Milliardenbeträge in die Hand zu nehmen, um der Flüchtlingskrise zu begegnen.

Tusk stellt Forderungen

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat ein Abkommen mit der Türkei an wirklich rückläufige Flüchtlingszahlen geknüpft. In einem am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Einladungsschreiben an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union schreibt der polnische Politiker: „Zugeständnisse werden nur gerechtfertigt sein, wenn dieses Ziel erreicht ist.“

Ziel seiner Gespräche in Ankara sei es gewesen, die Anzahl der nach Europa einreisenden Flüchtlingen zu verringern, erklärte Tusk. Er schlage vor, die gemeinsame Vorgehensweise zu den Themen Türkei und Syrien beim Abendessen zu erörtern. Die Türkei ist das größte Transitland für Flüchtlinge.

Selbst wenn der Andrang von Flüchtlingen im Winter nachlasse, müsse die EU auf den Frühling und damit auf „größere Wellen“ vorbereitet sein. Alle politischen Führer, mit denen er in der Region gesprochen habe, hätten vor Millionen möglicher neuer Flüchtlinge gewarnt. „Der außergewöhnlich leichte Zugang nach Europa ist einer der Hauptanziehungsfaktoren“, argumentierte Tusk. Der Herbst-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs ist für diesen Donnerstag geplant.

Wenig Geld für Afrika

Auch in den Fonds zur Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika haben die EU-Staaten nach einem Pressebericht kaum eingezahlt. Die bei einem Sondergipfel zur Flüchtlingsfrage im September in Aussicht gestellten Zahlungen seien „bei weitem nicht geflossen“, berichtete die Welt unter Berufung auf EU-Kreise. Bisher gebe es lediglich Zusagen über 24,3 Millionen Euro. 8,9 Millionen Euro davon stammten von den Nicht-EU-Ländern Norwegen und der Schweiz.

Deutschland habe bisher, ebenso wie Frankreich, Großbritannien und Österreich, für den Treuhandfonds Afrika überhaupt keine Mittel zugesagt, berichtete die Welt weiter. „Bei der Finanzierung des Welthungerprogramms und des Treuhandfonds Syrien ist die Situation ähnlich: Den großen Versprechungen folgen keine Taten. Aber die Zeit drängt“, hieß es dem Bericht zufolge in Brüssel kurz vor dem Oktober-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag.

Die EU-Kommission hat den Angaben zufolge seit dem Sondergipfel im September insgesamt 2,8 Milliarden Euro an neuen Flüchtlingshilfen zur Verfügung gestellt – jeweils 500 Millionen Euro für das Welternährungsprogramm und den Treuhandfonds Syrien und 1,8 Milliarden Euro für den Treuhandfonds für Afrika.

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1 Kommentar

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  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich verstehe die EU langsam wirklich nicht mehr. In der gesamten westlichen Welt domiert der Kapitalismus (leider) unser gesamtes Handeln. Da werden Gegenstände in China gekauft, weil sie dort 10 Cent preiswerter hergestellt werden und hierzulande fahren die Leute 5 km mit dem Auto, um statt bei Rewe bei Lidl einzukaufen und einen halben Euro zu sparen. Aber in der EU ist der Kapitalismus nicht bekannt. Z.B. Ungarn bekommt von der EU 3,7 Mrd / pro Jahr an Hilfen und Subventionen. Warum werden nicht Eu-weit zugesagte oder fällige und nicht bezahlte Beiträge einfach einbehalten. Hier begegnet eine offenbar vollkommen ohnmächtige EU einigen Zockerstaaten (Ja, Deutschland ist auch dabei). Gigantische Beamtenhorden, die nicht wissen oder wissen wollen, daß es nach den Geschenken auch eine Zahlungsmoral geben muss. Eine sehr merkwürdige Konstruktion, die EU.