Flüchtlingsheime in Hamburg: Strahlkräftiger Sinneswandel
Die Stadt will mehr Flüchtlinge unterbringen, was immer wieder an den Anwohnern scheitert. In Harvestehude organisieren sich jetzt die Befürworter einer Unterkunft.
Noch vor ihrer Gründung sorgt die Initiative für das Flüchtlingsheim an der Sophienterrasse für Aufsehen. Denn in Harvestehude an der Außenalster, einer der teuersten Adressen der Stadt, ist es offenbar nicht selbstverständlich, dass AnwohnerInnen sich für die geplante Unterkunft einsetzen.
Um auch die Nachbarschaft des ehemaligen Kreiswehrersatzamts für dessen Konversion zu erwärmen, laden die Initiatorinnen, die Pastorin der St. Johannis Kirche, Birgitta Heubach-Gundlach, und Anwältin Hendrikje Blandow-Schlegel am kommenden Donnerstag zum Gründungstreffen ein.
Für Christiane Schröder, die Sprecherin des städtischen Unternehmens Fördern und Wohnen, das die Unterkünfte betreibt, steht das Harvestehuder Engagement für eine Trendwende, die im Herbst eingeleitet worden sei: Damals wurde auf dem Parkplatz an der Lokstedter Höhe in Eimsbüttel ein neues Containercamp für rund 200 Menschen eingerichtet. In Lokstedt habe sich ein großer Unterstützerkreis gebildet, sagt Schröder. Dieses Vorbild strahle nun aus.
Genau diesen Effekt erhofft sich Liza-Melina Stamos, Pädagogin im benachbarten Tierpark Hagenbeck: Sie wohnt auch in der Nähe und arbeitet seit einigen Wochen ehrenamtlich im Containercamp. Jeden Donnerstag schenke sie den Lokstedter Flüchtlingskindern im Spielcontainer Zeit, wie sie sagt. Seit sie am vergangenen Freitag mit den Flüchtlingen den Tierpark besuchte, steht sie hoch im Kurs. Die Namen der insgesamt 50 Mädchen und Jungen hat sie sich noch nicht alle gemerkt.
„Auch hier gibt es skeptische Nachbarn“, sagt Stamos. Gerade deshalb sei es wichtig, mit dem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen. Die große Resonanz auf die Gründung der Lokstedter Initiative habe sie überwältigt. Auch bei der Zooleitung gab es offenbar ein Umdenken: Sie hatte sich noch im August gegen die neuen Nachbarn ausgesprochen.
In den öffentlichen Unterkünften leben mehr als 8.900 Menschen, darunter 2.700 Wohnungslose, 1.700 Zuwanderer mit gesichertem Aufenthaltsstatus und 4.500 Zuwanderer ohne gesicherten Aufenthaltsstatus.
Bis Ende 2014 sollen insgesamt 10.200 Plätze zur Verfügung stehen, kündigte der Senat im Sommer an. Die zentrale Erstaufnahmestelle an der Sportallee ist überfüllt. Seit August werden ankommende Flüchtlinge wieder in Zelten untergebracht.
Die Flüchtlinge kommen vor allem aus Russland, Syrien und Afghanistan. Im ersten Halbjahr waren es rund 1.450, insgesamt 570 mehr als im Vorjahreszeitraum.
Weil es zu wenig Plätze in der Folgeunterbringung gibt, bleiben sie durschnittlich drei Monate länger in der Aufnahmestelle.
In den nächsten Wochen sollen weitere Standorte für Unterkünfte dazukommen. Die Innenbehörde setzt jetzt besonders auf Altona.
Bei aller Unterstützung ist die Situation der zuletzt rund 130 Menschen in den Containern desolat: Da leben ganze Familien auf je zwölf Quadratmetern. Am Eingang zu dem umgewidmeten Park & Ride-Parkplatz, direkt neben dem U-Bahnhof, steht ein verlassenes Dreirad. Zwei Jungs fahren auf dem Weg zwischen den Containern im Kreis.
Ein paar Meter weiter, im Spielcontainer, wird gerade aufgeräumt, einer der Betreuer saugt. Während vier Jungs noch Kicker spielen, räumen die anderen die Malbücher und Stifte zurück in die Regale. Es ist später Samstagnachmittag, hier ist für heute Feierabend. Bevor sie den Spielcontainer verlassen, kriegt noch jeder einen Apfel und einen Schokoriegel in die Hand gedrückt.
Nebenan gibt es jetzt Abendbrot: Brot, Wurst und Käse aus eingeschweißten Packungen. Dazu Mineralwasser aus dem Tetrapack und Kaffee. Im Aufenthaltsraum sitzt kaum jemand. „Die meisten holen sich das Essen hier nur raus“, sagt Stamos, und essen in ihren Containern.
Weil die Hamburger Flüchtlingszahlen weiter steigen, will der Senat die Zahl der Plätze aufstocken. Immer noch befinden sich die meisten Unterkünfte in Randlagen, in der Nähe von Autobahnen oder in Industriegebieten.
In Nienstedten, mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 150.000 Euro Hamburgs reichster Stadtteil, wollten die Anwohner kein Containerdorf. Im Oktober hatte die Bezirks-SPD vorgeschlagen, auf einer Schotterwiese Unterkünfte einzurichten. Inzwischen ist diese Idee wieder vom Tisch. Im kaum weniger exklusiven Har
vestehude ist das Verfahren schon weiter vorangeschritten: Die zuständige Sozialbehörde hält das Haus an der Sophienterasse grundsätzlich für geeignet.
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