Flüchtlingsheime in Berlin: Container nicht mehr willkommen

Kurz vor Baubeginn entbrennt heftiger Streit über ein geplantes Containerheim in Marzahn-Hellersdorf. SPD- und CDU-Politiker wollen den Standort nicht mehr.

Nicht wirklich gemütlich: Wohncontainer für Geflüchtete Foto: dpa

Im Westen der Schlosspark Biesdorf, im Osten der Landschaftspark Wuhletal, dazwischen Einfamilienhäuser mit Gartenzwergen und Stockrosen in den Vorgärten: Im südlichen Teil des Bezirks sieht Marzahn-Hellersdorf anders aus, als es die bei diesem Namen vor dem inneren Auge aufsteigenden Bilder vermuten lassen. Hier, auf einer großen Brachfläche an der Dingolfinger Straße, soll ein weiteres sogenanntes Tempohome entstehen, eine Containerunterkunft für Flüchtlinge mit Platz für 250 Menschen.

Im Mai wurden die 30 neuen Tempohome-Standorte beschlossen, das Grundstück in Biesdorf war von Anfang an auf der Liste. Doch jetzt gibt es heftigen Gegenwind aus Marzahn-Hellersdorf – nicht von AnwohnerInnen, sondern aus dem Bezirksamt: Nachdem die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) am Mittwoch mitteilte, mit der Einzäunung des Grundstücks zu beginnen, wandte sich der Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) mit der Bitte um einen „einvernehmlichen Verzicht auf den Standort“ an den Senat.

Mindestens 18 sogenannte Tempohomes will der Senat stadtweit bauen lassen. Die Containerheime lassen sich noch schneller als die Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge (MUF) errichten. Sie sollen vor allem zur Unterbringung der bisher in Turnhallen lebenden Menschen dienen und drei Jahre lang bestehen.

Jeweils ein Standort in Treptow-Köpenick und in Marzahn-Hellersdorf ist bereits fertiggestellt. In Marzahn-Hellersdorf sind seit vergangener Woche alle Turnhallen wieder frei.

Ursprünglich sollten 15.000 Menschen in den Containern untergebracht werden. Weil jetzt doch mehr Gemeinschafts- statt Notunterkünfte gebaut werden sollen und vielleicht nicht alle Standorte realisiert werden, werden es nun weniger sein. (mgu)

Baustadtrat Christian Gräff (CDU) legte am Wochenende in mehreren Medien nach: Marzahn-Hellersdorf sei bereits überproportional belastet. Dass trotz der laufenden Streitigkeiten nun die Bauarbeiten beginnen sollen, sei ein „unfassbarer Umgang des SPD-Finanzsenators mit dem Bezirk“, sagte Gräff der Berliner Zeitung.

Rückenwind bekommt er dabei von einem Parteikollegen von ganz oben: Laut RBBhat sich der CDU-Sozialsenator Mario Czaja bereits Anfang des Monats mit einem Brief an den Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen gewandt und darin ebenfalls um eine Überprüfung gebeten. Das Ziel, „eine gerechte Verteilung auf alle Bezirke dieser Stadt zu erreichen“, sei „angesichts der Standortkonzentration in Marzahn-Hellersdorf als massiv gefährdet anzusehen“, schreibt Czaja dort.

Dass sich der Sozialsenator ausgerechnet in Biesdorf so engagiert, ist wohl kein Zufall: Der aus Kaulsdorf und Mahlsdorf bestehende Wahlkreis des Politikers liegt direkt nebenan, die drei Stadtteile haben eine ähnliche Einwohnerstruktur. In dem Wahlkreis wiederum, zu dem der umstrittene Standort gehört, holte in diesem Jahr ausgerechnet Christian Gräff das Direktmandat für die CDU.

Neben möglichen Wählergeschenken gibt es aber noch einen zweiten Hintergrund für den Konflikt: Ob Berlin die 30 Standorte tatsächlich noch braucht, ist mittlerweile umstritten. Im September hatte der Senat beschlossen, zunächst nur noch 18 statt der ursprünglich vorgesehenen 30 Unterkünfte zu bauen – ob und wann die übrigen zwölf gebaut werden sollen, ist unklar. Denn seit Abschluss des Deutschland-Türkei-Deals im März kommen auch in Berlin erheblich weniger Flüchtlinge an. Rund 1.000 Flüchtlinge ziehen außerdem in diesen Tagen aus Berliner Unterkünften in das Erstaufnahmelager im brandenburgischen Wünsdorf.

Angesichts dieser veränderten Situation entbrennt der Streit um die Berliner Standorte neu. Von einem Bezirkspolitiker hieß es am Sonntag, der Senat werde in seiner Sitzung in dieser Woche auch über die Unterkunft Dingolfinger Straße sprechen.

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