piwik no script img

Flüchtlinge in IsraelSchluss mit Internierung

Das Oberste Gericht in Israel bezeichnet die Haftlager für Flüchtlinge als verfassungswidrig. Für die Zukunft werden Einzelfallprüfungen angeordnet.

Internierung gestoppt: Eritreische Flüchtlinge in Israel. Bild: dpa

JERUSALEM taz | Flüchtlinge müssen in Israel nicht länger mit Inhaftierungen rechnen. Der Oberste Gerichtshof in Jerusalem entschied diese Woche gegen die Praxis, illegal ins Land eingereiste Flüchtlinge für drei Jahre in Haftlager zu stecken.

Seit Januar 2012 werden in dem berüchtigten Lager Saharonim im Negew gut 2.000 Kinder, Frauen und Männer unter gefängnisähnlichen Zuständen festgehalten. Das Forum von neun Richtern entschied, dass jeder Fall im Einzelnen geprüft werden muss. Die Abschiebehaft darf nicht länger als 60 Tage dauern.

Israel trafen die zigtausenden Menschen, die seit 2006 aus Afrika eingereist sind, unvorbereitet. In den sozial ohnehin schwachen Wohnvierteln gab es Zusammenstöße mit der lokalen Bevölkerung. Dieses Problem sei indes nicht zu lösen, indem man Unschuldige verhaftet, argumentierte Richterin Edna Arbel in ihrer Urteilsbegründung.

Die Regierung in Jerusalem wollte die Migration zunächst mit dem Bau von Grenzanlagen im Sinai einschränken. Das Lager von Saharonim sollte später die Städte entlasten und neue Flüchtlinge abschrecken.

Asylsuchende als Menschen behandeln

„Der Oberste Gerichtshof entschied heute, was selbstverständlich hätte sein müssen“, kommentierte Rechtsanwalt Jonatan Berman, der die Initiative „Klinik für Migranten“ vor Gericht vertrat. Der Staat müsse verstehen, so setzte der Anwalt hinzu, „dass Asylsuchende Menschen sind und als solche behandelt werden sollten“.

Die Richter akzeptierten die Position der Initiative, dass das bisherige Recht verfassungswidrig sei, weil es den Flüchtling wie einen Kriminellen behandelt, wenn es ihm die Freiheit nimmt.

Israel hält sich daran, Flüchtlinge aus Eritrea und Sudan nicht in ihre Heimatländer abzuschieben, gleichzeitig gab es bislang für die Hilfesuchenden keine Möglichkeit, offiziell Asyl zu beantragen. Zeitungsberichten zufolge bemüht sich die Regierung um eine Regelung, um Eritreer und Sudanesen in ein Drittland, möglicherweise Uganda, abzuschieben.

Das israelische Innenministerium lockt mit 1.500 US-Dollar für jeden Ausreisewilligen. Im Jahr 2012 ließen sich bereits gut 3.000 Flüchtlinge zur Ausreise motivieren. Laut Statistikbehörde leben heute rund 55.000 afrikanische Flüchtlinge in Israel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • M
    mama

    israel sollte die leute heim bringen, weder sudan noch eritrea kann auf diese TALENTE verzichten.

  • Z
    zbynek

    Es ist die am meisten positive Nachricht seit Jahren. In Israel gibt es sowas ein Rechtsstaat - zwar nur im Kernland - aber es ist ein guter Anfang. Demokratie in Israel bleibt gefährdet - hat aber vielleicht auch in Zukunft durch Gerichte bestand.

  • B
    Überlegenheit

    Israel als Zielland für die zu 90% muslimischen (Nord)Sudanesen und die zu über 50% muslimischen Eritreer. Warum zieht es sie nicht in die reichen Golfstaaten? Nein, man lässt sie nicht. Warum nicht nach Ägypten? Nein, das wäre eine Zumutung. Was sagt das wohl aus über die uns gern unter die Nase geriebene moralische Überlegenheit der muslimischen Länder?