Flüchtlinge in Deutschland: Asyl im Baumarkt
Die Länder überlassen die Kosten für Flüchtlinge den Kommunen. Die fühlen sich von steigenden Asylbewerberzahlen überfordert.
KÖLN taz | Noch thront das alte „Praktiker“-Schild über dem trostlosen Gebäude. Doch verkauft wird in der ehemaligen Filiale der Baumarktkette in Köln-Porz schon lange nichts mehr. Nun hat die Stadt einen neuen Verwendungszweck gefunden: Hier entsteht Kölns nächste Flüchtlingsunterkunft.
Betten für bis zu 200 Menschen werden demnächst auf der früheren Verkaufsfläche aufgestellt. Kölns Sozialdezernentin Henriette Reker bedauert: Leider sei eine Situation eingetreten, „die uns keine andere Wahl lässt“. Die Situation: Derzeit muss die Stadt Köln knapp 4.300 Flüchtlinge unterbringen. Tendenz steigend. Das sprengt längst die vorhandenen Unterbringungskapazitäten.
Weltweit sind derzeit so viele Menschen wie nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs auf der Flucht. 51 Millionen Männer, Frauen und Kinder zählte der UN-Flüchtlingskommissar bis zur Jahreswende. In die Bundesrepublik schafft es nur ein kleiner Teil.
Erwartet werden dieses Jahr rund 200.000 Menschen, bis August waren es 99.592. Das sind immer noch weit weniger als Anfang der 1990er Jahre. Aber es ist weit mehr als vor ein paar Jahren – und die Behörden zeigen sich nicht darauf vorbereitet.
Es gibt mehrere Kriterien, nach denen darüber entschieden wird, wo ein Flüchtling untergebracht wird. So bestehen über den sogenannten Königsteiner Schlüssel generelle Aufnahmequoten für die einzelnen Bundesländer. Dieser Schlüssel wird für jedes Jahr entsprechend der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl der Länder berechnet. Darüber hinaus hängt die Zuteilung von den jeweiligen aktuellen Kapazitäten ab.
Während für die Kosten der Erstaufnahmeeinrichtungen die Länder aufkommen, sind für die örtlichen Flüchtlingsunterkünfte in der Regel die jeweiligen Kommunen oder Landkreise verantwortlich. Die Länder zahlen an sie Pauschalen. Allerdings variieren diese stark. So beklagt Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD), dass trotz leerem Stadtsäckel das Land NRW nicht einmal 20 Prozent der Kosten erstatte. Bayern hingegen erstattet 100 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid