Flüchtlinge in Berlin: Registrierung auf Sparflamme
Mitten in der Kälte: Wegen einer Personalversammlung stellt das LaGeSo den Betrieb nahezu ein. Hilfsorganisationen sind empört.
In der Mitteilung, die der taz vorliegt, heißt es: „Bitte informieren Sie die von Ihnen betreuten Flüchtlinge entsprechend, (…) in der Unterkunft zu verbleiben“. Erst ab 14 Uhr seien Registrierungen wieder möglich. Bis dahin erfolge nur eine „extrem reduzierte Bearbeitung“ im Haus in der Turmstraße.
Die Nachricht wurde allerdings erst kurz nach 17 Uhr am Dienstag verschickt. Den Unterkünften blieb dementsprechend wenig Zeit, ihre Bewohner in Kenntnis zu setzen. Thomas de Vachroi, Leiter der Flüchtlingsunterkunft im Alten Rathaus Wilmersdorf, sagt dazu: „Ich finde es sehr bedenklich, dass man uns so spät informiert. Wir hatten die Flüchtlinge bereits mit Fahrscheinen ausgestattet, die aus Spendengeldern bezahlt wurden.“
Viele Flüchtlinge stehen mitten in der Nacht auf, um einen Platz in der Warteschlange vor dem LaGeSo zu ergattern. De Vachroi sieht die Gefahr von Protesten unter den Wartenden vor dem LaGeSo, aber auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Dass die Information der Behörde so spät komme, müssten letztlich die Helfer in den Unterkünften ausbaden: „Auch wir verlieren akut an Glaubwürdigkeit, denn die Bewohner verstehen nicht, warum sie plötzlich nun doch nicht wie angekündigt zur Registrierung fahren dürfen. Wir müssen aufpassen, dass es jetzt nicht zu Tumulten kommt.“
Zugespitzte humanitäre Situation
Angesichts der sinkenden Temperaturen wird die Lage der Flüchtlinge, die sich beim LaGeSo registrieren müssen, ohnehin immer prekärer. Die Wartenden stehen stunden-, oft tagelang in der Kälte. Caritas-Sprecher Thomas Gleißner kritisiert deshalb den Zeitpunkt der Personalversammlung: „Dass das LaGeSo seinen Betrieb nahezu einstellt, während sich die humanitäre Lage der Wartenden derart zuspitzt, ist nicht nachvollziehbar.“
Die Caritas hatte bereits am Dienstag den Berliner Senat aufgefordert, sofortige Hilfsmaßnahmen für die Hunderten von Menschen, die täglich vor dem LaGeSo warten, zu ergreifen. Die Zustände seien nicht mehr verantwortbar, sagte Caritasdirektorin Ulrike Kostka: „Wir können nicht mehr ausschließen, dass Menschen sterben.“
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