Flüchtlinge in Afrika: „You are most welcome!“
Viele afrikanische Flüchtlinge wollen nicht nach Deutschland. Sie fliehen in afrikanische Staaten wie Uganda. Dort ist man solidarisch.
KAMPALA taz | Es ist einfach nur beschämend, wenn man sich von Afrika aus die deutsche Asylpolitik und den Umgang der Deutschen mit Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft betrachtet. Pegida in Dresden, das brennende Flüchtlingsheim bei Nürnberg, die fehlenden Unterkünfte für Schutzsuchende – und all diese hitzigen Debatten. Als würde ein ganzes Heer von Flüchtlingen den deutschen Elfenbeinturm stürmen. Die Angst geht um, dass die Deutschen aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und der Welt da draußen ins Gesicht gucken müssen.
Aber mal halblang. Nicht ganz Afrika ist auf der Flucht nach Europa. Die meisten Vertriebenen aus den Krisen des Kontinents wollen gar nicht nach Hessen, Sachsen oder Bayern, um dort in Asylbewerberheimen misshandelt zu werden. Die Mehrheit der afrikanischen Flüchtlinge sucht Schutz in den Nachbarländern nahe der Grenzen ihrer Heimat – oder in Ländern wie Uganda, die sie gerne aufnehmen.
Wo sie willkommen sind, wo sie einen kleinen Laden aufmachen können, um ein neues Leben zu beginnen, anstatt in deutschen Asylcontainern zwischengeparkt zu werden.
Die, die sich auf die lange gefährliche Reise nach Europa machen, sind die Minderheit. Oft diejenige Söhne und Töchter, die das meiste Potenzial haben, in Deutschland, Schweden oder Italien Fuß zu fassen, einen Job zu finden und eventuell bald Geld nach Hause schicken können. In der Regel die gut Ausgebildeten mit Universitätsabschluss. Und genau von dieser Kategorie von Flüchtlingen profitiert Ugandas Wirtschaft.
Die Welt spielt längst woanders, sagen die taz-AuslandskorrespondentInnen und übernehmen die taz in einer Sonderausgabe zum Jahreswechsel. Ihre Berichte, Reportagen und Analysen zeigen, was in Asien, Afrika und Lateinamerika wichtig ist. Am Kiosk oder gleich am eKiosk.
Eine halbe Millionen Flüchtlinge in Uganda
Das kleine Land in Ostafrika beherbergt derzeit so viele Flüchtlinge, wie seit dem Völkermord im Nachbarland Ruanda vor 20 Jahren nicht mehr. Rund eine halbe Million. Davon sind die Mehrheit Kongolesen, die andere Hälfte Südsudanesen, Somali, Eritreer. Und es werden mehr: Laut Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR könnten es Ende 2015 bis zu 700.000 Schutzsuchende sein. Die meisten werden in Uganda Asyl beantragen und bleiben, weil es kaum Hoffnung gibt, dass sich die Krisen in ihrer Heimat bald beilegen lassen.
Im Vergleich: Das UNHCR meldet für Deutschland gerade einmal die Hälfte an Flüchtlingen, dabei verfügt die Bundesrepublik über ein Bruttosozialprodukt, das 157-mal größer ist als das von Uganda.
In Uganda brennen keine Flüchtlingsheime, werden Flüchtlinge nicht als Kriminelle stigmatisiert, gibt es keine Proteste der lokalen Bevölkerung. Die Ugander waren vor knapp 30 Jahren selbst einmal Flüchtlinge ihres Bürgerkriegs. Es gibt ein großes Solidaritätsgefühl mit Vertriebenen. „You are most welcome!“, heißt es etwa in der Immigrationsbehörde am Schalter für Asylanträge. In Deutschland undenkbar.
Dabei ist Uganda selbst ein armes Land. Schätzungsweise mehr als die Hälfte der jungen Männer unter 25 ist arbeitslos. Aber all diese Probleme schiebt man nicht den Flüchtlingen in die Schuhe. Sie dürfen kommen, um zu bleiben.
Liberale Einwanderungspolitik
Es gibt kein Land in Afrika mit einer solch liberalen Einwanderungspolitik wie Uganda. Das zeigte sich jüngst vor allem im Kontext der Ebola-Krise. Während die ganze Welt lieber jedem Westafrikaner den Zutritt zum Flugzeug verboten hätte, erklärte Ugandas Flüchtlingskommission, dass Menschen aus den betroffenen Gebieten ohne Umstände Asyl erhalten können, inklusive Arbeitserlaubnis.
Denn genau: Diese Flüchtlinge, das sind doch Mechaniker, Händler, Köche, Ingenieure! Die kommen mit all ihren Ersparnissen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Sie investieren, um zu überleben. Denn der Staat kann sie nicht durchfüttern.
Also eröffnen sie kleine Läden, Restaurants, fahren Taxi oder gehen zur Universität. Sie zahlen im besten Fall später sogar Steuern, stellen ein paar Ugander ein. Sie zahlen Miete für ein Haus, für einen Laden. Sie konsumieren – und fördern damit die Wirtschaft in Uganda.
Diese Erkenntnis sickert in Deutschland erst langsam durch. Der Präsident der Handwerkskammer, Hans Peter Wollseifer, hat jüngst ein begrenztes Bleiberecht für ausbildungswillige junge Flüchtlinge in Deutschland gefordert. Ein erster Schritt. Doch wie werden die Deutschen darauf reagieren? Dem Klempner die Tür vor der Nase zuschlagen, weil er Afrikaner ist? Oder doch lieber die verstopfte Toilette repariert bekommen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag